Warum unterstützt ihr die Proteste der Bäuer:innen?
Weil wir selbst Landarbeiter:innen sind und die Not der kleinen und mittleren bäuerlichen Betriebe kennen. Es geht schon längst nicht mehr nur um Agrardiesel. Es geht um eine Politik, die seit Jahrzehnten den bäuerlichen Betrieben schadet, Saisonarbeitskräfte ausbeutet und die Agrarindustrie und außerlandwirtschaftliche Investoren fördert.
Wie sah diese Unterstützung in den letzten Tagen konkret aus?
Wir sind deutschlandweit auf verschiedene Proteste gegangen, um uns mit Kolleg:innen zu solidarisieren und Menschen aus der Stadt unsere Belange näherzubringen. Aber auch, um klare Kante gegen Versuche rechter Vereinnahmung zu zeigen und unser Missfallen zum Ausdruck zu bringen, wenn konservative Kräfte die Betroffenen zum „nach unten treten“ animieren wollen.
In vielen Medien wird hervorgehoben, dass auch rechte Gruppen sich an den Protesten beteiligen. Habt ihr davon etwas mitbekommen?
Ja, das konnten wir an einigen Orten beobachten. In Sachsen sind es z.B. die „Freien Sachsen“, die versuchen die Proteste zu vereinnahmen, aber deren Proteste hatten kaum mit Landwirtschaft zu tun. Es ist lokal sehr unterschiedlich, ob rechte Vereinnahmung gelingt, viele distanzieren sich zum Glück deutlich.
Oft wird argumentiert, dass die Kürzungen, die zu den Protesten geführt haben, aus ökologischen Gründen sinnvoll sind. Warum sollte man dann die Proteste trotzdem unterstützen?
Die Motivation hinter den Kürzungen waren nicht die Förderung von ökologischen Anbauweisen, sondern die Stopfung des Haushaltslochs. Klimafreundlich wären z.B. Einsparungen bei der Rüstung oder eine Kerosinsteuer gewesen. Außerdem gibt es bisher kaum Alternativen, auf die bäuerliche Betriebe ausweichen können. Dabei sind es gerade kleine Betriebe, die Vielfalt bringen. Wenn es ökologische Gründe gewesen wären, dann wären die Vorschläge von der Borchert Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft nicht ignoriert worden. Wir beobachten stattdessen eine stetige Entwicklung der Landwirtschaft hin zur Agrarindustrie.
In der Landwirtschaft sind viele Menschen, auch aus anderen Ländern, oft unter prekären Bedingungen beschäftigt. Welche Rolle spielen diese Menschen und ihre Forderungen bei den Protesten?
Wir sehen, dass vor allem Großbetriebe Saisonarbeitskräfte einstellen, die unter furchtbaren Bedingungen arbeiten. Leider spielen deren Interessen bisher kaum eine Rolle. Mancherorts wird sogar noch gegen ihre Rechte Stimmung gemacht. Der allgemeine Trend geht zu Großbetrieben, mehr Saisonarbeitskräften, zunehmender Prekarisierung und immer schlechteren Arbeitsbedingungen. Wir solidarisieren uns mit allen Lohnabhängigen und wünschen uns ein deutlicheres Einsetzen für die Belange aller Saisonarbeitskräfte!
Sind es vor allem die Landwirtschaftsunternehmen und nicht die Landarbeiter:innen, die auf die Straße gehen?
Beide Seiten gehen gerade auf die Straße, angestellte Traktorist:innen fahren ja die vielen Traktoren in die Städte. Es geht aber viel um die unternehmerische Sicht und zu wenig um die Interessen von Beschäftigten. Deshalb versuchen wir, unsere Stimme als Gewerkschafter:innen in die Proteste hinein zu tragen und uns besser zu organisieren. Unsere Situation wird sich aber nicht verbessern, wenn sich nicht auch die Situation von kleinen und mittleren Betrieben verbessert, die massiv in die Selbst- und Fremdausbeutung gedrängt werden; die aufgrund des Effizienzdrucks und ständig neuer Auflagen von Seiten der Politik, Investitionen tätigen müssen, sich verschulden.
Wie würdet ihr eure bisherigen Erfahrungen bei den Protesten zusammenfassen?
Es ist ein dynamisches Geschehen mit lokal großen Unterschieden, was Abgrenzung gegen rechts, aber auch was die Zusammensetzung der Protestierenden angeht. Die politischen Ausrichtungen würden wir als ziemlich gemischt einschätzen, es gibt antikapitalistische Positionen, andere grenzen sich sowohl von rechts als auch von links ab. Die Präsenz aus dem rechten Milieu ist aber auf jeden Fall spürbar.
Welche weitere Unterstützung plant ihr?
Wir werden uns einmischen, wo wir es für richtig halten, dabei für die Belange unserer Klasse streiten und klare Kante gegen rechts zeigen! Wir werden uns sicher an vielen weiteren Protesten beteiligen. Außerdem findet ihr uns am 20.01. zur jährlichen „Wir-haben-es-satt“-Demo in Berlin!
Titelbild/Infos zur Initiative Grüne Gewerke (IGG) findet ihr hier.
4 Kommentare zu «Stimmen der Gewerkschafter:innen in die Proteste hineintragen»