Kultur

Die Bakuninhütte bekommt Besuch

Das erste Kulturdenkmal der anarchosyndikalistischen Bewegung in Deutschland wird gut frequentiert.

Einige Zeit ist schon vergangen seitdem das anarchosyndikalistische Leitmedium das letzte Mal über das Denkmal der deutschsprachigen Bewegung berichtet hatte. Damals war ich noch in der Redaktion für die Print-Ausgabe verantwortlich. Beides Medium und Hütte haben bewegte Zeiten hinter sich. [1]Was hätte wohl Mühsam dazu gesagt?

Die Bakuninhütte bei Meiningen, meinem Wohnort, hat dank der großartigen Vereinsaktivität und der Arbeit von sympathisierenden Leuten aus der nahen Umgebung, an Bekanntheit in der Region und darüber hinaus gewonnen. Es kamen insbesondere gerade nach der Tagung und der Ausstellung im Schloss 2015, Personen aus Meiningen hinzu, die sich um die Hütte engagieren. Die Akteur*innen sind zwischen 16 und 85 Jahre alt. Es werden Besucher*innen empfangen, der Außenbereich gepflegt, kleinere Reparaturarbeiten ohne große Aufmerksamkeit geleistet und Veranstaltungen organisiert.

Seit fünf Jahren gibt es eine Wandergruppe (anfangs geführt von einem ehemaligen Geschichtslehrer tätig zuletzt in der Rhön und passionierten Flurnamenforscher), die fast jeden Mittwoch wandert oder einen Tagesausflug in Museen übernimmt. Jeden ersten Donnerstag im Monat tagt seit 2012 schon ein Stammtisch. Vor etwa drei Jahren hat der Moderator des Treffens Michael Wagner, Pfarrer im Ruhestand, angefangen jedes Mal einen Gast aus Politik, Kultur, Geschichtsforschung oder anderen gesellschaftlichen Themenbereichen einzuladen. So schmoren wir nicht nur im eigenen Saft, wie es vielen Stammtischen geht. Ferner macht es die Zusammenkünfte auch interessanter. Neue Akteure konnten gewonnen werden. Es entsteht in Meiningen ein parteiübergreifendes Netzwerk von liberal bis links (wobei natürlich die meisten keiner Partei angehören), was für die Nutzung den Erhalt des Gebäudes unheimlich wichtig ist.

Stammtisch auf Zeitreise

Aus dem Stammtisch heraus kam 2018 die Idee eine Kaffeefahrt zu organisieren. Es ging um die Orte der Novemberrevolution und der Folgejahre in der Gegend. Es konnten acht Referenten zu den jeweiligen Stadtionen gewonnen werden beginnend vom Palais in dem der Herzog die Macht an dem Arbeiter- und Soldatenrat übertrug, weiter zum alten Landtagsgebäude, hinauf zu einer unabhängigen Heimvolkshochschule und mit dem Bus schließlich zur Bakuninhütte. Die Themenkomplexe Theater im Expressionismus (Wahrzeichen der Stadt), Jazz und eine Bildbetrachtung umrahmten diese besondere Exkursion kulturell, welche auch über die lokale Tourismusinformation angeboten wurde. Gäste, die zur Bakuninhütte kommen, können sich gerne einige dieser Orte der lokalen Sozialgeschichte anschauen, nach Absprache mit kleiner Führung. [2]Kaffeefahrt

Ein Highlight jagt das nächste

Wer gedacht hatte, die Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Erich-Mühsam-Gesellschaft und die Tagung mit über siebzig Teilnehmenden, wäre für lange Zeit der Höhepunkt gewesen, irrte. Aus den Ereignissen aus dem Jahr 2015, ergaben sich neue Möglichkeiten. Die Ausstellung zur Bakuninhütte wurde auf Roll-Ups gedruckt für die nächste Gelegenheit im Gothaer Tivoli, einem wichtigen Ort sozialdemokratischer Gründungsgeschichte. Die Wanderausstellung kann natürlich in weiteren Städten gezeigt werden. Durch einen Gast auf der Tagung, entstand der Kontakt zum Fernsehen. So kam es, dass im April letzten Jahres 3SAT den Dokumentarfilms “Oasen der Freiheit” ausstrahlte. Im Vorfeld dazu hatte ein Filmteam um den Bestseller-Autor Ilija Trojanow die Bakuninhütte besucht. Mit dabei war auch Dilar Dirik, Aktivistin und Forscherin zur kurdischen Frauenbewegung, welche die DA bereits interviewte.

Und wir hatten weiterhin gut Besuch an der Hütte. Zum Denkmalfest 2017, titelte die lokale Presse, Besucherrekord an der Bakuninhütte mit über 300 Gästen. Wir feierten die Einweihung als Kulturdenkmal, jenen Status der uns 2015 verliehen wurde. Es kamen Vertreter der Thüringer Staatskanzlei sowie vom Landesamt für Denkmalpflege, der SPD-Bürgermeister und sein Stellvertreter von den Grünen, welcher in den 80er Jahren bereits mit staatlichen Repressionen zu tun hatte und die friedliche Revolution in Meiningen gestalte. Grußworte hielten auch der stellvertretende Bezirksvorsitzende des DGB Hessen-Thüringen und einige der Gutachter, deren Einschätzung wir die Denkmalwürdigkeit (darunter Wolfgang Haug und Siegbert Wolf) wir zu verdanken haben.

Seit einem Jahr gibt es eine Assoziation mit den Naturfreunden. So gastierte das Format „Politik im Grünen“ an der Bakuninhütte. Dabei können Interessierte mit Akteuren aus Kommunal- und Landespolitik auf einer Wanderung ins Gespräch kommen. Bei uns war die neu gewählte Landrätin zu Gast, was wiederum für den noch ungeklärten Übernachtungsstatus relevant ist, über welchen auch das Landratsamt entscheidet. Ein schöner Nebeneffekt war das Beisein des Südthüringer Regionalfernsehen – auch diesen Kurzbeitrag findet man noch im Netz.

Kabarettist Max Uthoff inspiziert den Aufenthaltsraum (Foto: Michael Bohn)
Der Autor des Artikels zeigt Bodo Ramelow das Gästebuch
Liedermacher Konstantin Wecker im Gespräch mit Vereinsmitgliedern
Konstantin Wecker im Gästebuch eingetragen

Von der Bühne an die Hütte

Bei einer städtischen Konzertreihe im Sommer kam der politische Liedermacher Konstantin Wecker, welcher sich als Anarchist bezeichnet. Am Morgen nach dem Auftritt konnte unser Verein ihn für einen Besuch an der Hütte gewinnen. Öffentlichkeitswirksam hinterließ Wecker und sein Team einen Eintrag im Gästebuch: „Nein, ich hör nicht auf, zu träumen von der herrschaftsfreien Welt, wo der Menschen-Miteinander unser Sein zusammenhält. Was für ein schönes Zusammentreffen mit uns alten AnarchistInnen. Euer Konstantin Wecker.“ Nebenbei ist er sogar in den Wanderverein Bakuninhütte eingetreten.

Ebenso in das Gästebuch eingetragen hat sich Max Uthoff, jener Kabarettist, welcher die Sendung Die Anstalt beim ZDF leitet. Es war meine Einfall, ihn im Zuge seines Auftritts bei den Meininger Kleinkunsttagen zu fragen. Er erwähnte sogar im Anschluss seines Programms im Volkshaus vor über 500 Zuschauern seinen Besuch an der Bakuninhütte. Der letzte besondere Gast war Attila mit seinem Herrchen. Bzw. der erste linke Ministerpräsident nach Kurt Eisner, Bodo Ramelow, hatte seinen Jack-Russel-Terrier Attila mitgebracht. Nun gut, in Thüringen ist im Oktober Landtagswahl, aber dem Ansehen der Bakuninhütte dürfte das nicht schaden.

Wir freuen uns natürlich über weitere Wandergruppen. So kamen Studiengruppen aus den Bereichen Geologie, Sozialmanagement usw.. Ebenso machen hier Kindergruppen Rast. Neben der Naturfreundejugend, besucht uns auch die Falken (sozialistische Jugend) zum wiederholten Mal – beide Verbände stehen der SPD mehr oder weniger nahe. Die Senioren des Rhönclubs kommen jährlich zu uns sowie das BUND-Kinder-Format „Wilder Samstag“. Einige Betriebswandertag fanden an der Hütte ihr Ziel sowie eine Gruppe von Pfarrern im Ruhestand. Auch Gäste der Schwarz-roten Bergsteiger*innen im Elbsandsteingebirge machten hier einen Zwischenstopp. Nicht unterschlagen will ich eine von mir geführte Wanderung der FAU Jena. Die regionale IG Metall plant ihren diesjährigen Wandertag im September zur Bakuninhütte.

Etappensieg in rechtlicher Hinsicht

Noch besteht ein Übernachtungsverbot. Es kommt noch aus der gerichtlichen Auseinandersetzung mit der unteren Baubehörde vor zehn Jahren, welche mit einem Vergleich aus dem OVG endete. Um jetzt durch einen Bauantrag bzw. Nutzungsänderung Übernachtungen zu ermöglichen, musste eine Zuwegung eingetragen werden. Dem musste aber der Meininger Stadtrat zustimmen. Hauptgegner*innen des Wegrechts waren Teile der lokalen CDU, eben jener Partei des Bürgermeister von Ellingshausen auf dessen Flur die Bakuninhütte steht und welcher seinen Einfluss gegen die Nutzung bereits geltend gemacht hat. Bei der entscheidenden Abstimmung in der letzten Sitzung vor der Stadtratswahl, wie zu befürchten, zog auch in Meiningen die AfD in Fraktionsstärke ein, stimmte eine Mehrheit für das Wegerecht. Vorher kamen auch aus der SPD Bedenken, dass der Waldweg übermäßig befahren wird, aber unserem Verein wurde dennoch das Vertrauen entgegen gebracht, was wir uns über Jahre erarbeitet hatten. Das Wegerecht ist ein Bestandteil, um einen erfolgreichen Antrag auf Nutzungsänderung beim Landratsamt zu stellen. Eine ausführliche Darstellung auf diese verkürzte Zusammenfassung des aktuellen Standes findet sich auf der Seite der Bakuninhütte:

Anarchistische Vereinsmeierei?

Ich könnte noch einiges über die Fortschritte schreiben, die sich auf der Hohen Maas, jenem Kalksteinplateau in 500 Meter Höhe, tun. Der Wanderweg wurde endlich mal gut ausgeschildert. Der Innenbereich sieht richtig wohnlich aus, fast zu sauber für ein Haus in der Wildnis. Nun gibt es eine Vereinsstruktur, die sich rund um die Bakuninhütte konstituiert hat. Wie allen, die mit solchen hauptsächlich ehrenamtlich betriebenen Organisationen intensiv zu tun haben, klar sein dürfte, gibt es auch Konflikte. Egal, ob es um Amateurtheater-, Tierschutz- oder Kunstvereinen geht, kommt von emotionalen Austritten, finanziellen Notlagen oder Spaltungen die ganze Palette an Verwerfungen vor. Nun könnte man das ganze auch unter dem Motto verbuchen: „Was nie gelebt hat, kann nicht sterben!“. Aber vom Ende wollen wir nicht reden, es ist eher so, dass persönliche Befindlichkeiten und strukturelle Unklarheiten, doch oft unnötig Kraft kosten. Beim Wanderverein Bakuninhütte e. V. kommt hinzu, dass es sich um einen bundesweiten Verein handelt mit mittlerweile fast 150 Mitgliedern. Es gibt eine Gruppe in Berlin, von denen einige sehr viel zum Kauf, zur Wiedernutzung und zur historischen Aufarbeitung geleistet haben – faktisch eine Lebensaufgabe.

Mittlerweile hat sich aber auch eine Gruppe in Meiningen um den besagten Stammtisch formiert, welche einen zunehmenden Anteil der Aktivitäten organisiert und sehr gut vor Ort vernetzt ist. Es wirkt oft so als ob hier zwei Welten aufeinanderprallen. Die Mitgliederversammlungen sowie Telefonkonferenzen haben oft eine epische Länge. Viele Details werden auch über den allgemeinen E-Mail-Verteiler kommuniziert. Der Vorstand wechselt häufig. Entscheidungsstrukturen sind etwas unscharf. Allerdings ist auch niemand gezwungen sich in alles hineinzusteigern.

Es lohnt ein Besuch nicht nur an der Hütte, etwa in den Sommermonaten am Grill bei den hier oft anzutreffenden Vereinsmitgliedern. Sondern zwischen Rhön und Thüringer Wald im Werratal gibt es historische sowie landschaftliche Geheimnisse zu entdecken.

 

Der Autor Christian Horn freut sich auf euren Besuch an der Bakuninhütte.

Christian Horn

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Kommentare

  • Danke für diesen schön ausführlichen Überblick. Obwohl ich die postings verfolge bekam ich doch einen Überblick von dir vermittelt der Einiges neues oder überlesenes enthielt.
    Salud Wolfgang Haug

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Veröffentlicht von
Christian Horn

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