Der englische Ferienort Weston-super-Mare beheimatet derzeit die wohl spektakulärste Kritik am US-amerikanischen Disney-Konzern: Dismaland – eine Art zynisches Anti-Disneyland. Kuratiert und finanziert hat die Ausstellung der Street-Art Künstler Banksy, von dem ebenfalls einige Werke zu sehen sind. „Im Grunde ist es ein Festival für Kunst, Unterhaltung und Anarchismus für Einsteiger“ beschrieb Banksy seine Idee gegenüber der britischen Zeitung Guardian. Mehr als 50 KünstlerInnen aus aller Welt zeigen dabei fünf Wochen lang ihre Vision einer dystopischen Welt. So wurde beispielsweise ein „Riot-Control-Vehicle“, ausgestattet mit Wasserwerfer und Schießscharten, in einen Springbrunnen mit Kinderrutsche verwandelt. Er steht vor einer düsteren Ausgabe des Cinderella-Schlosses, dem Wahrzeichen der Disney Corporation. „Dismal“ bedeutet im Englischen „bedrückend“ oder „trist“, der Name ist Programm. Die dem Freizeitpark-Klischee entsprungene Miniaturwelt verhält sich dementsprechend und zeigt unter anderem überladene Flüchtlingsboote, die BesucherInnen zwar bewegen, aber nirgends anlegen können. Ein Atompilz und eine Lady Di-mäßig sterbende Cinderella sind weitere Attraktionen der Ausstellung, die den konzerngesteuerten Vergnügungssüchtigen der westlichen Welt den Spiegel vorhält.
Kontrovers ist die Aktion des Künstlers Shadi Alzaqzouq. Dieser hatte sein Werk mit einem Bettlaken verhüllt und mit den Worten „R.I.P. Gaza“ versehen, nachdem er erfahren hatte, dass ein anderer Ausstellender in der israelischen Armee gekämpft hatte. Gerüchteweise wurde der palästinensische Künstler wegen seines Protestes aus Dismaland verbannt, nach eigenen Angaben sind seine Werke aber weiterhin dort zu sehen. Es ist wenig erstaunlich, dass ein angeblicher Zensur-Skandal die Ausstellung begleitet, denn überall wo es „Banksy“ heißt, schießen Skandale, Theorien und Kritik wie Pilze aus dem Boden.Kein Wunder, denn Banksy hat sich der breiten Öffentlichkeit gegenüber stets verborgen. Fest steht, dass er Mitte 30 sein soll und aus England kommt. Oder dass es sich in Wirklichkeit um ein feministisches Künstlerkollektiv handelt. Was auch immer die Wahrheit sein mag, Banksy steht sowohl für Skandale als auch für beeindruckende Botschaften in künstlerischer und politischer Hinsicht. Meist bedient er sich den klassischen Methoden der Kommunikationsguerilla und „bombt“ seine Werke an auffällige oder brisante Orte. Einige der Bilder sind zerstört worden, durch Abriss oder Lokalpolitiker, andere übermalt und einige mittlerweile durch Plexiglas geschützt. So auch eine aufrecht stehende Ratte und über ihr in blutroter Schrift der Satz „ IF GRAFFITI CHANGED ANYTHING IT WOULD BE VERY ILLEGAL“ (Wenn Graffiti etwas verändern würde, wäre es sehr illegal). Die Satirezeitung National Report nahm das zum Anlass, eine wüste Geschichte über die Enttarnung Banksys aufzutischen. Angeblich hätte eine Sondereinheit der englischen Polizei, die auf Sprayer spezialisiert ist, über Monate hinweg diverse Street-Artists überwacht und so schlussendlich Banksy festnehmen können.
Auf diese Meldung fiel nicht nur die Tagesschau herein.Wenn Banksy seine Werke nicht im öffentlichen Raum ausstellt, dann hängt er sie auch gerne ungefragt in Museen wie die Londoner Tate Gallery of Modern Art oder in seine eigenen offiziellen Museumsausstellungen. Die dürfen dann aber nichts kosten, denn Kunst muss für alle frei zugänglich sein, so Banksy. Beachtenswert ist auch eine Kunstaktion, bei der er für wenig Geld seine Originale im New Yorker Central Park verkaufte. KunstsammlerInnen hingegen blättern auch sechsstellige Summen für ein Wandgemälde hin. Wie sie ganze Hausfassaden oder mit Zement gefüllte Telefonzellen in ihre Sammlungen einverleiben, ist jedoch unbekannt.Doch bei Banksys Verdienst, politische Kunst für die breite Masse zu machen, darf auch ein kritischer Blick nicht fehlen. Bedauerlich an Dismaland ist einerseits die auf fünf Wochen begrenzte Ausstellungsdauer, andererseits die Beschränkung auf England, sodass nur relativ wenige Menschen in den exklusiven Genuss kommen. Mit drei Pfund pro Person ist der Eintrittspreis zwar vergleichsweise niedrig, aber immerhin vorhanden. Auch an dem Banksy-Film „Exit through the gift shop“ wurde aufgrund der Eintrittspreise und DVD-Verkäufe die Kritik der Bereicherung laut. In beiden Fällen kann man dagegen argumentieren, dass sowohl Kinos als auch KünstlerInnen ihre Unkosten decken müssen und schließlich Geld zum Leben brauchen.Was mit den Einnahmen aus den Bildverkäufen geschieht und über welches Privatvermögen Banksy verfügt, ist jedoch spekulativ.Ob jemals geklärt wird, wer hinter Banksy steckt und wie treu er seinen Forderungen selbst geblieben ist, wird wohl erst die Zeit zeigen.