Nach der AfD will jetzt „Ein Prozent“ in Kooperation mit „Zentrum Automobil e.V.“ rechte Betriebsarbeit aufbauen.
Es ist ein tristes Ambiente, in dem im September 2017 das Treffen des „Zentrum Automobil e.V.“ stattfindet. Und würde sich nicht zu den holzgetäfelten Wänden, den schweren Vorhängen und den säuberlich aufgereihten Bierkrügen ein aus Styropor gefertigtes Logo der rechtsextremen Vernetzungs- und Finanzierungsorganisation „Ein Prozent“ gesellen, es würde wenig darauf hindeuten, dass es sich bei diesem Treffen um den Versuch handelt, den Betriebskampf von Rechts zu organisieren. Doch was an diesem Tag in der Rede von Jürgen Elsässer, seines Zeichens Verleger des Querfront-Magazins „Compact“, seinen vorläufigen kleinen Höhepunkt findet, beginnt schon Jahre zuvor.
2009 gründet sich in Stuttgart im Daimler Stammwerk der „Zentrum Automobil e.V.“. Auf seiner Webseite präsentiert sich der Zusammenschluss durchweg seriös und als scheinbare „alternative Gewerkschaft“. So heißt es dort: „Hauptanliegen des ZA ist es, die beruflichen, sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen seiner Mitglieder zu wahren und zu fördern.“ Wenig deutet in der Selbstbeschreibung der Arbeitnehmer*innen-Vertretung auf die eindeutige politische Stoßrichtung des Projekts hin. Lediglich einige kleinere Abwertungen gegen etablierte Gewerkschaften und die Herausforderungen der Globalisierung sind zu finden.
Doch so wenig die Selbstdarstellung aufhorchen lässt, umso mehr muss es der Werdegang von Oliver Hillburger, eines der Vorstehenden und Gründer des ZA. Hillburger, der seine Gewerkschaftskarriere in der „Christlichen Gewerkschaft Metall“ begann, ist innerhalb der internationalen Neonaziszene kein unbeschriebenes Blatt. Als Gitarrist war er über 20 Jahre in der bekannten rechtsextremen Band „Noie Werte“ aktiv. „Noie Werte“ schaffte es nicht nur mit ihrem Liedgut auf die Schulhof-CDs der „NPD“, sondern gelangte zu weiterer trauriger Bekanntheit, weil der „NSU“ ein Lied im „Soundtrack“ ihres Bekennervideos nutzte.
Die Distanzierung, die Hillburger nach dem Öffentlichwerden dieser brisanten Details vornimmt, wird von Beobachter*innen der Szene wie dem Portal „Endstation Rechts“ als unglaubwürdig eingeschätzt. Ferner wird dort weitergehend über Hillburgers tiefe Vernetzungen in den militanten Neonazismus berichtet und auch die Frage aufgeworfen, ob diese Kontakte von Hillburger jemals wirklich gekappt wurden.
Bei besagtem September-Termin steht Hillburger neben Jürgen Elsässer am Rednerpult. Hier aber wohl erstmals nicht nur als wichtiger Funktionär des „Zentrum Automobil e.V.“, sondern als – und hierauf lässt nicht nur die Dekoration im Raum schließen – neues Gesicht der Betriebsratskampagne von „Ein Prozent“.
Die vom rechten Verleger Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer gegründete und mittlerweile vom Pressesprecher der Deutschen Burschenschaft, Philip Stein, geleitete Organisation „Ein Prozent“ fiel seit ihrem Bestehen eigentlich vor allem dadurch auf, dass sie Gelder für verschiedene Projekte der sogenannten „Identitären Bewegung“ sammelte. Zuletzt war es die Plattform, die maßgeblich ein Hausprojekt der „Identitären“ in Halle ermöglichte. Im Dezember jedoch startete der Verein mit einer neuen Aktion und einer extra dazu erstellten Webseite, die lediglich im Impressum darauf verweist, dass sie ein Kind von „Ein Prozent“ ist: “Werde Betriebsrat”.
Und anders als noch beim „Zentrum Automobil e.V.“ werden auf der Seite https://werdebetriebsrat.de direkt härtere Töne angeschlagen. So heißt es in den einleitenden Worten recht unverhohlen:
„Das Establishment hat seine Gesinnungswächter auch am Fließband, im Büro und in der Werkstatt untergebracht: Am Arbeitsplatz wachen linke Betriebsräte und Gedankenpolizisten über jedes kritische Wort. Es wird dokumentiert, befragt und schlussendlich auch gerne fristlos gekündigt. Damit ist jetzt Schluss: Um diese Willkür zu beenden, werden wir eigene Kandidaten und Vertrauensleute in den Betrieben wählen.“
Ein dazugehöriges verlinktes und von „Ein Prozent“ extra produziertes Video präsentiert die verschwörungstheoretische Vorstellung einer von „Linken“ durchsetzen Arbeitswelt dann nochmal recht bildhaft und hofiert am Ende Oliver Hillburger als Gesicht der Kampagne. Unter dem Motto „Patrioten schützen Patrioten“ ruft das Video dazu auf, sich in Betriebsräte wählen zu lassen.
Dass die Kampagne von „Ein Prozent“ und ihre Kooperation mit dem „Zentrum Automobil e.V.“ nicht bloß als recht aufgesetzter und hilfloser Versuch, innerhalb der betrieblichen Arbeit neue Kameradinnen und Kameraden zu gewinnen, gewertet werden kann, zeigen die Bemühungen, die die verschiedenen Kader zur Zeit in dieses Vorhaben investieren. So ließ der Koordinator Philip Stein unmittelbar nach den ersten Präsentationen via Twitter verlauten, dass Felix Menzel, seines Zeichens Herausgeber der rechten Schülerzeitschrift „Blaue Narzisse“, und er beide derzeit an Arbeiten über die Beantwortung der Sozialen Frage von Rechts sitzen würden.
Die Kooperation von „Ein Prozent“ und dem „Zentrum Automobil e.V“ könnte in der Tat dazu führen, dass beide Seiten voneinander profitieren. Gerade das weitverzweigte Netzwerk ersterer könnte den Gewerkschaftsversuchen zu einer viel professionelleren Außendarstellung verhelfen und diese gut mit Finanzen versorgen. Dass „Ein Prozent“ genau das gut bewerkstelligen kann, haben sie in den letzten Monaten immer wieder bewiesen. Letztlich ist das “Zentrum Automobil e.V.” auch auf sie angewiesen. Selbstständig konnte die Organisation außer im Stuttgarter Stammwerk bislang wenig Erfolge verbuchen.
Auf der „6. COMPACT-Souveränitätskonferenz“ am 25. November 2017 in Leipzig durfte dann Hillburger die gesamte Kampagne erstmals einer größeren Öffentlichkeit vorstellen. Seitdem wird der Aufruf, sich im Betrieb zu organisieren und sich dem Betriebskampf von Rechts anzuschließen, von diversen Medien des reaktionären Spektrums stark beworben. Erst jüngst erklärte der „Identitäre“ Simon Kaupert auf der Onlineseite der „Sezession“, die sich sonst eher einem elitär akademischen Publikum verpflichtet fühlt, die Bedeutung der Kampagne in einem ausführlichen Artikel.
Die Versuche, innerhalb von Betrieben Personen anzusprechen und diese gezielt ideologisch zu schulen, zeugen von einer neuen Graswurzeltaktik, die insbesondere Organisationen, die oftmals der „Neuen Rechten“ zugeordnet werden, zunehmend einsetzen. Erst jüngst warb eine andere Kampagne von „Ein Prozent“ um Menschen, die sich im ländlichen Raum engagieren wollen, um dort Jugendarbeit voranzutreiben.
Mit „Werde Betriebsrat“ verdichten sich die Zeichen, dass die Reaktionären versuchen wollen, das Potential, das Pegida & Co. seit Jahren auf die Straße zieht, in ihre Aktivitäten einzubinden und auszubilden. Anknüpfungspunkte sind hierbei aber eben nicht elitäre, akademisch bestens ausgebildete Personen, wie sie das Gros der „Identitären“ abbilden, sondern vielmehr eine breitere Basis von Werktätigen.
So hält auch „Endstation Rechts“, mit einem Verweis auf eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema „Gewerkschaften und Rechtsextremismus in Europa”, zurecht fest, dass es unter Arbeitnehmer*innen durchaus Potential der rechten Mobilisierung gibt. Wichtiger erscheint jedoch ein anderer Umstand. Gerade bei linken emanzipatorischen Basisgewerkschaften konnten die Rechten innerhalb der letzten Jahre hervorragend beobachten, wie gut eine Organisation von unten funktionieren kann. Zusammenschlüsse wie im Rahmen der „FAU“, „IWW“ und vielen anderen können hierbei in organisatorischer Perspektive als Vorbilder für die rechten Versuche, einen Arbeitskampf von Rechts zu organisieren, angesehen werden. Nur dass der Kampf von Rechts letztlich auf etwas ganz anderes abzielt, nämlich die krasse Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer*innen.
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