Betrieb & Gesellschaft

Proteste der Leihsklaven

Die internationalen Missstände innerhalb der immer größer werdenden Leiharbeitsbranche sind unübersehbar und bedingen nun auch die Inhaftierung von Fu Tianbo, dem Sprecher der Leiharbeiter*innen bei FAW-VW in Changchun. Ein Bericht zur Lage.

Noch nie gab es so viel Leiharbeit wie heute. Die Grenze von einer Million wurde in Deutschland längst überschritten. Als der Bundesverband der Sklavenhändler iGZ am 17. Mai in Münster seine Erfolge und das 20 jähriges Bestehen des Verbands feiern wollte, wollten die Betroffenen dieser Ausbeutungsform das nicht hinnehmen und riefen zum Protest auf.

Diese Protestaktion gehört in den Zusammenhang wachsender Unruhe unter den von Leiharbeit Betroffenen. Gerade in der Automobilindustrie wurde sichtbar, dass die Unzufriedenheit mit den prekären Arbeitsformen zu wachsendem Widerstand führt. Stammbeschäftigte von Daimler Bremen kämpften 2014 in einem Wilden Streik gegen Leiharbeit und Fremdvergabe. In dem VW Werk im nordchinesischen Changchun begann Ende 2016 ein kollektiver Protest der Leiharbeiter*innen, die „Equal Pay“ forderten, die gleiche Bezahlung wie die Stammbeschäftigten, die ihnen nach dem chinesischen Arbeitsrecht zusteht.

Statt ihre berechtigten Forderungen zu erfüllen, reagierten VW und der autoritäre chinesische Staat mit massiver Repression. Mehrere Aktivist*innen wurden verhaftet. Solidaritätsaktionen beim G20 Gipfel in Hamburg verbreiten sich in chinesischen sozialen Medien und befeuerten den Kampf der Leiharbeitenden. Als eine weitere Aktion von Leiharbeiter*innen und Unterstützern in Wolfsburg medial hohe Wellen schlug, sah sich der Konzern gezwungen, den Kampf zu befrieden, in dem man die aufmüpfigen Leiharbeiter*innen zu einem etwa doppelt so hohen Lohn wie bisher zum Jahresende 2017 in die Stammbelegschaft übernahm.

Grenzüberschreitende Solidarität der Leiharbeiter*innen

Die Pest der Leiharbeit hat sich rund um den Globus verbreitet. Neu ist, dass sich nun auch die Betroffenen grenzüberschreitend austauschen und sich gegenseitig unterstützen. Die Leiharbeiter*innen von VW waren überrascht, dass die Unternehmensstrategie in so entfernten Ländern wie China und Deutschland nahezu identisch ist. Man versucht, die Belegschaft zu spalten und die in prekären Arbeitsverhältnissen Beschäftigten regelmäßig auszutauschen, damit sich dort kein Widerstand entwickelt. Ähnlich wie in China, begannen Leiharbeiter*innen bei VW in Hannover zu protestieren, als ihre Verträge ausliefen und keine Vertragsverlängerung möglich war.

Ihr Protest war nicht so erfolgreich, wie der ihrer chinesischen Kolleg*innen. Sie verloren ihren Job. Leiharbeiter*innen bei VW Emden haben derweil begonnen, sich auf juristischem Weg gegen die Personalpolitik von VW zu wehren. Es schließen sich noch immer weitere diesem Kampf vor Gericht an. Im Februar 2018 gab es eine Protestaktion vor dem Werk in Emden, auch weil Fu Tianbo, der Sprecher der chinesischen Leiharbeiter*innen, weiterhin in Haft ist.

Feiernde Missstände beim Leiharbeitsriesen iGZ

Drei Monate später wurde in Münster gegen Leiharbeit protestiert. In dem Aufruf heißt es: „Nach einer Anstellung von 9 Monaten in einem Unternehmen steht Leiharbeiter*innen der gleiche Lohn wie Stammbeschäftigten zu. In der Praxis werden die Leiharbeiter*innen oft vor Ablauf der 9 Monate entlassen.

Für viele heißt es: „Einmal Leiharbeit, immer Leiharbeit!“. (…) Zwischenhändler für Arbeitskraft bezeichnen wir als Sklavenhändler. Menschen verleiht man nicht! (…) Wir wollen diese entwürdigende Form der Arbeit beendet sehen und fordern ein sofortiges Verbot der Arbeitnehmerüberlassung. Leiharbeit kann man nicht „fair gestalten“, sie muß weg!“ Es wurde ein langes Transparent mit der Aufschrift „LEIHARBEIT VERBIETEN!“ entrollt.

Auch die FAU Münsterland protestiert gegen den Bundeskongress Zeitarbeit

Während eine Vertreterin des Messe und Congress Centrums die Polizei rief, versuchten iGZ Leute, sich an die Protestierenden ranzuwanzen und schlugen vor, man solle doch lieber gemeinsam gegen die Schwarzen Schafe in der Branche vorgehen, um so etwas gegen den schlechten Ruf der Zeitarbeit zu erreichen. Der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen iGZ hat schließlich mit einem gewaltigen Imageproblem zu kämpfen.

Um das Sklavenhändlerimage der Branche aufzupolieren, ließ sich Gregor Gysi als Gastredner anheuern und erklärte in Münster, er habe wenig Probleme damit, dass Migrant*innen kaum anderes als Leiharbeit angeboten bekommen: »wir werden auch nicht dagegen sein, wenn es der Integration dient«.

Die Protestierenden vor dem Eingang der Messehallen demonstrierten eine andere Haltung: Sie trugen Ketten an ihren Füßen und hielten Schilder hoch mit den Worten „Ausbeuter“, „Sklavenhändler“ oder „Lohndrücker“.

Der gewaltige Skandal, daß bei dem größten deutschen Konzern ein Leiharbeiter inhaftiert wurde, weil er es gewagt hat, die Einhaltung des geltenden Arbeitsrechts einzufordern und inzwischen seit mehr als einem Jahr im Knast ist, ist in der deutschen Öffentlichkeit noch viel zu wenig bekannt. Um den Druck auf den Konzern zu erhöhen, fand Ende Mai eine Protestaktion vor dem VW Werk in Hannover statt.

Es ist nun dringend notwendig, mit einer Kampagne den Druck auf den Automobilbauer fortzusetzen, bis Fu Tianbo aus dem Knast ist!

Weitere Informationen auf chefduzen.de

 

Bilder: Karsten Weber und Martin Diener

Karsten Weber

Die Redaktion der Direkten Aktion.

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