Eine rätekommunistische Odyssee

Willy Huhn erblickte am 11.1.1909 in Metz – einer seit dem deutschfranzösischen Krieg 1871 zum Deutschen Reich gehörenden nordfranzösischen Provinzhauptstadt – das Licht dieser dunklen Welt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde, mit dem Versailler Vertrag von 1918, dieses beschauliche Städtchen wieder Frankreich zugeschlagen. Da sein Vater ein deutschnationaler Polizeibeamter war, wurde die Familie deshalb 1919 aus der Stadt ausgewiesen und zog nach Berlin, wo Willy Huhn sein Leben verbrachte.

Erst nach dem Tod des Familientyrannen konnte es Huhn wagen, sich politisch zu engagieren. Huhn trat zunächst einmal, im Jahre 1929, in den links-sozialdemokratischen „Zentralverband der Angestellten“ ein. Nur ein Jährchen später wechselte Huhn zur „Jungsozialistischen Vereinigung Groß-Berlin“ – als diese dann geschlossen in die SPD eintrat, fand er sich in dieser wieder. Er fühlte sich dann doch etwas unwohl in der Partei der Sozialdemokratie und schon im Jahre 1931 zieht es Huhn in die „Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands“. Doch auch hier konnte er nicht so richtig heimisch werden und wurde dann bald darauf Mitglied der rätekommunistischen „Roten Kämpfer“. Es war eben eine typische, politische Laufbahn für die verwirrte Zeit der „Weimarer Republik“ auf dem Wege in das tausendjährige „Dritte Reich“.

In der kurzen, aber doch viel zu langen Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erarbeitete Huhn seine grundlegenden Kritiken am Bolschewismus, an der Sozialdemokratie und am sogenannten „Kriegssozialismus“.

Nach dem Untergang des Dritten Reiches und dem ersehnten Kriegsende trat Huhn in die KPD in der „Sowjetischen Besatzungszone“ (SBZ) ein. Als diese sich dann bald darauf mit der dortigen SPD “vereinigte”, war Huhn somit seit dem Jahre 1946 Mitglied in der “Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands” (SED). Bis zum Jahre 1948 arbeitete und leitete Huhn die Volkshochschulen in Ostberlin und Gera.

Dann folgte ein weiterer Bruch in seiner Biografie und Huhn wechselte diesmal die Systemseite, nämlich zur westdeutschen SPD. Huhn arbeitete seit diesem Zeitpunkt auch für das August-Bebel-Institut in Westberlin. Gleichzeitig war Huhn der Chefredakteur der Zeitschrift „Pro und contra“, welche von dem damaligen Trotzkisten Ernest Mandel herausgegeben wurde. Diese Zusammenarbeit endete mit dem recht späten Bruch von Huhn mit dem Trotzkismus Anfang der 1950er. Dies dokumentierte er in seinem Buch „Trotzki – der gescheiterte Stalin“. (1) Es erschien erst 1973 im Karin Kramer Verlag und es wäre durchaus angebracht, diesem Buch eine Neuauflage widerfahren zu lassen, denn Huhn bereitete eine Menge Fakten auf, welche den konterrevolutionären und antiproletarischen Charakter des Trotzkismus kristallklar herausstellen. Huhn tranchierte den Trotzkismus anhand dessen eigener Theorie und Praxis – eine weitere rätekommunistische Kritik am „rotbraunen Weltfaschismus“ (> DA 184 Otto Rühle und DA 186 Paul Mattick).

Dann wurde Huhn 1954 aus der SPD, wegen seiner Kritik am SPD-Verrat der „Novemberrevolution 1919“, hinauskomplimentiert. Denn er zog auch der Sozialdemokratie das rotbraune Fell über die Ohren. Um diese haute er ihnen zunächst Fakten wie, dass Ferdinand Lassalle, der Vater der Sozialdemokratie, von einem sozialistisch gewandelten preußischen Königtum fabulierte und sein „Baby“ schwadronierte vom „Kaisersozialismus“ und „Arbeiterkaiser“. Huhn kam zu dem Schluss: „So wurde die Mehrheitssozialdemokratie, welche sich mit dieser Begründung auf dem Boden der Landesverteidigung und der Bewilligung der Kriegskredite, vor allem aber auf den des ‚Kriegssozialismus‘ stellte, vor der Weltgeschichte die erste nationalsozialistische Partei!“ Im Umkehrschluss war für Huhn der Nationalsozialismus nur die „konsequentere Sozialdemokratie“. (2)

Dies steht durchaus im Kontext zum Nationalbolschewismus und der KPD vor 1933 (3) und deren Kontinuität nach 1945 in der DDR.

1968 entdeckten die SDS-RebellInnen Huhn wieder – er konnte sich aber beim besten Willen nicht diesen „Maobibelschwingenden Antiautoritären“ annähern. Willy Huhn verstarb, nach einer lebenslangen politischen Odyssee, am 17.2.1970 in Westberlin.

ANMERKUNGEN

(1) Willy Huhn, Trotzki – der gescheiterte Stalin. Karin Kramer Verlag, 1973

(2) Willy Huhn, Der Etatismus der Sozialdemokratie – Zur Vorgeschichte des Nazifaschismus. ca-ira Verlag, 2003

(3) Otto-Ernst Schüddekopf, Nationalbolschewismus in Deutschland 1918-1933. Ullstein, 1973

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