Betrieb & Gesellschaft

Lockmittel Umweltschutz?

Missbrauch und Schattenseiten des „Freiwilligen Ökologischen Jahres“

Jährlich absolvieren in Deutschland rund 2000 junge Menschen ein „freiwilliges ökologisches Jahr“ (FÖJ). Wie ergeht es den FÖJlerinnen und FÖJlern dabei? Und wie steht es um Arbeitsbedingungen und Bezahlung? Die FAU Bremen sprach mit dem ehemaligen FÖJler Fedor Gracie*.

FAU-Bremen: Was war deine Motivation, ein FÖJ zu absolvieren?

Fedor: Ich sehe, wie mit der Welt umgegangen wird. Die momentane Gesellschaft lebt auf Kosten der Umwelt, und wenn nicht bald ein Richtungswechsel stattfindet, bekommen wir die Quittung für unser Verhalten. Irgendwer muss ja einen Anfang machen. Ich wollte etwas für meine Umwelt tun und dabei auch noch meine persönlichen Interessen mit einbringen. Ein Freund brachte mich auf das freiwillige ökologische Jahr. Zu diesem Zeitpunkt war ich höchst motiviert und habe mich quer durch Deutschland beworben. Letztendlich bin ich dann bei der Bremer-Umwelt-Beratung e.V. gelandet. Diese ist für die Beratung von Bürgern in Umweltfragen zuständig. Weiterhin gibt es dort Informationen und Gelder zur Förderung von umweltgerechten Renovierungsmaßnahmen. Um dort arbeiten zu können, musste ich umziehen: circa 250 Kilometer von meiner geliebten Heimatstadt weg.

FAU: Wie gestaltete sich dein FÖJ?

Fedor: Es war ganz anders, als erwartet. Gearbeitet habe ich in einem Büro. Meine Hauptaufgaben bestanden im Telefonieren, Leute in Listen eintragen und anderen Büroarbeiten, wie z.B. kopieren. Irgendwie hatte ich das Gefühl, der Arsch für alles zu sein.

FAU: Das hört sich an, als hättest du nicht wirklich etwas mit ökologischer Relevanz gemacht. Lag das an der Stelle, in der du dein FÖJ absolviert hast oder ging es anderen FÖJlern ähnlich?

Fedor: Inhaltlich habe ich so gut wie nichts gemacht. Die Arbeit machte keinen Spaß, und ein finanzielle Anreiz war auch nicht vorhanden: Ich musste 30 Stunden in der Woche für einen Lohn von 155 Euro „Taschengeld“ und 77 Euro „Zuschuss für Unterkunft und Verpflegung“ arbeiten. Das entspricht einem Stundenlohn von 2 Euro. Ich entschied mich also, das FÖJ nach sechs Monaten Arbeit zu beenden. Ab dann gilt das FÖJ als anerkannter Freiwilligendienst. So habe ich nach der in meinen Augen weggeworfenen Zeit zumindest etwas in der Hand. Bei anderen FÖJlern habe ich geteilte Meinungen über ihren Job gehört.

FAU: Kannst du das näher erläutern?

Fedor: Die Arbeitsumstände sind stark von der Einsatzstelle abhängig. Ich habe mit FÖJlern gesprochen, die 38,5 Stunden in der Woche arbeiten und sich über ähnliche Zustände beschweren. Für Organisationen mit ökologischen Kontaktpunkten lohnt es sich scheinbar, FÖJler als billige Bürokräfte zu benutzen.

Wir teilten unseren Unmut über diese Zustände bei der FÖJ-Zuständigen des Trägers eContur mit. Sie meinte, wir würden schon ökologisch relevante Arbeit leisten, indem wir den Einsatzstellen die Büroarbeit abnehmen und diese sich auf die eigentliche Arbeit konzentrieren könnten. Zu der offensichtlich schlechten Bezahlung sagte sie, dass sich viele Einsatzstellen sonst keine FÖJler mehr leisten könnten. Dieses Argument halte ich für nicht zutreffend! In anderen Bundesländern erhalten FÖJler weit mehr Geld, zudem entgeht uns ja auch nicht, wie viel die regulären Mitarbeiter in den jeweiligen Arbeitsstellen verdienen.

Mit den Einsatzstellen an sich scheint es auch viel Ärger zu geben. Ein anderer FÖJler arbeitete beim Tierheim. Diese Stelle wurde recht schnell gestrichen. Der Grund wurde mir trotz Nachfrage beim Träger nicht genannt. Eine weitere FÖJlerin beendete ihre Stelle aufgrund finanzieller Schwierigkeiten. Sie konnte von dem wenigen Geld nicht mehr leben. Als besonders heftig sehe ich folgenden Fall an: Bei einer FÖJlerin änderte die Chefin nachträglich den Teil des Vertrages, der die Krankheitsmeldungen regelt und nötigte die FÖJlerin, diesen zu unterschreiben. Die FÖJlerin arbeitet nun nicht mehr dort.

FAU: Warum wird denn nichts an den bestehenden Umständen geändert?

Fedor: Ich denke, dass dafür mehrere Faktoren verantwortlich sind. Das FÖJ ist auf ein Jahr begrenzt, was bewirkt, dass die FÖJler sich ohne zu Murren durchbeißen. FÖJler sind meist auch ziemlich jung, haben vielleicht gerade erst ihren Schulabschluss gemacht, und deshalb wenig Erfahrung auf dem Arbeitsmarkt.

FAU: Gab es gewerkschaftlich organisierte FÖJler?

Fedor: (lacht laut) Nein, nicht dass ich wüsste. Ich denke, das FÖJ fällt in einen Bereich, der nicht das Arbeitsfeld der großen Gewerkschaften tangiert. Es verhält sich ähnlich wie mit der Generation Praktikum oder den Hartz IV-Empfängern: Es fehlt der nötige Widerstand, um die Situation zu verbessern.

FAU: Was kann denn gegen die prekären Arbeitsbedingungen gemacht werden?

Fedor: Ich denke ein gutes Mittel ist, Öffentlichkeit herzustellen. Oder mit den Menschen zu reden, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, um gemeinsam etwas gegen die bestehenden Umstände zu tun.

FAU: Abschließende Worte?

Fedor: Ja, also die Idee, die wahrscheinlich ursprünglich hinter dem FÖJ stand, finde ich weiterhin gut. Zudem möchte ich sagen, dass es sicherlich FÖJler gibt, denen ihre Arbeit Spaß macht. Ich appelliere an diese, sich einzusetzen und Solidarität zu zeigen, so dass auch den anderen FÖJlern und den nachfolgenden Generationen ihre Arbeit Spaß macht. Die Forderung nach einer angemessenen Vergütung teilen, so denke ich, alle FÖJler.

*Name geändert

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