Betrieb & Gesellschaft

Wir zahlen nicht, wir streiken

Ein Beitrag über Krisenproteste und außerbetriebliche Unterstützungsmöglichkeiten der aktuellen Arbeitskämpfe bei Post und Co.

Kurz vor der Berliner Wiederholungswahl demonstrierten am 10. Februar knapp 4000 meist junge Menschen aus der Klimabewegung für Selbstorganisation von unten statt Hoffnungen auf die Wahlen zu setzen. Im hinteren Teil der Demonstration gab es auch einen großen antikapitalistischen Block. Dort stand auf einem Transparent die Parole: „Streik auf der Straße, der Schule und in der Fabrik, das ist unsere Antwort auf ihre Politik“. „Damit wollen wir eine Verbindung ziehen zwischen unseren Klimastreiks und den Arbeitskämpfen“, sagte eine junge Frau, die das Banner trug.

Das ist auch das Ziel des bundesweiten Bündnisses Genug ist genug (GiG). Es will die anstehenden Tarifkämpfe außerbetrieblich unterstützen und sieht Bündnispartner*innen in der außerparlamentarischen Linken, die in den letzten Monaten zu den Protesten gegen hohe Preise und Mieten aufgerufen haben. Auf einem ersten Treffen des GiG-Bündnisses in Berlin-Neukölln im Herbst 2022 sprachen neben linken Initiativen Beschäftigte verschiedener Branchen, die aktuell oder in nächster Zeit Tarifkämpfe austragen.

Ende Januar gab es eine Kiezversammlung gegen hohe Preise und hohe Mieten auch im Stadtteil Wedding. Dort stellten verschiedene linke Stadtteilinitiativen wie die Kiezkommune Wedding und die Stadtteil-Initiative „Hände weg vom Wedding“ (HdW) ihre Arbeit vor. HdW unterstützt bereits seit Jahren gewerkschaftliche Kämpfe. Clemens berichtete vom „Solidaritätstreff Soziale Arbeit im Kapitalismus“, der sich vor 3 Jahren gründete. Jeden dritten Mittwoch im Monat treffen sich im Weddinger Kiezhaus Agnes Reinhold Sozialarbeiter*innen aus ganz Berlin. Initiiert wurde der Solidaritätstreff von HdW. „Unser Grundgedanke war, uns dort zu organisieren, wo wir arbeiten und leben. In unserer Gruppe sind viele Sozialarbeiter*innen, also setzen wir dort mit der Organisierung an.“, berichtete Marc, der den Solidaritätskreis mitbegründete.

Auf der Kiezversammlung warben Aktive aus der Krankenhausbewegung und der Berliner Stadtreinigung (BSR) um außerbetriebliche Unterstützung für ihre Kämpfe. Besonders viel Applaus bekam eine Beschäftigte bei der Post, die die Warnstreiks in den letzten Wochen erst als Anfang bezeichnete. Sie sprach in einer engagierten Rede von einer hohen Kampfbereitschaft unter den Kolleg*innen, weil alle wissen, dass durch ihre Arbeit die Post zu den Krisenprofiteur*innen während der Corona-Zeit gehörte. Sie sprach aber auch davon, dass es noch immer Kolleg*innen gibt, die Angst haben zu streiken. Daher rief sie die Anwesenden dazu auf, den Zusteller*innen durch kleine Gesten den Rücken zu stärken, beispielsweise durch Solidaritätsaufkleber auf den Briefkästen.

Auch eine junge Aktivistin der Klimabewegung schlug in ihrer Rede Brücken zu den Tarifkämpfen. Sie erinnerte daran, dass bereits 2020 Mitglieder von Fridays for Future den Arbeitskampf der Beschäftigen des Öffentlichen Nahverkehrs unterstützt haben. Im nächsten Jahr sind erneut gemeinsame Aktionen geplant. Die Kiezversammlung machte deutlich, dass sehr unterschiedliche Gruppen kooperieren können, wenn sie das Gemeinsame und nicht das Trennende in den Vordergrund stellen.

„Wir zahlen nicht – wir streiken“

Im Januar dieses Jahres wurde in Berlin von Aktivist*innen der Krisenproteste das Bündnis „Wir zahlen nicht“ gegründet. Vier konkrete sozialpolitische Forderungen wurden aufgestellt: das Verbot von Stromsperren für Menschen, die ihre Rechnung nicht bezahlen können; eine Deckelung des Strompreises bei 15 Cent pro Kilowattstunde; 100 Prozent erneuerbare, dezentral erzeugte Energie und schließlich eine Vergesellschaftung der Energiewirtschaft.

Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, 1 Million Unterstützer*innen zu sammeln, die bereit sind, die Kosten für Strom und Gas nicht zu zahlen. Aktuell haben in Deutschland knapp 4.000 Menschen die Forderungen unterschrieben. In Großbritannien, wo die Kampagne als „Enough is Enough“ ihren Anfang nahm, sind es immerhin über 300.000 Unterstützer*innen. Das ist allerdings auch noch weit weg von dem Ziel von 1 Millionen. Auch hier geht es wie in Deutschland darum, diese sozialpolitischen Forderungen in andere Kämpfe hineinzutragen. Das Motto des Bündnisses heißt „Wir zahlen nicht – wir streiken“. Da liegt es nahe, bei den aktuellen Tarifauseinandersetzungen, den Warnstreiks und Demonstrationen präsent zu sein.

In der Jungle World 5/2023 wurden die beiden Themen noch völlig getrennt behandelt, ohne eine Verbindung zwischen ihnen zu ziehen. So schrieb Stefan Dietl unter der Überschrift „Die Streikfront steht“ einen sehr engagierten Artikel über den sich anbahnenden Arbeitskampf bei der Post, zwei Seiten weiter fand sich dann der Artikel von Gaston Kirsche über die Initiative „Wir zahlen nicht“. Diese hat jedoch nur eine Chance über die linke Szene hinaus wahrgenommen zu werden, wenn die Verbindung mit den Tarifkämpfen gelingt. In Berlin gibt es schon gute Erfahrungen mit einer solchen Kooperation. So könnten die Tarifauseinandersetzungen zur Fortsetzung der Krisenproteste werden.

Peter Nowak

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Peter Nowak

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