Der große Bruder schaut dich an

BRD: Der Lidl-Skandal und die Folgen

In der Folge eines Berichtes der Illustrierten «stern» wurde die zunehmende Überwachung am Arbeitsplatz erstmals auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Aufhänger war die Überwachungspraxis in Filialen des Discounters Lidl, wo Beschäftigte und KundInnen in etlichen Filialen durch versteckte Kameras im Kassenbereich ausspioniert wurden. Nachdem andere Medien ebenfalls berichteten, blieb der Firma nichts anderes übrig, als sich bei MitarbeiterInnen und Kundschaft zu entschuldigen. Aber selbst das Versprechen, die Überwachungspraxis vorerst einzustellen, konnte nicht verhindern, dass der Konzernchef der Schwarz-Gruppe, Klaus Gehrig, gegenüber dem SWR einen Umsatzrückgang zugeben musste. Der kurzfristige Imageschaden für den Konzern ist enorm.

Vor dem Hintergrund des plötzlich erwachten medialen Interesses wurde dann auch darüber berichtet, dass Schnüffeleien keineswegs auf Lidl beschränkt seien. Hinweise auf ähnliche Praktiken bei Plus und Edeka machten die Runde. Doch nicht nur bei den Discountern stehen die Zeichen auf Überwachung und Kontrolle. In immer mehr Firmen schnüffeln Chefs und Management, und das oftmals selbst nach Maßstäben der bürgerlichen Justiz illegal.

Bislang gibt es in der BRD keine spezielle gesetzliche Grundlage für Überwachung am Arbeitsplatz. Deshalb sind es oft Gerichte, die Überwachungssachverhalte bewerten. Deren Rechtsprechung ist es, dass es den Unternehmen zwar gestattet ist, ihre Belegschaften z.B. bei Verdacht auf Verletzung von Betriebsgeheimnissen, mangelnder Leistungsbereitschaft oder Betrügereien elektronisch zu bespitzeln. Eine Video-Vollüberwachung rund um die Uhr ohne konkreten Anlass ist allerdings unzulässig. Wenn ein Betriebsrat existiert, muss dieser in der Regel bei Überwachungsmaßnahmen seine Zustimmung erteilen, was er oft genug auch nur zu bereitwillig tut. Grenzen gibt es auch bei der elektronischen Überwachung von Büroarbeitsplätzen: Sofern die Daten von Monitoring-Systemen nicht anonymisiert sind und Kontrollen nicht ausschließlich als Stichproben oder bei konkreten Verdachtsfällen vorgenommen werden, ist diese Art der Vollüberwachung in aller Regel illegal.

Vielen Firmen ist die Rechtslage aber sowieso egal. Immer häufiger dient Schnüffelei nämlich dazu, unliebsame oder schwer kündbare ArbeiterInnen loszuwerden, indem man als Kündigungsgrund irgendwelche durch Überwachung gewonnen „Erkenntnisse“ präsentiert. Ziel der ganzen Aktion ist es, in einem arbeitsrechtlichen Verfahren einen Vergleich zu erzielen, bei dem die Firma den oder die Gekündigte durch Zahlung einer Abfindung loswird. Diese wird fast immer vereinbart, bevor die Frage der Legalität der Beweismittel überhaupt vom Gericht geprüft wird.

Großbritannien: Flächendeckende Bespitzelung im Job

Laut einer Studie der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers überwachen inzwischen fast 85% der britischen Firmen regelmäßig die Online-Nutzung der Beschäftigten. In fast allen dieser Betriebe wird außerdem das Online-Verhalten protokolliert. Fast ebenso viele der analysierten Unternehmen, nämlich rund 80%, setzen darüber hinaus Filtersoftware ein, die den Zugang zu bestimmten Internetauftritten blockiert. Der Studie zufolge geht es bei der Überwachung nicht nur darum, Missbrauch durch Beschäftigte zu entdecken oder dem Verrat von Firmengeheimnissen auf die Spur zu kommen. Mehr und mehr britische Unternehmen treibt die Sorge um, dass MitarbeiterInnen in Communities wie FaceBook oder MySpace imageschädigende Dinge über die Firma verbreiten könnten.

In der BRD ist die Lage in Bezug auf die Überwachung der Netzaktivitäten am Arbeitsplatz derzeit noch uneinheitlich. Bei den Gerichten setzt sich allerdings mehr und mehr die Haltung durch, dass dort, wo durch arbeitsvertragliche Regelungen oder Betriebsvereinbarungen die Nutzung des Internets am Arbeitsplatz ausdrücklich erlaubt sei, die Firma auch das Recht habe, die Online-Aktivitäten zu kontrollieren und zu protokollieren. Der Umfang von Überwachungsmaßnahmen liegt derzeit zwar noch weit unter dem britischen Niveau, steigt aber seit zwei bis drei Jahren deutlich an.

USA: Mutige Techniker decken Überwachungskandale auf

Dem Netzwerkspezialisten Babak Pasdar ist es offensichtlich gelungen, einen riesigen Überwachungsskandal auf Betreiben von US-Behörden offenzulegen. In einer eidesstattlichen Erklärung deckte er auf, dass US-Geheimdienste systematisch ohne richterliche Genehmigung den gesamten Datenverkehr eines großen Mobilfunkbetreibers angezapft haben. Pasdar war im Rahmen eines Auftrages aufgefallen, dass bei seinem Auftraggeber ein Server mit dem internen Namen „Quantico Circuit“ existiert, der über eine eigene Glasfaserleitung verfügt und der Zugriff auf sämtliche Gespräche, SMS und Abrechnungsdaten hat. Von seinem Auftraggeber, bei dem es sich gerüchteweise um den Mobilfunkbetreiber Verizon handeln soll, sei ihm der Zugang zu diesem Server verweigert worden. In Quantico (Virginia) hat die für Telefonüberwachung zuständige FBI-Academy ihren Sitz.

Nachdem Babak Pasdar den Vorfall öffentlich machte und bereits im Jahr 2006 der ehemaliger AT&T-Techniker Mark Klein erklärte, er sei zu illegalen Überwachungsmaßnahmen gezwungen worden, versucht die US-Regierung nun ein Eilgesetz durchzupeitschen, dass Telekom-Anbietern rückwirkende Amnestie für Abhöraktionen im Dienst von US-Behörden gewähren soll.

 

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