Wie ein Pascha?

Das „Pascha“, das größte Laufhaus Europas - auch hier sollte während der Fussball WM der Männer extra Kasse gemacht werden. Von den Diskussionen darüber in Schweden bekam mensch hierzulande kaum etwas mit (Foto: Wikipedia) Das Pascha in Köln wirbt für sich selbst als „größtes Laufhaus in Europa“. Hundertfünfzig Prostituierte arbeiten auf elf Stockwerken, unterteilt nach Kategorien wie „Quickie“, „Asiatinnen“ und „Transsexuelle“. Für fünf Euro erhalten Kunden Zugang zum gesamten Haus, weitere Preise werden direkt mit den Frauen verhandelt. Es gibt Ärztezimmer und andere „Fantasieräume“, und gelegentlich werden im Nightclub und auf dem Dach Pornos gedreht. Die arbeitenden Frauen haben Zugang zu einem 24-Stunden-Restaurant, zu Maniküre und Friseursalon.

Von der Schwierigkeit des Begriffs „Sexarbeit“ – ein Blick auf die Diskussionen der schwedischen Linken

Das Bordell wurde jetzt in einem schwedischen Dokumentarfilm mit dem Titel Like a Pascha: A Film about Men and Sex porträtiert. Regisseur ist Svante Tidholm, ein 33-jähriger linker Aktivist. Zum Thema Prostitution kam er aufgrund der zahlreichen Diskussionen zu „Sexhandel“ und „Zwangsprostitution“ anlässlich der Fußball-WM in Deutschland 2006. In Schweden wurde damals gar ein Boykott der WM durch die schwedische Nationalmannschaft diskutiert. Dazu kam es nicht, doch Tidholm machte seinen Film. In einem Zeitraum von drei Jahren reiste er zwölf Mal nach Köln, um sich im Pascha einzuquartieren.

Das Verhältnis der schwedischen Linken zu Prostitution unterscheidet sich zum Teil signifikant von dem anderer westlicher Länder. Das Prostitutionsgesetz – das Straffreiheit für Prostituierte, aber strafrechtliche Verfolgung für Freier vorsieht – wird von weiten Teilen der Linken unterstützt. Die linke Publizistin Kajsa Ekis Ekman wendet sich in dem 2010 erschienen Buch Varat och varan [Sein und Ware] sogar gegen den Begriff der „Sexarbeit“, der ihrer Ansicht nach die Realität der Prostitution verschleiert und banalisiert. Sexindustrie bedeutet Geschäft, vor allem auf Kosten ausgebeuteter Frauen, alles andere sei Schönrederei. Linke, die im Namen der „Selbstbestimmung“ oder auch der „Sicherheit“ von Prostituierten, eine Liberalisierung der Prostitution fordern, gingen Legitimationsdiskursen der Profiteure auf den Leim und trügen zu einer verheerenden Normalisierung des Gewerbes bei. Tidholm ist ähnlicher Meinung. In einem Interview mit dem schwedischen Fernsehen erklärte er, dass nur „verrückte Liberale“ die Legalisierung der Prostitution in Schweden fordern würden. In seinem Film konzentriert er sich daher vor allem auf die Frage, welche Bedürfnisse Männer als Freier zu befriedigen versuchen. Dass Prostitution falsch ist, wird vorausgesetzt.

Aus einer gewissen Perspektive mag der Film daher unbefriedigend erscheinen. So wird die Frage, ob kontrollierte Etablissements wie das Pascha zu besseren Arbeitsbedingungen für Prostituierte beitragen, nicht ausgeleuchtet. Auch die Gespräche mit Sonia, der einzigen im Pascha arbeitenden Frau, die in der Dokumentation zu Wort kommt, leiden zum Teil unter den vorgefertigten moralischen Urteilen Tidholms.

Vom Zusammenfallen der Ausbeutungs- und
Geschlechtsverhältnisse

Nichtsdestotrotz erlaubt der Film den BetrachterInnen einen interessanten Einblick in die Welt organisierter Prostitution. Das Bild, das sich ergibt, kann freilich auch für linke LegalisierungsbefürworterInnen nicht als Modell befreiter Sexarbeit dienen. Viel zu deutlich sind dafür die Tradierung konventioneller Geschlechterrollen, die ökonomischen Unausgewogenheiten und die damit verbundenen Machtstrukturen, die einem Unternehmen wie dem Pascha zugrunde liegen. Dies wird nicht zuletzt vom Geschäftsführer auf den Punkt gebracht, wenn er auf die Frage, wie es wäre, als Prostituierter zu arbeiten, meint: „Ich könnte es nicht. Ich könnt nicht für Geld mit einer Frau ins Bett gehen. Männer nehmen kein Geld für Sex, Männer kaufen Sex.“ Dies stimmt so natürlich nicht, doch verweist es auf zentrale Fragen, die in der Auseinandersetzung mit Sexarbeit nicht weggedacht werden können: Wer verfügt über das Mittel, Sex als Dienstleistung zu kaufen, und wer sieht sich oft genug dazu genötigt, Sex als Dienstleistung anzubieten?

Like a Pascha macht deutlich, dass Sexarbeit nur dann selbstbestimmt sein kann, wenn sich die gesellschaftlichen Bedingungen entsprechend ändern. Natürlich kann es im Rahmen von Kapitalismus und Patriarchat bessere und schlechtere Bedingungen für SexarbeiterInnen geben, und für die Linke gilt es, entsprechende Positionen und Strategien zu entwickeln. Zu tatsächlichen Lösungen zu gelangen, kann jedoch in diesem Rahmen nicht gelingen. Wenn der Film daher nicht zu einer Anklage gegen Prostitution an sich reichen mag, wird er in jedem Fall zu einer Erinnerung daran, dass es befreite Sexarbeit nur in einer befreiten Gesellschaft geben kann. Dies umso mehr, als Klassenverhältnisse aus den Diskussionen nicht ausgeklammert werden dürfen. Vieles an dem, was in linken englischsprachigen Kreisen gerne als „sex-positive“ bezeichnet wird, basiert wesentlich auf Mittelklassewerten individueller Befreiung. Mit seinen KommilitonInnen Pornos zu drehen, mag Spaß machen, aber es beantwortet nicht die Frage, wie Millionen von SexarbeiterInnen gegen Ausbeutung und Gewalt ankämpfen können.

Obwohl das Gefühl entstehen kann, dass Like a Pascha sein Potenzial nicht ausschöpft, ist er ein für am Thema Interessierte sehenswerter Film. Der Einblick, den er in die Machenschaften eines Großbordells sowie in dessen Klientel bietet, ist ein seltener.

Like a Pascha: A Film about Men and Sex. Svante Tidholm, Schweden, 2010.


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