Cooler Job? Schaler Beigeschmack!
In wenigen Branchen begegnet uns so eine Vielzahl von Arbeitsrechtsverstößen
und Missständen wie in der Gastronomie. Die Einbehaltung von Trinkgeld,
Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz, Nichtgewährung von Urlaub oder
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sind genauso üblich wie der Zwang zur
Scheinselbstständigkeit, Schwarzarbeit, Unterbezahlung, sexuelle Belästigung am
Arbeitsplatz und despotische Chef_innen. Viele Betriebe sind zudem so klein,
dass der Kündigungsschutz nicht greift und die Wahrnehmung der eigenen Rechte
schnell mit dem Jobverlust einhergeht. Für viele ist der Job außerdem eher
Durchgangsstation, wird als temporäres Übel angesehen oder sich schön geredet.
Da geht doch noch
was!
Gleichzeitig bietet die Gastro für gewerkschaftliche
Aktionen von unten viele Möglichkeiten. Oft reicht es schon, wenn eine
Belegschaft mal entschlossen Forderungen formuliert und ausdauernd verhandelt.
Dafür bietet die Dresdner FAU-Sektion „Basisgewerkschaft Nahrung und
Gastronomie“ (BNG) seit geraumer Zeit Trainings an. Die Überschaubarkeit der
meisten Betriebe eignet sich außerdem auch für junge Gewerkschaften zum
Abschluss erster Haustarifverträge.
Aber auch wenn ein Konflikt schärfer wird: Fast jeder Gastrobetrieb
ist auf seinen Ruf angewiesen. Können wir uns daher nicht auf den Kündigungsschutz
verlassen, so doch auf die Möglichkeit in der Systemgastronomie schnell
internationalen Druck mit unseren Partnergewerkschaften und in der Eckkneipe
unmittelbaren Druck durch die Solidarität der Anwohner_innen und Stammgäste aufzubauen.
Nicht umsonst konnten Syndikate in Dresden, Kiel und Berlin in den letzten drei
Jahren auf eine Reihe erfolgreicher Arbeitskämpfe (inklusive zweimonatigem
Streik in Dresden) zurückblicken. Gleichzeitig findet sich in der Gastro
schnell ein neuer Job, mensch kann auch mal was riskieren, zumal neues Personal
meist von den bestehenden Kolleg_innen empfohlen wird. So verhilft sich in
Dresden ein Netzwerk von Kolleg_innen regelmäßig zu Stellen. Weitere
Druckmittel in harten Arbeitskämpfen: Betrieb besetzen, mit dem Zoll drohen,
Pressearbeit, Picketlines, koordiniertes Krankfeiern, Bummel- und
Freundlichkeitsstreiks und natürlich reguläre Streiks.
Neuer Wind in der Branche
Aktuell ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad abseits
der Systemgastronomie verschwindend gering, da die DGB-Gewerkschaft NGG auf die
Betriebssituationen, gerade der kleinen Kneipen, keine wirklichen Antworten
hat. So wurde die Dresdner BNG als anarchosyndikalistische Organisation schnell
unter den Kolleg_innen der Stadt bekannt. Wir konnten uns Strukturen
erarbeiten, die uns weiterhelfen, sei es die angesprochene Hilfe bei der
Stellensuche, Weiterbildungen zu Arbeitsrecht, Verhandlungstrainings,
Arbeitskampfworkshops oder auch branchenübergreifende Strukturen wie die
Erwerbslosenselbsthilfe für Aufstocker_innen und unsere Urlaubsmöglichkeiten
gegen Spende. Besonders erfolgreich sind die Branchenlohnspiegel, die auch von
Syndikaten in Regensburg und Hamburg ins Leben gerufen wurden. Diese dienen
nicht nur zur Grundlage für Lohnverhandlungen, sondern auch als Pranger für
besonders schwarze Schafe, Orientierung für solidarische Kunden und als
ökonomischer Anreiz für Unternehmer_innen faire Löhne zu zahlen.
Immer noch gibt es viel Überzeugungsarbeit zu leisten. So
sind selbst in Dresden viele Kolleg_innen mit antifaschistischem und
antikapitalistischem Bewusstsein nicht organisiert. Das ist schade, denn mit
jedem neuen Mitglied steigt nicht nur die Möglichkeit zu Informationskampagnen
und Arbeitskämpfen, auch betriebsübergreifende Forderungen, z.B. für
Lohnerhöhungen werden greifbarer. Dass solche Kämpfe schnell einen Flächenbrand
auslösen und sich auch mit z.B. antirassistischen Kämpfen verbinden können,
zeigt nicht zuletzt die aktuelle „Fight for 15“-Massenbewegung in der USA die
maßgeblich von prekarisierten Gastro-Arbeiter_innen mitinitiiert wurde. Aber
auch die Gründung weiterer lokaler BNGs ist wichtig, um Kräfte zu bündeln. Aus
diesem Grund erstellt die BNG Dresden Präsentationen und Infomaterial so, dass
sie schnell von anderen Syndikaten und Betriebsgruppen weiterverwendet werden
können.
Politik? Auch unser Bier!
Eine Organisation, die wie die FAU mehr als nur Gewerkschaft
sein will, hat auch sonst in der Gastro viele potentielle Anknüpfungspunkte.
Gastronomie, das ist nicht nur Warenumschlagsplatz, sondern immer auch
anderweitig sozialer Raum. So können Belegschaften nicht nur bessere
Arbeitsbedingungen fordern, sondern z.B. auch das Recht, rassistische oder
sexistische Diskriminierungen im Laden nicht zu tolerieren, auf die Gefahren
von Alkoholismus hinzuweisen, im Lokal politische Veranstaltungswerbung
zuzulassen etc. Andere Aspekte können die Preispolitik oder der Absatz von
kollektiv produzierten, veganen oder ökologischen Waren sein. Auch diese
Forderungen werden oft dem Gewinninteresse des Chefs oder der Chefin entgegenstehen,
auch deshalb ist es wichtig, sich gewerkschaftlich abzusichern und auf
Konfliktfälle vorbereitet zu sein. Nicht zuletzt wollen wir auch mit unseren
Kolleg_innen diskutieren und inhaltlich weiter kommen. So warb die BNG Dresden
mit zwei Kampagnen in den vergangenen Monaten für eine Positionierung von
Gastro-Arbeiter_innen gegen Pegida (in manchen Läden wurden Schilder „Kein Bier
für Pegida“ aufgehängt) und gegen rassistische Türkontrollen. Auch wurde in den
Betriebsgruppen z.T. dazu aufgerufen, als Belegschaften Bezugsgruppen auf Demos
zu bilden.
Eine andere Kneipe wagen!
Viele Kneipen und Imbisse verkaufen sich ihrem Klientel mit
einem linken Chic. Dass ein Betrieb jedoch nicht emanzipatorisch sein kann, so
lange eine Partei den Besitz und das Mittel der Kündigung immer drohend in der
Hand hält, sollte klar sein. Ein Betrieb, der sich links oder gar anarchistisch
nennen kann, wäre für uns daher gleichberechtigt organisiert (gerade in der
Eigentumsfrage), unterläuft keine Branchenstandards, wird gewerkschaftlich
kontrolliert und ist bemüht um eine soziale Betriebsethik und bestmögliche
Transparenz gegenüber der Kundschaft. Aus diesem Grund ist die Förderung und
Gründung von gewerkschaftlichen Kollektivbetrieben Teil unserer
Branchenstrategie. Eine erste Gründung wird aktuell durch Mitglieder der BNG
aktiv angestrebt. Unterstützung bietet hier das „Union Coop“-Projekt der FAU
Berlin (siehe berlin.fau.org/strategie/kollektivbetriebe). Hier wird eine
Föderation und Zertifizierung eben solcher Kollektivbetriebe in Zusammenarbeit
mit der FAU angestrebt. Schon jetzt gibt die Föderation i.G. hilfreiche Tipps
für die betriebsinterne Satzung und mehr.
Wirf nicht das Handtuch!
Das hier war nur ein Bruchteil unserer Arbeit. Wenn ihr in
der Gastro arbeitet, schaut am besten mal in eurem Syndikat vorbei oder
schreibt uns eine Mail. Wir können noch viel mehr schaffen – wenn ihr uns nicht
hängen lasst!
BNG-FAU
Dresden