Hintergrund

Ukrainische Gewerkschaften angesichts des Krieges

Ein Gespräch mit Denys Pankratow, Organisator der Gewerkschaft der Kranführer:innen des Oblasts Lwiw (Profspilka Kraniwnykiw Lwiwszczyny - Профспілка кранівників Львівщини), Aktivist der Organisation Soziale Bewegung (Socjalnyj Ruh - Соціальний рух).

Wir lernten Denys und Mitglieder der Kranführer:innengewerkschaft im Frühjahr 2021 bei Ferntreffen und einem Erfahrungsaustausch zwischen gewerkschaftlich organisierten Kranführer:innen in Polen und der Ukraine kennen. Zu dieser Zeit waren in beiden Ländern Proteste in Sachen Lohnerhöhungen und einer Verbesserung der Arbeitssicherheit in dieser Branche im Gange. Die ukrainischen Kranführer:innen informierten in ihren sozialen Medien regelmäßig über unsere Aktionen und brachten ihre Solidarität zum Ausdruck. Wir haben im IP-Bulletin und auf unserer Website über den Kampf der ukrainischen Kranführer:innen geschrieben, während das Material über die polnischen Kranführer:innen auf der Website der ukrainischen Organisation Soziale Bewegung erschien.

Denys, sag’ uns zu Beginn, wie die Situation in Lwiw jetzt ist?

In Lwiw ist die Lage relativ ruhig. In den letzten zwei Tagen gab es nur zwei Alarme. Es gab in der Umgebung von Lwiw keine Provokationen, keine Explosionen und keine bewaffneten Aktionen. Die Menschen organisieren sich, bilden starke Freiwilligennetzwerke. Die Behörden schließen sich diesen Aktionen ebenfalls an, aber es handeln auch Basisinitiativen, die getrennt von den Behörden tätig sind. Die öffentlichen Verkehrsmittel funktionieren, ebenso die Geschäfte. In den Geschäften gibt es zum Glück noch Lebensmittel. Was in Lwiw fehlt, ist medizinischer Bedarf, sind Powerbanks und Handy-Ladegeräte. Es mangelt an solchen kritischen Dingen und militärischer Ausstattung.

Dann erzähl’ uns etwas über diese Basisinitiativen, wie funktionieren sie, womit konkret beschäftigen sie sich in Lwiw?

Zu den antiautoritären Basisinitiativen, denen ich angehöre, gehört u. a. die Zubereitung vegetarischer Lebensmittel. Von morgens an kochen wir Essen für 50-60 bis 80 Personen. Wir verteilen in erster Linie dort, wo die Geflüchteten untergebracht sind, dann kochen wir oder nehmen das, was übrig bleibt, und bringen es zum Bahnhof, wo sich inzwischen viele Menschen befinden. Ich werde Dir den Kontakt zu dieser Initiative geben, dort handeln die Leute offen. Außerdem gibt es drei Personen von der Organisation Soziale Bewegung, eine davon bin ich. Wir bemühen uns, unsere Genoss:innen von der Antiautoritären Vereinigung, die an die Front gegangen sind, zu unterstützen. Wir versuchen, sie mit medizinischem Material und taktischer Ausrüstung zu versorgen: kugelsichere Westen, Helme, Handschuhe. Außerdem gibt es die anarchistische Organisation Schwarze Fahne. Soweit ich weiß, ging ein Teil von ihr an die Front, nach Kiew, zur Territorialverteidigung. Andere meldeten sich zur lokalen Territorialverteidigung in Lwiw. Die Ökologische Plattform und die Schwarze Fahne versorgen die Menschen jedoch weiterhin an Samstagen. Wohnungslose und andere , die Lebensmittel benötigen.

Und die Gewerkschaft der Kranführer:innen, mit der Du verbunden bist?

Wir bleiben die ganze Zeit in Kontakt, haben eine Spendensammlung für die ukrainische Armee organisiert. Aus dem Gewerkschaftsbudget und mit eigenen Kräften helfen wir auch einem Gewerkschaftsmitglied, das an die Frontlinie mobilisiert wurde. Er arbeitete als Mechaniker, und jetzt helfen wir ihm, verschiedene notwendige Ausrüstungsgegenstände und medizinische Güter zu sammeln. Ein Teil der Gewerkschafter:innen wird in der nächsten Zeit nach Kiew fahren, um den Menschen bei der Verteidigung der Stadt zu helfen.

Und in welcher Lage sind die Werktätigen in der Ukraine jetzt, unter diesen Kriegsbedingungen, wenn mensch eine solche Frage überhaupt stellen kann?

Im Allgemeinen haben die Menschen ihre Löhne bekommen, obwohl ich von so manchem Fall gehört habe, in dem sie nichts erhalten haben und leer ausgegangen sind. Natürlich sind die Baustellen jetzt nicht in Betrieb. Jetzt sind alle Kräfte darauf ausgerichtet, das Verteidigungspotenzial der Stadt, der Region und der Ukraine zu unterstützen.

Und was möchtest Du Menschen aus den Gewerkschaften und sozialen Organisationen in Polen und in anderen Ländern sagen?

Uns liegt eine konkrete Forderung der Sozialen Bewegung nach Erlass der Auslandsschulden der Ukraine vor, es gibt eine Petition in dieser Sache. Der ukrainische Gewerkschaftsbund hat den Internationalen Gewerkschaftsbund gebeten, die Föderation Unabhängiger Gewerkschaften Russlands, die Putins Aggression gegen die Ukraine offen unterstützt hat, auszuschließen. Die ukrainische Föderation stellte auch in den Städten, wo es möglich war, ihre Infrastruktur für die Bedürfnisse der Geflüchteten zur Verfügung. Ich denke hier an Hotels, Stützpunkte und dergleichen. Viele Menschen fahren jetzt ins Ausland, es sind Frauen, weil es Männern verboten ist, wegzufahren. Wir hoffen, dass die Gewerkschaften ihnen helfen, Arbeit zu finden und ihr Leben zu organisieren.

Möchtest Du noch etwas sagen?

Verfolgt, was hier passiert, und verbreitet die Informationen. Ich hoffe, dass in Polen Eure Kraft ausreicht, um sich um die ukrainischen Werktätigen zu kümmern.

Das Gespräch führte: Ignacy Jóźwiak, 01.03.2022

Die Initiative, in der Denys tätig ist, kann finanziell unterstützt werden:

Wir sind eine Basisinitiative von Künstler:innen und Aktivist:innen für die humanitäre Unterstützung von Kriegsflüchtlingen und anderen Hilfsbedürftigen. Wir kochen Mittagessen und unterstützen Notunterkünfte in Lwiw. Wir brauchen Geld für Lebensmittel und andere humanitäre Hilfe.
Am besten ist, das WISE-System (wise.com) zu nutzen, dann kommt das Geld innerhalb von 20 Minuten an. Die E-Mail-Adresse der:des Empfänger:in muss nicht angegeben werden! Mensch kann auch eine Banküberweisung vornehmen, aber das dauert sehr lange.

Währung – UAH
Kontoinhaber:in – Olha Marusyn
Land – Ukraine
Bank – Privatbank
Kartennummer 4149609001338138
BIC: PBANUA2XXXX
IBAN: UA283052990000026201741741293

Ukraińskie związki zawodowe wobec wojny (akt.)

dt. Übersetzung: Internationales Komitee der FAU

Ignacy Jóźwiak

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Kommentare

  • zumindest die westukraine sollte unoprotekionsregion sein.ich will keine unmöglicheiten oder unerfüllbare hoffnungen
    erwcken,aber ich habe mich immer gefragt,wi sollen all die zivilisten u.verletzten so schnell da heraus.wie medikamente, und lebensmittel,schutzwesten, helme,nachtsichtgeräte hinein..
    nd was ist nochmal aufgabe dieser uno.
    alle zivilisten sollten evakuiert werden..
    im osten angefangen.auch die von den küstenstädten,die eingechlossenen...alle auch die soldaten.das sollte eine grundforderung der uno sein...am dienstag.
    evakuierung aller aus dem osten und unoprotektionszone im westen.
    menschsein ist lebenswerter als pogromist zu sein....wer sein menschsein aufgibt ist bereits tot.

  • p.s.die evakuierungen sollten sinnvoller weise
    durch als uno gekennzeichnete und legitimierte
    einsatzkräfte geleistet werden..
    also völlig weiss.
    das muss die uno leisten können ,als minimal
    leistung.anderes ist absolut inakzeptabel.
    es dürfen keine zu pogrommisierenden mehr dort verbleiben.die nicht lieferung schwerer waffen und statt dessen viele unerschiedliche nichtgenormter leichter waffen könnte zu kompatibilitäsverhinderungen mit fatalen
    folgen führen.daher sind die kompatibilitätsanforderungen elementar.
    waffen zu munition.geschütz zerstrt aber inkompatible munition für geschütz daneben.
    also 2 geschütze nicht mehr bedienbar..m.d.
    munition.

    es ist gut zulesen wie sich die untrschiedlichen gruppen dort helfen..
    danke für den artikel..
    wenn möglich die forderungen dem unogeneralsekretär beim besuch am dienstag näher bringen.besten dank.
    die ethischen rechtnormen gegen den westen
    weiter einfordern.die völkrechtsbindende hilfsverpflichtung muss eine hinreichende
    sein,keine reine beruhigungsgeste.
    die brd kann 10 % ihrer schweren waffen entbehren,weil nachrüstbar.es ist auch keine
    beteiligung ,als solche.sondern verpflichtete hilfe zur selbsthilfe.es handelt sich ja nicht, wie bei den regierungkoalitionsdeutschen bombenlieferungen um beihilfe zu einem angriffskrieg..bei der "uns" kanzler vize war.ist bisher menschenrechtsstaatlich noch nicht verhandelt worden.obwohl zwingend notwendig.wegen der gültigkeitspriorität
    übergeordneter rechte.

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Veröffentlicht von
Ignacy Jóźwiak

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