Einen Zugang zu lyrischen Werken finden LeserInnen wohl nur dann, wenn sie die eigene Lebenswirklichkeit berühren. Oder die Phantasie beflügeln. Das Pathos, in den WortschmiedInnen mitunter verfallen, nervt, steigert die Distanz, macht AutorInnen einsam. Auch oder gerade dann, wenn sie mit politisch-emanzipatorischen Inhalten daher kommen. Gelungene Gegenbeweise gibt es wenige –einen davon hat Jens Grünberg mit „Fremd in der Welt der Vernutzung“ angetreten.
Grünberg ist kein Schöngeist, rührt nicht in der Seichtheit an der Oberfläche. Seine Worte wirken wie Pfeilspitzen, visieren die Wirklichkeit an, zielgenau, trefflich. Sie formen sich zu Bildern, sind echt, ungeschminkt im Ausdruck, ungezügelt, geziemende Antwort auf die Welt, in der wir leben. Wer kennt ihn nicht, den Alltag, der uns täglich ins Gesicht speit, an den Zeiger der Uhr kettet, uns ins Räderwerk der Lohnarbeit stößt? Wem ist sie nicht ein Gräuel, die bürgerliche Vorgartenidylle, in die sich saturierte Einfaltspinsel Krieg und Verderben allenfalls per Knopfdruck wie einen Unterhaltungsfilm auf die allabendliche Mattscheibe beamen? Wie stellt sich jemand dem Unfassbaren, den Massenvernichtungen durch die Nazis, der Shoah, an den Orten des Grauens?
Grünbergs Antworten sind Annäherungen, ausdrucksstarke Beschreibungen seines Empfindens. Sie machen wach, entglasen künstlich aufgebaute Distanzen wie Schaufensterscheiben. Leichte Unterhaltung ist nicht sein Ding. Denn er ist wütend.
Nur selten erscheint ein Text noch etwas ungelenk, ist der Fluss im Buche durch Wiederholungen gestört. Ein Umstand, der bei ihrer Entstehungszeit in 23 Jahren und ihrer Fülle mehr als entschuldbar ist. Der Stärke an Aussagekraft tut das keinerlei Abbruch. Ihre Wirkung verfehlen Grünbergs Gedichte nie, auch nicht nach dem dritten Lesen. Fazit: schenken lassen, kaufen, lesen!
Buchdaten:
Jens Grünberg: Fremd in der Welt der Vernutzung
Gedichte, Wiesenburg Verlag, 2009, Gebunden, 168 Seiten, ISBN 978-3-940756-55-8
EUR 16,80
In der U-Bahn
Leiber sitzen auf Bänken
sehen nichts
stumpfe Augen
müde Angesichter
abweisend
ausgelaugt
vom Neonlicht gespenstisch erhellt
einekleine Pause
im Überlebenskampf
Machtprobe
Nach diesen sieben Jahren,
in denen Ihr Hunger
gelitten habt,
so sagte Gott,
werden für Euch nun
sieben fette Jahre anbrechen.
Da mussten selbst die
Manager der multinationalen Konzerne
aber lachen:
Kommt darauf an,
wenn Sie,
lieber Herr Gott,
für die Hungernden zahlen,
gern.
Toilettenkacker
Toilettenkacker
sitzt und kackt,
die Zeit vergeht langsam,
sehr langsam,
der Rauch der Zigarette
erstickt nahezu den Raum.
Die Zeit vergeht weiterhin langsam
Draußen sind Schritte
sowie Maschinengeräusche
zu vernehmen
Der Toilettenkacker
sitzt auf der Brille,
wartet,
raucht,
Zeit vergeht kaum.
Es ist ein langer Weg
bis zum Feierabend.
Toilettenkacker:
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