Die Festung Europa zeigt auch in der Schweiz ihren Stacheldraht
Obwohl sich die Schweiz einer „humanitären Tradition“ rühmt, haben gerade Flüchtlinge besondere Mühe, eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten, der größte Teil der Asylgesuche wird abgelehnt. Gerade die Menschen, welche vor Krieg und staatlicher Unterdrückung fliehen, werden unter anderem in oft abgelegenen ehemaligen Militärunterkünften untergebracht, und dürfen nicht legal arbeiten. Es leben schätzungsweise 300.000 Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung als Sans-Papiers (Papierlose) in der Schweiz, genaue Zahlen sind schwierig zu erhalten. Viele sind untergetaucht, verstecken sich vor den Behörden und schlagen sich mit Schwarzarbeit durch. Abgewiesenen Asylsuchenden droht – je nach Herkunftsland – eine zwangsweise Ausschaffung mit Sonderflügen sowie eine Ausschaffungs- oder Durchsetzungshaft von bis zu 18 Monaten, nach einer Vorbereitungshaft von sechs Monaten, um die Betroffenen zu einer „freiwilligen“ Ausreise zu zwingen. Weil diese Gefängnisstrafen als administrative Maßnahmen gelten, gibt es keine Rechtsmittel dagegen. Müssen die Asylsuchenden nach dieser Zeit in die Freiheit entlassen werden, können jederzeit strafrechtliche Maßnahmen wegen illegalen Aufenthalts gegen die Betroffenen ergriffen werden, was erneute Haftstrafen zur Folge hat – ein repressiver Teufelskreis.
Die Selbstorganisierung von MigrantInnen in all ihren Facetten nimmt im Kampf dagegen eine wichtige Rolle ein. So gibt es in mehreren Schweizer Städten Beratungsstellen, Solidaritätsnetzwerke und Mittagstische. Nur wenige dieser Gruppen und Organisationen haben jedoch eine aktivistische politische Ausrichtung. Zu letzteren gehören die Bleiberecht-Kollektive (vgl. Interview) oder auch die Autonome Schule in Zürich (ASZ). In diesen Gruppen arbeiten direkt Betroffene mit lokalen AktivistInnen zusammen und engagieren sich gemeinsam bei Aktionen und Projekten. So erscheint aus dem Umfeld der Autonomen Schule beispielsweise die sogenannte „Papierlose Zeitung“, in der auch viele direkt von der Migrationspolitik Betroffene zu Wort kommen. Aber auch Theaterprojekte und vor allem Sprachkurse ermöglichen die Weitergabe und das Erlernen von Wissen und Fähigkeiten ohne Rücksicht auf Abstammung und Aufenthaltsstatus.
Interview mit Torsten Bewernitz und Gabriel Kuhn.
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