Ein Neustart für lokale Organisation und Branchen-Syndikalismus.
Lokal organisieren liegt wieder im Trend. In Büchern und auf Vorträgen werden alternative Stadtteilräte, Stadtteilgwerkschaften, Mieter:innengewerkschaften, Kiezkommunen und Solidaritätszentren diskutiert. Auch in Vergesellschaftungs-Debatten, bspw. bei „Deutsche Wohnen Enteignen“ in Berlin taucht das Thema selbstorganisierter, lokaler Organisierung, Verteilung und nicht zuletzt Konfliktlösung immer wieder auf.
Dabei stehen immer wieder die selben Probleme im Raum: Lokal organisieren, schön und gut – aber woher kommt Durchsetzungmacht? Wie verbinden wir die Kämpfe von bspw. Mieter:innen und Konsument:innen mit denen von Beschäftigten? Wie kommen die lokalen Organisationen zu bundesweitem Austausch oder gar Kooperation? Müssen wir für jedes Detailproblem einen Rat gründen? – und viele weitere Fragen.
Auf die FAU wird in diesen Diskussionen selten geschaut – und sie hat sich bis jetzt leider auch wenig eingebracht. Dabei haben wir ein in der Vergangenheit erstaunlich valides Konzept in der Tasche: Die Verbindung von betrieblichen Branchenorganisationen und den historisch so genannten Arbeiter:innenbörsen (im Folgenden Lokalbörse genannt). Gleichzeitig ist dieses gute Konzept heute selbst in der FAU weitgehend in Vergessenheit geraten oder nicht mehr als ein unkonkretes Schlagwort. Mit unseren konkreten Organisationsweisen stehen wir uns oft selbst im Weg. Dabei könnten wir schon jetzt damit vieles errreichen: Auf Ernährungssouveränität und Krisenfestigkeit hinarbeiten, anarchistische Wirtschaftskonzepte greifbar machen, ein gewerkschaftlich-revolutionäres Rückgrat in den Stadtteilen verankern und die gemachten Erfahrungen bundesweit teilen und weiterentwickeln.
Was sollen diese Lokalbörsen sein? Anarchosyndikalistische Organisationen haben immer einen mehrfachen Doppelcharakter. Sie wollen einerseits ein praktisches Werkzeug für die Durchsetzung betrieblicher Ziele und für ein besseres proletarisches Leben im Hier und Heute sein. Gleichzeitig soll mit ihnen auch gesellschaftlicher Wandel abseits des Kapitalismus durchgesetzt werden. Die größte Durchsetzungsmacht sehen die Syndikalist:innen dabei immer noch in der potentiellen Verweigerung der Mehrwertproduktion – kurz dem Streik. Andererseits sind es aber eben nicht nur Abwehr- und Durchsetzungskämpfe, die wir brauchen, wir müssen auch Aufbauen, konstruktiv werden, neue Formen von Arbeit, Solidaritätsstrukturen und Basisdemokratie entwickeln. Dabei kommt es nicht nur auf eine produktive (im Sinne von Güter herstellende) sondern auch auf eine reproduktive (im Sinne von den Mensch, Umwelt und die Gesellschaft (wieder)herstellende) Sphäre an.
Die Betriebs- und Branchenstrukturen bilden im Anarchosyndikalismus die Organisationsformen der abhängig Beschäftigten in ihren Betrieben, also (in Tendenz) in der produktiven Sphäre. Wir nennen diese Strukturen Syndikate, bzw. Branchenföderationen.
Das Leben und auch Gegenmacht ist aber einiges mehr, als „nur“ die Herstellung von Gütern und „nur“ der gesellschaftliche Blick in unserer Rolle als Produzent:innen. In der Lokalbörse kommen deshalb alle revolutionären Arbeiter:innen aus allen Branchen zusammen und organisieren ihre gemeinsamen Bedürfnisse. [1]An sich ist das ein offensichtlicher Fakt, aber um es plastischer zu machen: Im Betrieb haben wir oft mehr Durchsetzungsmacht als irgendwo anders. Ob ich mich im Betrieb organisiere ist aber auch abhängig davon, ob ich nicht gerade einen Mietkampf ausfechten muss, ob ich mich traue Erwerbslosigkeit in Kauf zu nehmen (oder das gar nicht kann, weil mein Aufenthaltstitel an der Beschäftigung hängt), ob ich medizinisch versorgt bin, ob ich nach der Arbeit noch Zeit für Prozesse habe oder mit Erziehung und/oder Pflege alleine stehe, ob ich mich mit Kolleg:innen treffen kann oder mich mein eifersüchtiger Partner dann mit Gewalt bedroht etc. pp..
Alle revolutionären Arbeiter:innen verschiedenster Branchen und Syndikate an einem Ort bilden die Mitglieder der Lokalbörsen. In Lokalbörsen organisieren wir uns bspw. als Konsument:innen, um Unternehmen durch Boykott unter Druck zu setzen, kollektive Betriebe zu stützen und damit gegenseitige Sicherheit zu verschaffen (wie im Konzept solidarischer Landwirtschaften), eigene Kollektivbetriebe oder Gemeinschaftseigentum (bspw. Energiekooperativen, Wohnraum, Gärten etc.) zu etablieren und zu verwalten. Wir kämpfen also gleichzeitig gegen kapitalistische Institutionen und versuchen unsere Unabhängigkeit durch Selbstorganisation zu erhöhen. In Lokalbörsen organisieren wir aber auch die konkreten ersten Schritte hin zu einer anderen Gesellschaft in anderen Beziehungen: Umverteilung von Geldern, Vermögen, Risiken, gemeinsame Organisation von Sorgearbeiten, Unterstützung beim Kampf gegen Behörden, bei Schicksalsschlägen, etc..
Nicht zuletzt ist es auch der Ort, nicht die Branche oder der Betrieb, an dem wir die Formen unseres gemeinsamen Zusammenlebens verhandeln. Über Behörden, Polizei und Justiz lässt sich schnell wettern, wirkliche, humanistische Alternativen zu etablieren – jenseits von Selbstjustiz und Klientelwirtschaft – heißt lange, intensive Arbeit. Gleichzeitig ist es eine Grundbedingung für gesellschaftliche Umwälzungen, die mehr sein sollen als ein bloßer Fahnenwechsel.
Die FAU wächst aus ihrer Marginalität und damit müssen wir auch die Börsen und Branchenstrukturen wiederbeleben – gerade dann, wenn wir auch ultra-prekäre Arbeiter:innen in unseren Reihen gleichberechtigt teilnehmen lassen wollen, denn sie brauchen dafür zusätzliche Ressourcen, die gemeinsam organisiert werden müssen.
Die Struktur der heutigen FAU ist faktisch eine Föderation von sogenannten allgemeinen Syndikaten. Allgemeine Syndikate sind Gewerkschaften für Arbeiter:innen aller Berufe in einer Stadt oder einer bestimmten, kleineren Region. Sie sind eine Art Sammlungs-Provisorium in der anarchosyndikalistischen Organisationstheorie, denn eigentlich sind Branchengewerkschaften, also Branchensyndikate als Organisationsform für die verschiedenen Produktionszweige angestrebt. [3]Siehe Statuten der FAU
Wir unterscheiden also in allgemeine Syndikate und Branchensyndikate. Letztere, so ist es auch laut den Statuten geplant, sollen sich zu eigenen, vergleichsweise unabhängigen Branchenföderationen auswachsen und das Rückgrat der Bewegung in den Betrieben bilden. Davon ist die heutige FAU freilich weit entfernt, was verschiedene Gründe hat (siehe unten).
Gemein ist beiden Formen von Syndikaten (und ihren Föderationen), dass sie, der anarchosyndikalistischen Organisationstheorie nach, die Aufgaben übernehmen sollen, die wir in Deutschland klassisch mit dem Wort „Gewerkschaft“ verbinden: Sie sollen Betriebsgruppen oder basisdemokratische Betriebsräte [4]Im Sinne revolutionärer Betriebsräte, nicht zu verwechseln mit den zu Neutralität verpflichteten Betriebsräten nach dem deutschen Betriebsverfassungsgesetz oder ähnlichen Institutionen. aufbauen, Arbeitskämpfe führen und gewinnen und den Organisationsgrad und die Durchsetzungsmacht in ihren Branchenbereichen erhöhen. Da die FAU eine antikapitalistisch-revolutionäre Gewerkschaftsbewegung ist, kommt den Branchenstrukturen außerdem die Rolle zu, Konzepte für eine Umgestaltung der jeweiligen Branchenbereiche nach den Gesichtspunkten einer basisdemokratischen Bedarfswirtschaft zu entwickeln. [5]Ein Punkt, der erst einmal abstrakt klingen mag. Um ihn plastischer zu machen: Eine Profitwirtschaft, in der wir leben, kümmert sich nur insoweit um die Bedürfnisse der Arbeiter:innen, Gesellschaft, der Anlieger:innen und Konsument:innen, wie es für den Absatz von Waren unbedingt notwendig erscheint. Produktion und Absatz sind aber in der kapitalistischen Wirtschaftsform ein wirtschaftlicher Selbstzweck. Demgegenüber wären in einer Bedarfswirtschaft andere Fragen zentral, bspw.: Wie decken wir den Bedarf möglichst aller Konsument:innen? Wie organisieren wir diese Produktion möglichst arbeits-, ressourcen- und umweltschonend? Wie vermeiden wir Unsicherheiten und Abhängigkeiten in unserer Produktion (bspw. durch Umstellung auf lokal verfügbare oder ökologischere Vorprodukte und Rohstoffe)? Interessanterweise war gerade der letztere Punkt in der historischen FAUD (der Vorgänger:innenbewegung der FAU von 1918 bis 1933) viel zentraler, als in der heutigen FAU [6]Was sehr sicher auch mit der Branchenzusammensetzung zu tun hat, die sich in der FAUD eher aus Kernindustrien und Handwerk speiste, während heute staatlich subventionierte Sozial- und Wissenschaftsberufe dominierend sind. – obwohl diese Fragen heute durch die Klimakatastrophe wieder stärker in den gesellschaftlichen Fokus rücken, wofür auch z.B. die vergleichsweise viel beachteten Vergesellschaftungskonferenzen [7]Vergesellschaftungskonferenzen mit einigen hundert Teilnehmenden aus verschiedenen Branchen und Bewegungen fanden 2022 und 2024 in Deutschland statt. Hier findet sich eine Dokumentation von vielen Veranstaltungen: https://vergesellschaftungskonferenz.de/ ein Ausdruck sind.
Unseren historischen Vorgänger:innen war bewusst, dass zur Umgestaltung unserer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse jedoch mehr gehört, als die reine Organisation in den Betrieben als „Produzent:innen“. Einerseits haben zur Umgestaltung der Produktion von – beispielsweise – Fahrrädern ja nicht nur jene Menschen eine Meinung, die diese auch produzieren, sondern ebenso jene, die diese Fahrräder dann fahren sollen – also die breite Masse der Bevölkerung in ihrer Rolle als Konsument:innen. Und diese Rolle hat verschiedenste Aspekte, so sind wir nicht nur Konsument:innen von Nahrung, Fahrrädern etc., wir sind auch potentielle Mieter:innen, Patient:innen, Lernende, Pflege-Abhängige und haben auch in diesen Rollen ganz spezielle Probleme und Bedürfnisse. Dazu kommen – um bei dem Fahrrad-Produktionsbeispiel zu bleiben – weitere, potentiell widerstreitende Interessen, bspw. diese, anderer Produktionszweige, die vielleicht gleiche Ressourcen benötigen (wenn diese knapp sind), die Anwohner:innen der Fahrradfabrik, die vielleicht andere Bedürfnisse (Lärm, Flächen) haben als die Produzent:innen usw. usf. Auch stehen längst nicht alle, die wir als Teil der Arbeiter:innenklasse definieren würden [8]Laut FAU-Satzung: Alle die nichts Wesentliches zu verkaufen haben, als ihre Arbeitskraft und die entsprechend für ihr Auskommen auf Lohnarbeit, Einkommen von Dritten oder staatliche Transferleistungen angewiesen sind. auch in Arbeit, genau genommen nur ein Bruchteil der Menschen in den westlichen Konsumzentren. Doch auch die Jugendlichen, Rentner:innen, unbezahlten Haus- und Care-Arbeiter:innen, Erwerbslosen und Arbeitsunfähigen gehören zur Arbeiter:innenklasse dazu, müssen in den Verhältnissen für ein würdiges Leben kämpfen.
Die Branchensyndikate allein können entsprechend gar nicht fähig sein, die Interessen der Arbeiter:innen in ihrem proletarischen Alltag umfassend zu schützen oder eine gesellschaftliche Umgestaltung zu entwerfen, auszuhandeln und durchzusetzen. Es braucht eine weitere, eine kommunale Ebene. Das waren in der Konzeption der anarchosyndikalistischen Gewerkschaften vor 1933 die sogenannten Arbeiter:innenbörsen. In denen sich (dem Konzept nach) alle anarchosyndikalistischen Arbeiter:innen in einem Ort/einer Region unabhängig von ihrer Branchenzugehörigkeit (oder deren Abwesenheit) organisierten – als Konsument:innen, Mieter:innen, usw..
Eine Arbeiter:innenbörse/Lokalbörse [9]Ich werde sie hier im weiteren Text Lokalbörse nennen, weil es nicht ganz so sperrig ist und das Wort Kommune, welches meines Erachtens nach auch naheliegend wäre, im Deutschen Verwirrung stiftet. Prinzipiell gilt dies aber auch für das Wort Börse, das zudem verstaubt klingt. Eine andere Begrifflichkeit wäre daher zu diskutieren. in der revolutionären Konzeption der alten FAUD lässt sich von der Zielvorstellung her vielleicht am ehesten mit der heutigen, deutschen Kommune vergleichen. Sie stellt die wesentliche Entscheidungs- aber auch Verwaltungsbasis für alle Einwohner:innen einer Stadt, eines Dörferverbundes oder ähnliches dar.
Das heißt, in der Lokalbörse werden, in dieser Vorstellung, zukünftig die Regeln des lokalen Zusammenlebens bestimmt. Natürlich mit wesentlich weitreichenderer Autonomie als in den heutigen Kommunen und nach basisdemokratischen Regeln.
Es gibt einen weiteren sehr wichtigen Unterschied zu den heutigen Kommunen: In der anarchosyndikalistischen Grundkonzeption wird eine kleinteilige, regionale Wirtschaft angestrebt. Auch andere anarchistische Konzepte setzen auf ein hohes Maß an regionaler Selbstversorgung, als eine Flankierung der relativ großen, lokalen Autonomie. [10]Siehe u.a. auch das utopistische Grundlagenwerk bolo`bolo vom Autor P.M. 1983: https://www.geocities.ws/situ1968/bolo/bolobolo.html Anders dagegen argumentierten viele Strömungen der anarchosyndikalistischen CNT während der spanischen Revolution von 1936. Dort gab es einen hohen Enthusiasmus bezüglich der Industrialisierung und oft auch Zentralisierung von Branchen. Aus heutiger Sicht kommen weitere positive Aspekte regionaler Wirtschaft wie Landschafts-, Umwelt- und Klimaschutz dazu. Lokalbörsen und Regionalbörsen [11]Ich benutze das Wort „Börsen“ hier für die regional größeren Ebenen nach historischem Vorbild und zu leichteren Abgrenzung gegen die Syndikatsföderationen. kommt also in einer revolutionären oder auch krisenhaften Situation nicht nur die Koordination bestimmter Sektoren wie Gesundheits- und Sozialwesen zu, sondern die Gesamtheit der lokalen Wirtschaft.
In der Lokalbörse gibt es Institutionen mit einem unterschiedlichen Grad an Autonomie. Sehr unabhängig sind der Sache nach bspw. die Branchensyndikate, die sich überregional auch in ihren eigenen Branchenföderationen organisieren. Durch sie finden in „ruhigen“ Zeiten die Kämpfe in den Betrieben statt, jedoch ebenso auch die Kooperation mit kollektiven Betrieben einer Branche. Ihnen treten die Börsen als der Gesamtheit der organisierten Lohnabhängigen an einem Ort in ihrer Rolle als organisierte Konsument:innen, aber auch Anwohner:innen, etc. gegenüber. Aus diesen Rollen entstehende Konflikte zu lösen und vor allem aber auch gemeinsame Kämpfe zu ermöglichen, ist, ebenso wie die Reaktion auf externe Probleme, die alle Mitglieder betreffen, Aufgabe der Börse.
Die alten Konzepte der FAUD sahen eine Art Zweiteilung aus Produktion und Reproduktion (bspw. Pflege, Kochen, Erziehung, Bildung, Konsum, Konfliktlösung, Umwelt- und Naturschutz, Kultur, Regeln des Zusammenlebens aushandeln) vor. Während erstere das Feld der Branchenföderation sei, wäre letztere die Sphäre der Börsen in ihrer Gesamtheit. Diese Zweiteilung machte aus der historischen Sichtweise vielleicht noch halbwegs Sinn, erscheint mit der zunehmenden Verkapitalisierung der genannten Reproduktionssphäre jedoch zunehmend unscharf und die konzeptionelle Aufteilung wäre hier wohl in Zukunft neu zu bestimmen.
Die Lokalbörse hat damit wesentliche Ähnlichkeiten mit den Räten der frühen russischen Revolution, mit zapatistischen Organisationskonzepten oder kommunalistischen Konzepten, wie sie teilweise in der syrischen und sudanesischen Revolution oder im demokratischen Konföderalismus praktiziert werden. [12]Was meiner Meinung nach auch verdeutlicht, dass die Konzepte so verrückt/ neu/ komplex nicht sind und dahingehend manchmal auch der Wind um den demokratischen Konföderalismus auch eher ein Marketing-Gag ist, als Ausdruck dessen, dass hier etwas gänzlich Neues und Unbekanntes entstanden wäre. Ebenso gibt es viele Ähnlichkeiten zu Konzepten der Stadtteilorganisierung, wie sie bspw. im Buch „Revolutionäre Stadtteilarbeit“ [13]Vogliamo tutto – Revolutionäre Stadtteilarbeit, Zwischenbilanz einer strategischen Neuausrichtung linker Praxis, Unrast Verlag, Münster, 2022. Auch in diesen Konzepten sollen verschiedene Lebensaspekte verbunden, basisdemokratische Gegenmacht organisiert und die langfristig föderal verbunden werden. skizziert wird.
Für das historische Konzept der Arbeiter:innenbörsen in der alten FAUD ist uns ein sehr eindrückliches Dokument erhalten geblieben, nämlich die Veröffentlichung „Das ist Syndikalismus: Die Arbeiterbörsen des Syndikalismus“ [14]Studienkommision der Berliner Arbeiterbörsen – Das ist Syndikalismus: Die Arbeiterbörsen des Syndikalismus, Verlag Edition AV, Frankfurt am Main, 2005. ISBN 978-3936049381 von 1923. Die FAUD, die sich zu diesem Zeitpunkt der Textentstehung v.a. als eine Aufbauorganisation für eine breite, revolutionäre Gewerkschaftsbewegung verstand, definierte die Hauptaufgaben der FAUD allgemein als „1. Die Gegenwartskämpfe, ganz gleich, ob diese rein wirtschaftliche oder auch politische sind, ganz gleich um welche Art der direkten Aktion es sich handelt; 2. Ziel und Plan für die zukünftige freie Gesellschaft auf kommunistisch-anarchistischer Grundlage.“ Die Hauptaufgabe der Arbeiter:innenbörsen definierte sie in dieser (gewichteten) Reihenfolge:
„1. Agitation und Propaganda der syndikalistischen Ideen unter der gesamten Arbeiterschaft des Börsenbezirks.
2. Bildung und Schulung der gewonnenen Mitglieder in der syndikalistischen Weltanschauung.
3. Organisation und Durchführung der Aktionen und Tageskämpfe aller in der Börse zusammengefassten Gewerkschaften. Auch Unterstützung aller Bestrebungen und Kämpfe des Volkes, die mit den Zielen des Syndikalismus, der Abschaffung der Wirtschaftsmonopole und der Gewaltherrschaft des Staates nicht in Widerspruch stehen.
4. Vorbereitung der notwendigen Maßnahmen, um die zukünftige sozialistische Wirtschaftsorganisation durchführen zu können.
5. Gewinnung der Frauen für die syndikalistische Weltanschauung.
6. Gewinnung der Jugend, um für einen gesunden Nachwuchs zu sorgen.“
Der Inhalt wie auch die Sprache mag heute viele befremden, wobei letzteres wohl auf eine Mehrzahl der Texte aus dieser Zeit – nicht zuletzt auch feministische – zutreffen dürfte. Es wird deutlich, dass die FAUD sich zum Zeitpunkt der Textentstehung v.a. als eine Initiativbewegung begriff, die die praktisch im Alltag wirkenden Strukturen erst noch aufbauen will und einen Fokus auf die Vergrößerung und inhaltliche Festigung der Mitgliederbasis legte. An diesem Schwerpunkt wurde aufgrund von Mitgliederschwund und einem Generationswechsel in den kommenden Jahren jedoch auch durchaus gerüttelt.
Mit der Doppelstruktur von Börsen und Branchenorganisationen (und den Syndikaten für alle Berufe als ihren Keimformen) hatte sich die kleine FAUD organisatorisch einiges vorgenommen – rückblickend zu viel. Der Doppelaufbau wurde nicht durchgehalten und führte im Wesentlichen zu einer fragmentierten Organisationsweise. Das hatte natürlich negative Effekte verringerter Synergien (mangelndes Zusammenspiel, gegenseitige Beförderung). Auch wenn es keine klaren Gesamtzahlen gibt, geben Erhebungen aus dem Jahr 1922 eine Vorstellung von der organisatorischen Anbindung der zu Höchstzeiten ca. 120.000 FAUD-Mitglieder: Etwas über ein Viertel der Mitgliederbasis war um 1922 in Ortsvereinen für alle Berufe organisiert, etwas weniger als ¾ in Branchen-organisationen für Bau, Metall, Verkehr, Bergbau und Holz. Nicht einmal die Hälfte dieser gewerkschaftlichen Ortsvereine, die am ehesten mit den heutigen Syndikaten vergleichbar sind, war an Arbeiter:innenbörsen angegliedert. [15]Hartmut Rübner – Freiheit und Brot: Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands. Eine Studie zur Geschichte des Anarchosyndikalismus, Libertad Verlag, Berlin/Köln, 1994, Seite 53ff. Später nahm der Anteil an Branchenorganisationen durch den Mitgliederschwund ab und der organisatorische Hauptschwerpunkt verschob sich mehr und mehr auf die Arbeiter:innenbörsen.
In der heutigen FAU gibt es praktisch gesehen nur die allgemeinen Syndikate. Also Gewerkschaftsstrukturen für alle Berufe. Das ist insofern bemerkenswert, da diese allgemeinen Syndikate auch nach den Statuten der FAU eigentlich eine Ausnahmeerscheinung sein sollten. Sie sind auch in der Organisationsdiskussion des historischen Syndikalismus eigentlich von Anfang an umstritten. [16]U.a. kritisierte einer der ersten Theoretiker:innen des Syndikalismus, Émile Pouget solcherlei allgemeine Syndikate sehr sehr scharf und er bezeichnete sie passend als irreguläre Gewerkschaftsstrukturen: “Was die irregulären Gewerkschaften betrifft, so organisieren sie Mitglieder nach ihrer Meinung und öffnen so den Gefahren der Vergangenheit Tür und Tor; wenn dies alle Arbeiter täten, hätten wir bald keine Gewerkschaften mehr, sondern nur noch politische Gruppen. Außerdem geht der Alltagskampf allzu oft an ihnen vorbei und, was noch schlimmer ist, sie können über die Frage der Enteignung nur sehr abstrakt theoretisieren, statt sie von der praktischen Seite aus zu erörtern.“ – Émile Pouget – Die Revolution ist Alltagssache, Schriften zu Theorie und Praxis des revolutionären Syndikalismus, Verlag Edition AV, Lich (Hessen), 2014, Seite 101. Diese Kritik verweist gleichsam auf mögliche Probleme der Arbeiter:innenbörsen, auf die ich später noch eingehen will. In anderen, durchaus erfolgreicheren anarchosyndikalistischen Gewerkschaften, bspw. der CNT in Spanien, spielen die Branchenstrukturen eine wesentlich größere Rolle. In der polnischen OZZ IP, die in den letzten Jahren ein rasantes Wachstum vorweisen kann, ist es aufgrund der polnischen Gesetzeslage überhaupt nur in Ausnahmefällen möglich, ohne eine zuständige Branchen- oder Betriebsorganisation Mitglied zu werden. Branchensektionen gibt es in der heutigen FAU wenige, noch seltener gibt es gleichzeitig lokale Branchengruppen und bundesweite Strukturinitiativen. Ausnahmen bilden die Spracharbeiter:innen, [17]Die wiederum nach Berufs- und nicht nach Branchenlogik organisieren und damit eigentlich organisatorisch komplett aus dem Rahmen fallen. Zum Verständnis: Eine Gewerkschaft kann entweder bestimmte Berufsgruppen, unabhängig vom Betrieb organisieren. Bspw. die Buchhalter:innen aller Branchen und Betriebe. Oder eben Branchengruppen, ausgehend vom Betrieb, also komplette Betriebsbelegschaften unabhängig vom Beruf. Auch über die Frage der Berufs- oder Branchen-/Industrieorganisationen gab es in der gesamten, globalen Gewerkschaftsbewegung heftige Auseinandersetzungen, die aber v.a. auch durch die Entqualifizierung der meisten Arbeitsvorgänge und aus gewerkschaftstaktischen Erwägungen im Regelfall zu Gunsten der Branchenorganisation beantwortet wurden. Spracharbeiter:innen hingegen arbeiten sehr oft als freiberufliche, sind also oft keinem Betrieb dauerhaft angegliedert, was die Wahl der Organisationsform erklärt. das Sozialwesen und die „Grünen Gewerke“ (Landwirtschaft, Forst, Gartenbau, Umwelt).
Sind die Branchenorganisationen im Konzept und den Statuten der FAU immerhin noch angelegt, hat das Konzept der Arbeiter:innenbörsen in der Neugründung der FAU in den 70er Jahren und den verschiedenen Strukturreformen der FAU bis heute nicht wirklich überdauert. Die entsprechende Leerstelle wurde in den Statuten der FAU lediglich mit dem lapidaren Absatz: „Die Bildung von weiteren der FAU angeschlossenen Sozialorganisationen, z. B. der Jugend, Studierenden, Frauen, Erwerbslosen und Rentner*innen, ist möglich. Die Stellung dieser Organisationen wird bei der Aufnahme durch den Kongress geklärt“ gefüllt. Wie diese Sozialorganisationen strukturell und demokratisch eingebunden sein sollen, welche Rechte und Pflichten sie genießen – davon existiert entsprechend kein Bild.
Gleichzeitig gibt es – theoretisch – das Konzept der Lokalföderationen. Diese sollen gebildet werden, wenn sich an einem Ort neben einem allgemeinen Syndikat auch ein Branchensyndikat gründet. Das Konzept der Lokalföderation sieht sich aber eben nur als eine Vereinigung von Branchen- und Allgemeinen Syndikaten, nicht mehr. Da die bürokratischen Vorgaben für neue Syndikate, ebenso wie für Lokalsyndikate, jedoch nicht unbeträchtlich sind, haben sich die wenigen, jemals bestehenden Lokalföderationen beizeiten wieder aufgelöst und im letzten Jahrzehnt wurde kein Gebrauch von dieser Möglichkeit gemacht, da sie keinerlei Mehrwert zu versprechen scheint.
Formal betrachtet haben die Strukturen der heutigen FAU also sehr wenig mit denen des historischen Syndikalismus zu tun. Die FAU hat sich der einen Hälfte (Vorfeld- und Kulturorganisationen klammere ich an dieser Stelle aus) des historischen Organisationskonzeptes entledigt, nämlich dem kommunalen Teil, den Börsen. Die andere Hälfte, die Branchenorganisationen, hat sie bis jetzt nirgendwo realisiert. Sie hat also weder den Schwerpunkt der Hochphase der FAUD – die Branchengewerkschaften, noch den in der Zeit des Niedergangs – die Arbeiter:innenbörsen, sondern stützt sich ganz auf die „irregulären“, allgemeinen Syndikate. Auch die Schwerpunkte der Festigung einer syndikalistischen Weltanschauung und der Konzeption einer wirtschaftlichen Transformation sind weitgehend von der Tagesordnung verdrängt.
Die Entscheidungen für die heutigen Organisationsstrukturen waren selten das Ergebnis einer bewussten, strategischen Neuorientierung. Ihr Zustande-Kommen war eher der eigenen Marginalität (also der Unmöglichkeit wesentlich komplexere Strukturen auf diesem geringen Mitgliederniveau zu realisieren) und der geringen betrieblichen und damit Branchen-Verankerung der Basis geschuldet oder repressionsgetrieben (die letzten großen Strukturanpassungen fanden vor dem Hintergrund von Prozessen um den Gewerkschaftsstatus im Zuge eines Arbeitskampfes statt).
Gleichzeitig ergibt sich automatisch, dass in den allgemeinen Syndikaten oft rudimentär auch Aufgaben wahrgenommen werden, die entweder die Branchen- oder Börsenstrukturen leisten würden: Erwerbslosen- oder Mieter:innenorganisation, kleine Branchensektionen, allgemeine Bildungsveranstaltungen, kommunale Infrastruktur, Gesamtorganisation branchenübergreifender Kämpfe etc. pp..
Aus dieser diffusen Struktur, die die Ausnahme zur Regel gemacht hat, ergeben sich eine Reihe von Problemen, die die FAU und ihr Wachstum meiner Ansicht nach lähmen. [18]Auch hier sei noch einmal auf die Artikelserie von Franz Heuholz in der Direkte Aktion verwiesen: https://direkteaktion.org/author/franz-heuholz/
Allgemeine Syndikate haben oft sehr ähnliche Probleme: Eine Gewerkschaft für alle Berufe ist gemeinhin ungewohnt, Arbeiter:innen die in allgemeinen Syndikaten zusammen kommen, teilen oft sehr wenig Lebens- und Arbeitsrealitäten. Das befördert ein Selbstverständnis und eine Kultur einer „Feierabend-Organisation“ oder Politgruppe. Aber auch wenn Syndikate nicht in diese Falle tappen, haben sie es äußerst schwer, eine betrieblich-gewerkschaftliche Praxis zu entwickeln. Da prinzipiell alle Arbeiter:innen angesprochen werden, wird niemand so richtig angesprochen. Will die bundesweite FAU Branchenorganisationen ausbilden, ist sie im aktuellen System der allgemeinen Syndikate darauf angewiesen, dass sich an jedem Ort eines allgemeinen Syndikats Leute aus der Branche finden, die alle erforderlichen Schritte im lokalen Syndikat gehen, damit eine Organisierung von der allgemeinen Struktur genehmigt und unterstützt wird. Unter Umständen ist das extrem hochschwellig. Das allgemeine Syndikat kann sich dagegen aber auch – aus welchen Gründen auch immer [19]Das klingt konstruiert, ist aber faktisch sowohl aus inhaltlichen wie auch aus persönlichen Gründen heraus so oder ähnlich schon vorgekommen und wird es sicherlich auch weiterhin. – komplett sperren. Dann ist eine Branchenorganisation vor Ort quasi unmöglich. Ähnlich liegt der Fall, wenn eine Branchenorganisation schwerpunktmäßig Arbeiter:innen organisieren will, die in einem Landstrich ohne lokale Syndikatsstrukturen leben und arbeiten, dieser Landstrich aber einem bestimmten allgemeinen Syndikat als Organisationsgebiet angegliedert ist. Auch hier kann eine Verweigerungshaltung oder einfach ein Nicht-Agieren der allgemeinen Syndikate die Branchen-Organisation massiv behindern. Die allgemeinen Syndikate erhalten so eine Macht über die Arbeiter:innen bestimmter Branchen, die konzeptionell im Anarchosyndikalismus eigentlich mit nichts begründet oder gerechtfertigt wird, sondern lediglich nachlässigem Strukturaufbau geschuldet ist.
Der lokale Zuschnitt von Branchensyndikaten muss sich, nach unseren aktuellen Statuten, immer mit denen der allgemeinen Syndikate decken. Die allgemeinen Syndikate bestimmen damit die räumliche Gliederung der Gewerkschaftsstrukturen. Auch das schafft Probleme (und macht keinen Sinn). Um es plastisch zu machen: In drei von vier FAU-Regionen können – zumindest formal – immer noch drei Leute an einem Ort ein Syndikat gründen. In drei dicht beieinander liegenden Städten könnten nun also drei sehr kleine, allgemeine Syndikate mit insgesamt 9 Leuten entstehen. Würde nun eine Branchenorganisation in diesem Bereich aktiv werden, wäre durch die drei allgemeinen Syndikate laut unserer Satzung vorgegeben, das unabhängige Branchenorganisationen nur durch die Gründung von ebenfalls jeweils drei Branchensyndikaten und der Bildung von drei Lokalföderationen an den entsprechenden Orten möglich wäre. [20]Andernfalls hätten die drei Vollversammlungen der drei allgemeinen Syndikate die Entscheidungshoheit über alle Angelegenheiten. Und selbst wenn die Branchenorgansation erfolgreich ist und schnell mehr als die ersten 9 Mitglieder der drei allgemeinen Syndikate vorweisen kann, müssten weiterhin für alle wichtigen Entscheidungen trotzdem drei Vollversammlungen besucht werden. Auf einen Schlag würden damit mindestens 18 (!!!) Posten notwendig (3×3 Sekretariatsposten in den Syndikaten und 3×3 Koordinationsposten in den Lokalföderationen). Es sollte deutlich werden, dass wir hier Gefangene unserer eigenen, nicht ganz durchdachten Struktur werden. Die Alternative wäre selbstverständlich, keine Branchensyndikate zu bilden. Dies wiederum würde aber bedeuten, dass die Branchenorganisation – die ja eigentlich Kern einer jeden gewerkschaftlichen Organisation sein sollte – sich auf unabsehbare Zeit den Entscheidungen der drei allgemeinen Syndikate zu unterwerfen hat. Auch hier ist der Kommunikations- und Entscheidungsaufwand unglaublich aufgebläht. Ebenfalls hat es wenig mit Selbstorganisation zu tun, wenn die ganze Zeit branchenfremde Arbeiter:innen (die sich potentiell mit ihren eigenen Betriebs- und Branchenbedingungen nicht einmal befassen) bei den branchengewerkschaftlichen Belangen mit hinein funken können. Aus der großen Unabhängigkeit der allgemeinen Syndikate ergeben sich aber schnell weitere Probleme: So bekommen Mitglieder in der Stadt A ggf. Unterstützung bei Auseinandersetzungen mit dem Jobcenter oder der Teilnahme an Warnstreiks, in Stadt B nicht. In Stadt B bekommen die Mitglieder vielleicht sofort Zugang zur Gewerkschafts-IT, während sie in Stadt C ein halbes Jahr Probemitglied bleiben müssen. [21]Klingt auch wieder konstruiert, aber zum völligen Unverständnis des Autors gibt es auch solche Regelungen tatsächlich in manchen Syndikaten. Mit all diesen lokalen Regelungen darf sich eine Branchenorganisation in diesen drei Städten dann herum schlagen und muss diese dann auch noch an Interessierte und Neumitglieder vermitteln – die gute Gründe haben, einen für völlig bekloppt zu erklären. Auf Bundesebene haben wir aktuell fast 35 Syndikate, es dürfte deutlich werden, welche Sisyphos-Aufgabe der Aufbau von Branchenstrukturen in der aktuellen Situation ist.
Ein weiteres Problem des aktuellen Systems ist der relative Zentralismus der allgemeinen Syndikate: Wie gesagt, die Gründung von Branchensyndikaten ist hochschwellig und meist eher unpraktikabel, die allgemeinen Syndikate sind somit die einzige Struktur auf rein lokaler Grundlage. Die allgemeinen Syndikate neigen meist dazu, ihren Unterstrukturen wiederum wenig Unabhängigkeit zuzugestehen, eher kommt es zu Überregulierung, Mikromanagement und eine Art Kontrollsucht von Kernaktiven. Da die Syndikate aber eben eher Gesinnungsvereine sind und keine bunte Mischung links-stehender Arbeiter:innen die sich auf betrieblicher Grundlage zusammen finden, neigen die Syndikate auch zur inhaltlichen Homogenität. Da die Mitglieder der FAU gegenüber dem alten Konzept der FAUD aber eben nur an eine Struktur (nämlich die lokale Struktur der allgemeinen Syndikate) statt auch an eine zweite (die überregionaler Branchenorganisationen) angebunden sind, begünstigt dies Lagerbildung und verhärtende Konflikte auf Basis von Ortsvereinen. Außerdem wird der Austausch über lokale Organisationsstrukturen hinweg damit deutlich erschwert und muss aufwändig, künstlich hergestellt werden – was in der Praxis auch eher mäßig funktioniert und viele Ressourcen kostet.
Die Struktur der allgemeinen Syndikate ist damit aus meiner Sicht ein bürokratisch aufgeblähtes Monstrum, welches gewerkschaftlich wenig Attraktivität schafft, Wissenstransfer und Branchenorganisierung behindert, Polit-Gruppen-Mentalität, Konflikte und Lagerbildung dagegen begünstigt.
Ich plädiere aus diesem Grund dafür, sich vom alten Konzept der FAUD inspirieren zu lassen und die Grundstruktur der FAU perspektivisch noch einmal komplett umzuwerfen. Statt der allgemeinen Syndikate, als betriebliche Strukturen für alles und nichts, sollten Lokalbörsen und Branchensyndikate das Rückgrat der FAU werden. Das klingt vielleicht erst einmal nach Wortklauberei, würde aber an ein paar Punkten die komplette Dynamik unserer Organisationsprozesse deutlich verändern.
Was hieße das konkret? Dort, wo wir heute allgemeine Syndikate haben, würden sich Lokalbörsen bilden. Dort wäre weiterhin der Ort, wo die FAU-Mitgliedschaft und damit das Stimmrecht verifiziert wird, Mitgliedsbeiträge erhoben und weitergeleitet werden. Zu den potentiellen Aufgaben der Lokalbörsen im Detail, siehe weiter unten. Die Lokalbörsen wären jedoch, anders als die allgemeinen Syndikate, von vornherein als eine eher föderale Struktur gedacht: Alle lokal existierenden Vertretungen von Branchenstrukturen oder Sozialorganisationen sollten in ihnen einen Platz haben.
Die eigentliche betriebliche Arbeit sollte weiterhin von Syndikaten geleistet werden. Um nun aber von den allgemeinen Syndikaten weg zu kommen, wäre es sinnvoll – hier bin ich von alten Konzepten der IWW inspiriert [22]Siehe die ausführliche Darstellung der Branchen-Organisation der IWW USA/Kanada in ihren Hochzeiten: Richard Stoenescu – Syndikalismus in Deutschland und den USA, 1897-1937, Metropol-Verlag, Berlin, 2021. 978-3-86331-611-2 – als erstes (und nicht wie bisher als letztes) bundesweite Branchenstrukturen zu schaffen. Diese könnten ganz ähnlich zu den heutigen Syndikaten aufgebaut sein, nur eben zunächst ein bundesweites Gebiet abdecken und sich dann Stück für Stück und wie es sinnvoll erscheint, zu regionalen Branchensyndikaten ausgründen. [23]Dies ist übrigens kein so ungängiges Konzept, sondern wird von vielen allgemeinen Syndikaten auf regionaler Ebene genau so verfolgt, wenn es um die Ausgründung neuer, allgemeiner Syndikate in weiteren Ortschaften geht.
Die FAU würde sich diesem Konzept nach also in einem Prozess zusammen raufen müssen und sich strategisch auf sinnvolle Branchenzuschnitte einigen. [24]Inspirationen könnten dabei andere Gewerkschaftsverbände oder Branchenindexe wie der internationale Standard NACE bieten. Ähnlich hielt es übrigens die alte FAUD, die auf ihren ersten Kongressen bereits die angestrebten Industrieföderationen festlegte. Im nächsten Schritt würde für jede der entsprechenden Branchen zunächst versucht, Verantwortliche für die Bildung eines bundesweiten Branchensyndikats zu finden, hierfür müsste die Föderation entsprechende Mindestanforderungen festlegen. Auf diese Weise würden mutmaßlich einige Branchensyndikate in den stärksten Branchen entstehen, also z.B. Syndikate für Bildung und Wissenschaft, Sozialwesen, IT, Handwerk, Grüne Gewerke. Für alle Mitglieder ohne Branchensyndikat, die aber prinzipiell erwerbsfähig sind, würde sich ein bundesweites, allgemeines Syndikat bilden. Alle erwerbsfähigen Mitglieder der FAU wären in der Folge automatisch Mitglieder dieser Syndikate – und eben ihrer jeweiligen Lokalbörse.
Das Recht auf Aufnahme von Mitgliedern sollte entsprechend bei den Syndikaten UND den Arbeiter:innenbörsen liegen, wobei es Sinn machen würde, dass die Beiträge weiterhin auf lokaler Basis erhoben und kontrolliert werden, da sonst Unklarheiten über die genauen Mitgliederzahlen und Stimmberechtigungen auf Ebene der Gesamtföderation entstehen könnten.
Die Arbeiter:innenbörsen würden also Neumitgliedschaften aus den Syndikaten und Branchenföderationen lediglich zur Kenntnis nehmen und verwalten, über Mitgliedschaften ohne Syndikat und Sozialorganisation allerdings weiterhin selbstständig entscheiden. Die Entscheidungsfindung der Arbeiter:innenbörsen müsste jedoch, anders als bei den heutigen allgemeinen Syndikaten, föderal gedacht werden, mehr dazu unten.
Die Folgen dieser Reformen wären, dass Branchensyndikate viel organischer und mit weniger Aufwand zu Branchenföderationen werden könnten, in dem sich starke regionale Zusammenhänge ausgründen könnten, ohne dabei an den Zuschnitt der Lokalbörsen künstlich gebunden zu sein. Gleichzeitig wäre es damit möglich, dass die erwartbaren, betrieblichen Unterstützungen für alle Mitglieder einer Branche bundesweit einheitlich sind – was Mitgliedern wesentlich mehr Sicherheit schaffen würde und auch einfach viel seriöser wirkt. Durch die branchenbezogene Syndikatsarbeit könnte effektiver, ansprechender und zielgerichteter betrieblicher Aufbau betrieben werden als heute. Auch die Begleitung von Arbeitskonflikten oder Branchenprotesten wäre wesentlich vereinfacht. Die lokalen Organisationen dagegen wären immer von einer föderalen Vielstimmigkeit geprägt und stünden weniger als die heutigen, allgemeinen Syndikate in der Gefahr, Dynamiken in sich geschlossener, homogener Politgruppen auszubilden. Da alle aktiven Mitglieder prinzipiell sowohl im Branchen- als auch im Börsenkontext aktiv sein können, sinkt die Gefahr von Lagerbildung und unkonstruktiven Konfliktdynamiken auf überregionaler Ebene, potentielle Kerngruppen würden an Macht verlieren. Solche Konzepte von Machtteilung und institutionalisierter Dezentralisierung waren nicht zufällig Teil der Grundkonzeption des historischen Syndikalismus, wir finden sie auch in den meisten egalitären Gesellschaften. [25]Dazu gibt es eine ganze Menge anthropologischer Literatur. Dick aber auch für Laien gut verständlich ist bspw. David Graeber, David Wengrow – Anfänge, Eine neue Geschichte der Menschheit, Klett-Cotta Verlag, Stuttgart, 2022. Wesentlich schwerer/soziologischer geschrieben, aber auch beachtenswert sind: Hermann Amborn – Das Recht als Hort der Anarchie, Gesellschaften ohne Herrschaft und Staat, Verlag Matthes & Seitz, Berlin, 2016. & Rüdiger Haude, Thomas Wagner – Herrschaftsfreie Institutionen, Texte zur Stabilisierung staatsloser, egalitärer Gesellschaften, Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg, 2019.
Natürlich wäre diese Umstellung ein enormer Kraftakt und müsste gut durchdacht werden. Je länger wir jedoch warten, desto größer wird die Aufgabe und ich hoffe doch, dass mir die allermeisten Mitglieder zustimmen würden, dass unser heutiges Organisationskonzept noch nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Gegenüber der alten FAUD, die ja, wie oben erwähnt, ihre Doppelstruktur nicht realisieren konnte, wäre das hier vorgeschlagene Modell wesentlich verschlankt. Es ist außerdem zu beachten, das überregionale Organisation im Internetzeitalter wesentlich niedrigschwelliger ist, als zu Zeiten der FAUD und das – wie dargestellt – unsere bisherige Organisationsweise derart ineffektiv ist, dass die Reform in der heutigen FAU eher Kräfte freisetzen als binden dürfte.
Wie bereits dargelegt, haben die angestrebten Branchenstrukturen recht klare Tages- und Zukunftsaufgaben: Sie sollen konkrete Verbesserungen in den entsprechenden Betrieben durchsetzen, sie sollen die konkrete, auch politische Durchsetzungsmacht durch Streik in ihren Bereichen herstellen und sichern und sie sollen Konzepte für eine Umgestaltung ihrer Wirtschaftsbereiche entwickeln und wo immer möglich, bereits mit der Umsetzung beginnen.
Die Arbeit der Börsen fokussiert letztlich auf alles weitere, was zu einer bedarfsorientierten, basisdemokratischen Wirtschaftsweise dazugehört, wobei es absehbar und logisch wäre, dass an die Seite der Branchenorganisationen mit der Zeit auch die in unseren Statuten lose skizzierten, bundesweiten Sozialorganisationen hinzu kommen. Diese können sich aber – wesentlich besser als die Branchenorganisationen – zunächst auf rein lokaler Ebene entwickeln. [26]Startpunkte dafür könnten bspw. Verteilstellen von solidarischen Landwirtschaften und Komsument:innenorganisation sein, die ihre Aufgaben dann Stück für Stück erweitern. Auch die in der FAU Dresden oft stadtteilbezogenen Basisgruppen zur gegenseitigen Alltagshilfe könnten ein Startpunkt sein.
Ich habe mich oben bereits dafür ausgesprochen, dass die Kassierung weiterhin den lokalen Stellen obliegen sollte, da einerseits eine einheitliche Stelle benötigt wird, wird das Stimmrecht in der FAU weiterhin an den Beiträgen festgemacht. Gleichzeitig müsste es einheitliche Regelungen geben, wie die Beitragshöhe geregelt wird und wie viel der Beiträge an die Syndikate (logischerweise der Hauptteil) und ggf. auch an die Sozialorganisationen zu fließen hat, wie viel bei den Lokalbörsen verbleibt und wieviel für die föderalen Ebenen weiterzuleiten ist. Sollte das hier skizzierte System umgesetzt werden, wäre es sicherlich einer der Schlüsselpunkte, hier gute, praktikable Lösungen zu finden, die die Kassenmandate der Arbeiter:innenbörsen nicht völlig überfordern oder zu Streit führen.
Ein weiterer Knackpunkt ist die Frage, wie die Entscheidungsfindung in den Lokalbörsen funktionieren soll. In den allgemeinen Syndikaten ist es üblich, dass Einzelmitglieder auf den zentralen Versammlungen wie Klausuren oder Vollversammlungen abstimmen. In dem neuen Konzept wäre es aber durchaus überlegenswert, auch den kollektiven Körperschaften anteilige Stimmrechte zu geben – um der kollektiven und rollenbezogenen Entscheidungsfindung mehr Gewicht einzuräumen.
Die Börsen sind der Ort für die allgemeinen Übereinkünfte der anarchosyndikalistischen Arbeiter:innenbewegung an einem Ort. Hier wird die kommunale Entscheidungsfindung, der Umgang mit Konflikten und außerbetrieblichen Notlagen, das Verhältnis der Arbeiter:innen in ihren unterschiedlichen Rollen [27]Denn auch in der Arbeiter:innenbewegung ergeben sich natürlich Interessensschwerpunkte und Gegensätze, bspw. zwischen Konsument:innen/Produzent:innen, Eltern/Kindern, Patient:innen/Gesundheitspersonal, Priviligierten/minder Privilegierten, Schüler:innen und Lehrer:innen usw. usf., der Minderheitenschutz und die allgemeinen Regeln für die Verwaltung gemeinsamer Ressourcen verhandelt. Letztlich also Punkte, die im bürgerlichen Staat als Legislative angesehen werden. Entsprechend bleibt die Börse, wie heute die allgemeinen Syndikate, auch der Ort an dem die Abstimmungen für ähnliche Entscheidungen auf überregionaler Ebene stattfinden.
Verschiedenste Strukturen sind (auf absehbare Zeit) klar eine Sache der lokalen Gesamtheit der anarchosyndikalistischen Arbeiter:innen und nicht der Branchenföderation. Beispiele dafür sind Büros und Immobilien, Fuhrparks, allgemeine Weiterbildungen, etc..
Perspektivisch fällt auch der allgemeine Schutz der lokalen, anarchosyndikalistischen Arbeiter:innenschaft darunter. Dieser Schutz kann ganz verschiedene Aspekte haben. Da wäre einerseits die Inklusion, also der Zugang bspw. von Menschen mit Beeinträchtigungen, Menschen ohne deutsche Sprachkenntnis, von stark diskriminierten oder traumatisierten Mitgliedsgruppen. Da wäre andererseits der Schutz vor Repression und Übergriffen, wie er gerade im Osten immer wieder akut notwendig wird. Zum Schutz vor Repression gehört dabei auch der Schutz vor Infiltration und forcierter Störung und Zersetzung durch eskalative und unkonstruktive Konfliktführung, d.h. die Fähigkeit lokaler Strukturen, solche Gefahren zu erkennen und darauf ggf. auch mit Ausschlüssen zu reagieren. Darunter fällt leider auch der Schutz vor sexueller und insbesondere partnerschaftlicher und familiärer Gewalt und die Hilfestellung für Traumatisierte.
Im weiteren Verlauf wird sicherlich auch die Schaffung von Kollektivbetrieben zur Erhöhung der Versorgungssicherheit und Autonomie (in enger Verbindung mit den entsprechenden Branchenstrukturen), die Schaffung von kollektivem Wohnraum und allgemeine Strukturen der Notfallversorgung und Erhöhung der Resilienz für Krisen und Großstreiks dazu kommen.
Allgemein fällt der gesamte wirtschaftliche und soziale Schutz der Mitglieder, der sich nicht auf den Arbeitsplatz fokussiert, darunter. D.h. beispielsweise die Herausbildung von Organisationen für Erwerbslose, Mieter:innen, Rentner:innen, Schüler:innen, etc.. Am Anfang werden eigene Organisationen dabei meist zu hoch gegriffen sein. Wichtig ist es v.a. zu analysieren, welche bestehenden Hilfsstrukturen in den Städten schon vorhanden sind und mit diesen einen guten Workflow zu entwickeln. Aufbau-Prioritäten werden dann jene Strukturen haben, für die es nur unzureichende, externe Stellen gibt.
Zu beachten ist, das es mit einer gewissen lokalen Basis oft auch leicht möglich ist, in demokratisch organisierten, schon bestehenden Organisationen wie Mietvereinen, Konsum- und Wohngenossenschaften, Erwerbslosenorganisationen oder Sport- und Kulturvereinen Mehrheiten zu erlangen und diese bspw. weiter zu demokratisieren oder sozialer zu gestalten. Diese Möglichkeit wurde in der Weimarer Republik von der FAUD recht ausgiebig genutzt, von der FAU bisher jedoch sehr wenig beachtet. [28]Ein erfolgreiches und sehr unaufwändiges Beispiel stellt die Durchsetzung von vergünstigten Beiträgen für Arme durch die „Schwarz-Roten Bergsteiger:innen“ im größten Sportverband Sachsens dar: https://srb.fau.org/2022/05/29/den-sbb-ein-stueck-sozialer-machen/
In den meisten Fällen wird es sicherlich erst einmal zweckdienlich sein, Sondervollversammlungen sozialer Gruppen in die Struktur der Börsen zu integrieren. Wichtig ist in jedem Fall, dass sich Sozial-Vollversammlungen und -organisation demokratisch immer vor ALLEN betroffenen Mitgliedern legitimieren lassen bzw. nicht betroffene Mitglieder kein Stimmrecht haben und solche Strukturen eben eher wie eine Vollversammlung oder Branchenstruktur funktionieren und nicht wie eine thematische AG, da hier schnell Spaltungen und die Politgruppen-Dynamiken Einzug halten können, wo es doch um die demokratische Willensbildung einer Gesamtheit von Betroffenen gehen soll. Mit Blick auf die bestehenden FAU-Strukturen wäre also meiner Meinung nach ein Frauen- [29]Es gibt gute Argumente, dafür und dagegen, hier v.a. cis-Frauen oder eben alle Frauen zu meinen. Am Ende hätten beide Formate mutmaßlich ihre Berechtigung. und ein TIN-Kongress [30]TIN ist eine geläufige Abkürzung für trans, intergeschlechtlich und nichtbinär. oder entsprechende Sozialorganisationen den eher thematisch/ideologisch ausgerichteten fem*FAU-Strukturen vorzuziehen, da diese dann mehr inhaltliche Heterogenität aushalten und konstruktiv verhandeln müssten.
Ein weiterer Punkt wäre natürlich die bessere Verankerung der FAU in Stadtteilen, neuen Ortschaften, Dörfern etc. – also der strukturierte, lokale Aufbau. Wobei die Stadtteilräte und Stadtteilgwerkschaften wie sie mittlerweile an vielen Orten diskutiert und versucht werden, meiner Meinung nach eher ein später Schritt sein sollten, da sie sowohl für eine gewisse soziale Mächtigkeit, als auch für eine politische Legitimation auf einer bereits sehr breiten Mitgliederbasis vor Ort aufbauen sollten. [31]Manche werden hier vielleicht feststellen, dass dies meinem Text „Organisierte Nachbarschaften“ in der „Direkten Aktion“ von 2018 ein Stück weit entgegen steht: https://direkteaktion.org/perspektiven-gewinnen-organisierte-nachbarschaften-und-foederationen-hand-in-hand/ Hier hatte einerseits Holger Marcks in seinem Text „Skizze eines konstruktiven Sozialismus, Teil 3“, meiner Meinung nach zu recht, auf mögliche Legitimitätskonflikte hingewiesen: https://direkteaktion.org/skizze-eines-konstruktiven-sozialismus-teil-3/ Außerdem plädierte ich in meinem eigenen Syndikat selbst auf die Zurückstellung dieser Konzepte zu Gunsten von priorisiertem Strukturaufbau in den Branchen und der allgemeinen Verbreiterung der Mitgliederbasis.
Die Hauptgegenmacht der Arbeiter:innenklasse liegt immer noch in der Möglichkeit, die Profitwirtschaft ins Stocken zu bringen, auch wenn diese Macht mit jeder Rationalisierungswelle schwindet. Der zweite Hauptpfeiler der Gegenmacht ist die Fähigkeit, die Produktion zu übernehmen und nach den Bedürfnissen der Gesellschaft zu transformieren. Diese Gegenmacht organisiert sich jedoch nur mäßig in Einzelfallberatungen oder im Bereich der ultra-prekären Bullshit-Jobs. Aus diesem Grund ist es elementar, die Weichen hin zu mehr Branchenorganisierung und damit langfristiger, bundesweiter Verankerung in den verschiedenen Produktionsbereichen zu leisten.
Gleichzeitig ist es längst nicht so, dass die hier vorgestellte, kommunale Seite der Börsen kein Träger von Gegenmacht ist, eher ist sie ein Garant und eine Bedingung dieser Gegenmacht. Die Lokalbörsen entwickeln ihre eigenen Machtspektren, in dem sie der alltäglichen Ohnmacht abseits der Betriebe entgegen treten, in dem sie Strukturen schaffen, die der Erwerbslosigkeit, Mietkonflikten oder dem Aufenthaltsrecht wenigstens teilweise den Schrecken nehmen. Oder indem sie Konfliktkultur und -stukturen entwickeln, die uns Kraft sparen und die Möglichkeiten staatlicher oder privater Sabotage verringern.
Die hier skizzierten, radikalen Veränderungen der FAU-Struktur werden allein schon lange brauchen, um überhaupt breit diskutiert zu werden. Beim leider immer wieder zu erlebenden Struktur-Konservativismus der FAU wird es nicht leicht werden Mehrheiten für einen solchen Schritt zu finden, viele offene Fragen und Detailabläufe werden noch zu klären sein und die Umstellung würde ein Kraftakt werden. Aber all das wäre meiner Ansicht nach gut investierte Energie, weil sich damit so mancher Flaschenhals auflösen würde und wir die Grundbedingungen für ein schnelles, organisches Wachstum unserer Gewerkschaftsbewegung erheblich verbessern würden.
Beitragsbild: Arbeiter:innenfotographie Dresden
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