Urteil gegen Zeitarbeits„gewerkschaft“. Kann ich als LeiharbeiterIn Lohn nachfordern? Und wenn ja, wie?
Ungefähr ein Drittel aller ZeitarbeiterInnen hat ab sofort die Möglichkeit, vom Arbeitgeber deftige Lohnnachzahlungen zu fordern. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung vom 14.12.2010 (Az: 1 ABR 19/10) die Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) abgelehnt. Die Entscheidung hat für bis zu 280.000 ZeitarbeiterInnen die positive Folge, dass sie nun noch rückwirkend für die letzten drei Jahre einen höheren Lohnanspruch geltend machen können! Die meisten sollten aber schnell handeln, um nicht am Ende leer auszugehen.
Seit dem Jahr 2004 verpflichtet das Gesetz die Zeitarbeitsfirmen, Leiharbeitnehmer zu denselben Arbeitsbedingungen zu beschäftigen, die für die Stammbelegschaft im Entleihbetrieb gelten. Insbesondere ist LeiharbeiterInnen derselbe Lohn zu zahlen. Leider sieht das Gesetz aber eine Ausnahme von dieser Regel vor, nämlich wenn die Zeitarbeitsfirmen eigene Tarifverträge für ihre Leiharbeitnehmer vereinbart haben. Das heißt im Klartext, dass die Zeitarbeitsfirmen ihr Interesse an Niedriglöhnen trotz des gesetzlichen Gleichbehandlungsprinzip legal durchsetzen können. Alles was sie dafür benötigen, ist eine Gewerkschaft, die entsprechende arbeitnehmerfeindliche Tarifverträge abschließt. Hier hat sich ihnen bisher die CGZP angeboten: Als angebliche Arbeitnehmervertreterin schloss sie in den letzten Jahren regelrechte „Arbeitgeberwunschverträge“ ab und öffnete dadurch dem Lohndumping in der Branche Tür und Tor.
Das Bundesarbeitsgericht hat nun entschieden, dass die CGZP nicht tariffähig ist, alle mit ihr geschlossenen Tarifverträge waren deshalb von Anfang an unwirksam. Zeitarbeitsfirmen, die in ihren Arbeitsverträgen mit der CGZP geschlossene Tarifverträge für anwendbar erklärten, hatten also keinen wirksamen Tarifvertrag vereinbart. Das bedeutet, dass auf diese Fälle die gesetzliche Regelung Anwendung findet. Die ArbeitnehmerInnen haben einen Anspruch auf Nachzahlung der Lohndifferenz zwischen dem gezahlten Lohn und dem Lohn der vergleichbaren Stammbelegschaft im Entleihbetrieb.
Wenn du die beiden Punkte auf dich zutreffen, hast du höchstwahrscheinlich einen Nachzahlungsanspruch:
Aber Vorsicht! Eine Einschränkung des Anspruchs gilt, wenn du ergänzend zu dem niedrigen Zeitarbeitslohn noch Hartz IV-Leistungen bezogen hast. In diesem Fall steht der Anspruch zunächst in Höhe der geleisteten Zahlungen der ARGE zu. Einen eventuell noch übersteigenden Nachzahlungsbetrag kannst du aber auch hier selbst einfordern.
Eigentlich müssten die Zeitarbeitsfirmen von sich aus die Nachzahlungen berechnen und auszahlen. Da damit praktisch aber nicht zu rechnen ist, musst du als Betroffene/r selbst aktiv werden und den ausstehenden Lohn einklagen. In der Mehrzahl der Fälle wirst du gar nicht wissen, wieviel deine KollegInnen im Entleiherbetrieb verdient haben. Um dies herauszufinden, kannst du einen Auskunftsanspruch gegen jede Firma geltend machen, an die du „verliehen“ wurdest.
Normalerweise sehen Tarifverträge sogenannte Ausschlussfristen vor, innerhalb derer man Lohnansprüche geltend machen muss. Diese gelten hier aber nicht, da die Tarifverträge nach der BAG-Entscheidung nicht wirksam sind.
Die Nachzahlungsansprüche verjähren deshalb entsprechend der gesetzlichen Regelung drei Jahre nach Jahresende des Jahres, in dem sie entstanden sind. Falls du also einen Nachzahlungsanspruch aus dem Jahr 2008 haben solltest, musst du bzw. dein Anwalt diesen bis zum 31.12.2011 einklagen.
Wenn in deinem Entleihbetrieb für die Stammbelegschaft auch Ausschlussfristen gelten, ist es umstritten, ob diese auch auf dich Anwendung finden. Diese Frage wurde aber noch nicht vom Bundesarbeitsgericht entschieden und es sprechen gewichtige Gründe gegen eine Anwendung dieser Ausschlussfristen auf deinen Arbeitsvertrag.
Du solltest aber trotzdem so schnell wie möglich reagieren. Denn aufgrund der hohen Rückzahlungsforderungen besteht in Zukunft vor allem bei den kleineren und mittleren der 1.600 betroffenen Zeitarbeitsfirmen ein sehr hohes Insolvenzrisiko. Auch ist zu befürchten, dass Gesellschaften in Zukunft einfach aufgelöst werden und versucht wird, Vermögen beiseite zu schaffen. Es kommt also darauf an, dass du deine Ansprüche rechtzeitig sicherst, unter Umständen auch durch ein gerichtliches Arrestverfahren.
Im arbeitsgerichtlichen Verfahren trägt jede Seite ihre eigenen Rechtsanwaltskosten, die Seite die verliert, muss zusätzlich die Gerichtskosten zahlen. Wichtig zu wissen ist, dass die Gerichtskosten nicht anfallen, wenn man die Klage noch vor einer Gerichtsentscheidung zurücknimmt. Genauso ist es möglich, die Klage später noch auf einen geringeren Betrag zu beschränken und damit die Gerichtskosten zu senken.
Der Arbeitgeberverband AMP versuchte schon im Frühling 2010 vorzusorgen und schloss einen neuen Tarifvertrag, der bereits rückwirkend ab dem 01.01.2010 gelten soll. Ob dieser Vertrag wirksam ist, wird wohl wieder das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden haben. Es sprechen gute Gründe dagegen.
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