Die Schwarz-Roten Bergsteiger_innen (SRB) sind eine politische Freizeit- und Bildungsorganisation, die seit 2015 in einem der rechts-geprägtesten Landkreise Deutschlands gegen den Strom schwimmen – und dabei sind sie äußerst erfolgreich.
Als Kultur- und Sportkollektiv sind die SRB an die FAU-Gewerkschaft Allgemeines Syndikat Dresden angeschlossen. Seit 2015 betreiben sie eigene Hütten, die sie gegen Spende linken Aktivist*innen und emanzipatorischen Arbeiter*innen für Urlaube und Klausuren zur Verfügung stellen. Sie organisieren politische Führungen durch die Region, bringen mal legal, mal illegal Gedenkplatten zur Erinnerung an Verbrechen und Widerstand im Nationalsozialismus an. Sie bilden sich gegenseitig in Sachen Bergsport und Naturschutz weiter, sind Pate für einen Klettergipfel im Gebiet, räumen gemeinsam Müll aus dem Nationalpark, organisieren aber auch antifaschistische Konzerte und bemühen sich in jahrelanger Kleinarbeit um Kontakte zu antifaschistisch eingestellten Menschen im Landkreis und bringen diese dann zusammen.
Was sie eint, ist die Liebe zur Natur und den Bergen, aber eben auch die Vision von einer Gesellschaft ohne Lohnarbeit, ohne Profitlogik, ohne Fremdbestimmung und ohne Nazis. Aus diesem Grund sind sie nicht zufällig in der FAU, wie Kim, eines der Mitglieder berichtet: »Viele sind oft erstmal verwundert, was unsere Arbeit hier mit revolutionärer Gewerkschaftarbeit zu tun haben soll. Die Antwort ist: Eine Menge! Zum einen wissen wir, dass wir für eine Umgestaltung der Gesellschaft basisdemokratische, weltweite Strukturen brauchen, ein revolutionäres Konzept und konkrete Pläne für die Umgestaltung der Wirtschaft. Das verwirklicht aktuell für uns am besten die FAU. Zum anderen ist es aber auch viel alltäglicher: Viele von uns, die sich ihr Leben am Fels gegenseitig anvertrauen, haben sich auch schon in der Kette vor dem wütenden Nazi-Mob oder am Streikposten ihre Existenz anvertraut. Gegenseitiges Vertrauen ist ein Schlüssel für revolutionäre Politik – und Kraft tanken können. Viele von uns wären ohne die Hütten hier draußen, ohne das gemeinsame Bauen, die Sommernachmittage im Heidekraut sicher schon ausgebrannt oder fänden in ihren Lebensumständen keine Zeit für revolutionäre Politik. Aber durchatmen müssen wir alle mal, das Leben besteht aus mehr, als aus Lohnarbeit. Und bei der Fahrt im Zug zum Gipfel oder bei der Kaffee-Pause beim Baueinsatz, finden auch Leute die Zeit über die Arbeit zu reden oder die Anträge auf dem nächsten Bundeskongress, die es sonst zu keinem Plenum schaffen würden.«
Diese Erkenntnis ist nicht neu, auch die Vorgänger-Organisationen der FAU, die FAUD kannte in den 1920er Jahren, wie die meisten Organisationen der Arbeiter*innenbewegung, eine Vielzahl von Kultur und Sportvereinen. So stellen sich die SRB auch nicht zufällig und dafür aber ein wenig augenzwinkernd mit ihrem Namen in die Tradition jener antifaschistischen Bergsteiger*innen, die während der NS-Zeit in der Region Menschen über die Grenze retteten und illegale Literatur ins Land hinein schmuggelten.
Damals wie heute ist die Idylle, die einem im Elbsandsteingebirge entgegen schlägt, ambivalent. Hinter den Fassaden der Fachwerk-Häuschen, in den verwunschenen Industrie-Ruinen, in den engen Tälern und den Drei-Seiten-Höfen verstecken sich nicht wenige Treffpunkte, Online-Shops, Kneipen und Waffenkammern organisierter Nationalsozialist*innen. Die NPD holte hier in manchen Dörfern zu besten Zeiten über 25 Prozent der Stimmen, AfD und NPD zusammen kamen im malerisch gelegenen Rathmannsdorf noch zur Europa-Wahl 2019 zusammen auf 46 Prozent der Stimmen.
Auf die Frage, ob es nicht absurd ist, sich gerade hier anarchistisch zu organisieren, grinst der Bergsteiger, der vor mir im Sonnenschein bei einer Tasse Kaffee auf der Felsnase sitzt: »Es gibt hier viele sehr schlimme und menschenverachtende Leute, aber auch viele wunderbare Menschen, die von einander nichts wissen. Vielleicht machen wir ihnen ja Mut, aus der Deckung zu kommen und den Mund aufzumachen. Fest steht: Wenn wir hier anarchosyndikalistische Strukturen aufbauen können, dann können wir es auch überall sonst.«
Die Themenschwerpunkte der politischen Arbeit vor Ort sind dabei durchaus andere, als die bei der synikalistischen Arbeit in der Stadt. Betrieblich ist die Region zu großen Teilen von Kleinbetrieben (Handwerk, Tourismus, Gastronomie) oder Staatsbetrieben (ÖPNV, Sachsenforst, Nationalparkverwaltung) geprägt, die Betriebe sind oft kleinteiliger, oft mit familiären Verflechtungen. Arbeitskämpfe können hier für die Beschäftigten sehr große soziale Folgen haben. Gleichzeitig ist die Region noch stark von Wohneigentum geprägt. »Unsere Ansatzpunkte sind daher oft näher an der kommunalistischen Agenda; die Leute haben Interesse an Kollektivbetrieben, dem Mietshäusersyndikat, lokaler Mit- und Selbstbestimmung, der Zukunft ihrer Dörfer. Es geht um mangelnde kulturelle Einrichtungen, fehlende Treffpunkte aber natürlich auch um Probleme mit Nazis und in den letzten Jahren auch immer mehr um Klima- und Umweltschutz«, sagt Kim.
Für die nächsten Jahre haben sie viel vor, die einzelnen Arbeitsfelder sollen Stück für Stück zu selbstständigen AGs ausgeweitet werden, mit dem Mietshäusersyndikat zusammen wollen sie ein libertäres Zentrum als Anlaufpunkt für öffentliche Veranstaltungen aufbauen. »Wo wir Veranstaltungen machen, tauchen schnell mal 10 bis 15 Neo-Nazis auf und die sind gut vernetzt. Deswegen können wir unseren Partner*innen öffentliche Veranstaltungen schwer zumuten und brauchen eigene Räume.« Langfristig soll sich daraus vielleicht ein Kultur- und Sportbund entwickeln – und eigenständige syndikalistische Strukturen im Landkreis. Ein anderer Teil der FAU Dresden geht mit dem Aufbau von Strukturen abseits der Großstädte bereits voran, seit 2020 besteht eine Sektion Erzgebirgskreis.
Link: srb.fau.org
Kontakt: akfreizeit@riseup.net
Spendenmöglichkeit:
Allgemeines Syndikat Dresden
IBAN: DE11 8306 5408 0004 8128 91
BIC (SWIFT-Code): GENODEF1SLR
Kreditinstitut: VR-Bank Altenburger Land EG
Verwendungszweck: SRB
Foto: SRB
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