Bei glühender Hitze demonstrierten am 29. Juni 50.000 Metaller*innen in Berlin. Es war ein Aktionstag der größten Gewerkschaft Europas. Die IG Metall mit ihren 2,3 Millionen Mitgliedern hat den drohenden Wandel insbesondere in der Automobilindustrie zum Anlass genommen auf das Thema aufmerksam zu machen. Neben dem Umbau der Antriebstechnik vor allem zur E-Mobilität spielt auch die Digitalisierung unter dem Schlagwort Industrie 4.0 eine wesentliche Rolle. Auf der FairWandel-Kundgebung traten wie bei solchen Aktionstagen üblich bekannte Musiker auf.[1]Fairwandel: Seite der IG Metall
E-Autos als Lösung?
Neben dem Eventcharakter darf nicht vergessen werden, dass es für viele Beschäftigte auch um ihren Arbeitsplatz geht bzw. die Gestaltung dessen. Die Demonstration hatte zwar nicht ein großes wesentliches Anliegen, sondern einen ganzen Themenkomplex, aber der Umbau in der Antriebstechnik war wohl das bestimmende Anliegen. Hintergrund ist, dass die EU die Autohersteller unter Druck setzt den CO2-Ausstoß ihrer Flotten zu reduzieren. Bis 2030 soll der Ausstoß der Neuwagenflotte um 37,5 Prozent gesenkt werden und bis 2025 soll er bereits um 15 Prozent sinken.[2]EU setzt Vorgaben für Pkw Ansonsten drohen den Autokonzernen drastische Strafen.[3]CO2-Grenzwerte: Diesen Herstellern drohen harte Geldstrafen Um dies überhaupt noch zu schaffen, werden E-Autos im Portfolio eine größere Rolle spielen. Es wäre wohl günstiger Elektroautos zu verschenken als die Strafen zu kassieren. Dadurch könnte der Verbrennungsmotor verdrängt werden, auch wenn sich die elektrisch betriebenen PKW’s vorerst als Flop erweisen.
Über den ökologischen Nutzen dieser Fahrzeuge lässt sich zu Recht streiten, etwa bei den Rohstoffen für die Batterie. Hinterlässt der elektrische Zweitwagen oder SUV nicht einen größeren Fußabdruck durch die grüngesinnte gehobene Mittelschicht als bisher? Anstatt sich Gedanken über den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs zu machen oder generell die Verkehrsmeidung, etwa beim Güterverkehr, um Emissionen zu reduzieren, wird weiterhin voll auf Individualverkehr gesetzt.[4]Lassen Sie uns doch mal über Verkehr reden – Teil 3: Sackgasse Elektromobilität
Was da aber auf die Lohnabhängigen zurollt, verdeutlicht das VW-Werk in Zwickau, was mit etwa 8.000 Beschäftigten bis 2020 auf die serienmäßige Elektromobilität umrüstet. Nun benötigt so ein E-Motor weniger Komponenten als ein Verbrenner. Insbesondere im Zulieferbereich könnten etliche Stellen wegfallen, weil die OEM’s[5]OEM sind die Markenkonzerne (VW, Audi usw.) Der Begriff „OEM“ (im Gegensatz zu „Erstausrüster“) wird in der Automobilindustrie synonym mit einem Fahrzeughersteller verwendet. Insourcing betreiben werden. Das heißt, dass die Fahrzeughersteller teilweise die Produktionsprozesse, welche in den letzten Jahrzehnte ausgelagert wurden, wiedereingliedern. Verstärkt durch die Digitalisierung könnte das zwei entgegengesetzte Trends bedeuten: An den Stammwerken, wo Forschung und Entwicklung betrieben werden, ist kaum Stellenabbau zu befürchten bzw. könnten sogar weitere entstehen. In den verlängerten Werkbänken insbesondere im Osten dagegen sind industrielle Arbeitsplätze gefährdet. Und der Trend bei den Industriearbeitsplätzen ist schon jetzt im Gang. Die Region um Eisenach ist das Zentrum der thüringischen Automobilindustrie. Nach Angaben der IG Metall sind hier schon in den letzten Jahren 1.500 Stellen weggefallen.[6]IG Metall: Tausende Arbeitsplätze in Autoindustrie gefährdet
Auslaufmodell Diesel
Ein weiteres Problem, was für die Beschäftigten in der Automobilbranche hinzu kommt, sind die Folgen des Diesel-Abgasskandals. Es ist ein sehr zweischneidiges Schwert. Wurde hier klar mit der Schummelsoftware per Abschalteinrichtung durch VW und Co. betrogen, so ist die Sinnhaftigkeit von Fahrverboten anzuzweifeln. In Gesprächen mit den betroffenen Kollegen, die hier um ihre Existenz bangen, wird dies doch sehr emotional diskutiert und geht hin bis zu Verschwörungstheorien. Neben der Flüchtlingsdebatte war dies das zweite große Thema der AfD im Vorfeld zur Bundestagswahl, was die Wichtigkeit des Themas in der öffentlichen Debatte unterstreicht. Die IG Metall steckt bei den vom Diesel verursachten Stickoxide wie bei der CO2-Problematik in einem Dilemma. Es ist den Vertretern der Gewerkschaft anzumerken, dass sie neben einer sozialverträglichen auch nach einer ökologisch nachhaltigen Lösung suchen. So war beim Aktionstag auch NABU-Präsident Olaf Tschimpke als Redner geladen. Auch in Schweinfurt kooperiert die IG Metall mit dem BUND, um Wege in eine sozial-ökologische Industrieproduktion zu finden. Dennoch ist es für die Mobilisation schwierig mit so offen formulierten Forderungen zu werben, wo manchen Mitgliedern dann oft die konkrete Stoßrichtung nicht klar ist.
Anderes agierte die selbsternannte „Gelbwesten“-Bewegung, die mit etwa 1.500 Teilnehmer*innen in Stuttgart klar gegen die Dieselverbote protestierte. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass der Initiator sich gegenüber der Presse für umfassenderes Verkehrskonzept ausgesprochen hat – attraktiver ÖPNV inbegriffen.[7]Stuttgarter Gelbwesten protestieren gegen „Larifari“-Entscheid Nun ist das Motto „Hände weg vom Diesel“ durchaus schon rechts besetzt. Eine linke Bewegung sollte hier umfassendere Lösungen anbieten für Beschäftigte und Verbraucher*innen. Eine gemeinsame Aktion wie bei „Stop TTIP“ mit Umweltgruppen bietet sich dabei an.
Beitragsbild: IG Metall protestiert für einen „Fairwandel“ vor dem Brandenburger Tor am 29. Juni 2019 (Urheber: C.Suthorn / cc-by-sa-4.0 / commons.wikimedia.org)