Pflege am Boden

Wann und wie hat „Pflege am Boden“ begonnen?

Startschuss war im Oktober 2013. Damals legten sich bundesweit über 20.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Pflegeeinrichtungen, Angehörige und andere Menschen, auf die Straße, um gegen den Personalmangel zu protestieren.

Wie wurde das organisiert?

„Pflege am Boden“ ist kein Verein oder Gewerkschaftsersatz. Es ist ein loser Zusammenschluss von Menschen mit gemeinsamen Anliegen, die sich über das Internet zu Aktionen verabreden.

Wie kann man diese gemeinsamen Anliegen zusammenfassen?

Im Zentrum steht die Forderung an die Politik, sich ernsthaft mit dem Personalmangel und den schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege auseinander zu setzen, um auch entscheidend die Lebensqualität für die Pflegebedürftigen zu verbessern. Wenn das Pflegepersonal permanent unter Zeit- und Kostendruck steht wirkt sich das nicht nur auf die Grundpflege aus, sondern hinterlässt auch deutliche Spuren in der physischen und psychischen Verfassung der Patienten und Betreuenden und somit ebenfalls auf deren Angehörige.

Um dies zu erreichen wurden zehn Unterforderungen erarbeitet: Erstens: Pflicht zur Reinvestition der Träger in die Pflege, zweitens: Stopp der Abwanderung aus dem Beruf durch Verbesserung der Bezahlung, Entgegenwirkung der Arbeitsverdichtung durch Schaffung eines Personalschlüssels mit einer Mindestbesetzungsregel, denn jetzt werden die Ausfallzeiten nicht berücksichtigt. Das gestiegene Arbeitsniveau muss berücksichtigt werden, drittens: Zeit und Raum, um über die Pflege zu reflektieren, Supervision, Gesundheitsförderung, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, viertens: Zurückschrauben der Dokumentationspflichten, welche dann die wirklichen bewohnerorientierten Pflegeabläufe widergeben sollen, fünftens: Entlastung pflegender Angehöriger über das „Pflegestärkungsgesetz“ hinaus, sechstens: Errichtung von Pflegekammern, siebtens: Lohnuntergrenzen gestaffelt nach Qualifikation, achtens: Abschaffung des Schulgeldes für Auszubildende und Hinzurechnung der Anleitungszeiten zum Personalschlüssel, neuntens: Niedrigeres Renten-Eintrittsalter ab 60 ermöglichen, höhere Arbeitgeberanteile an der Rentenversicherung für diese Berufsgruppe und zehntens: Zusammenführung von Heimaufsicht und Qualitätsprüfungen in einer bundeseinheitlichen Instanz.

Manche dieser Punkte wie die Forderung nach einer Pflegekammer oder Zusammenlegung von Heimaufsicht und MDK werden auch in der Gruppe „Pflege-am-Boden“ unumstritten sein, gibt es aber eine „Vorgabe“ genau diese Punkte zu vertreten?

Jein, den lokalen Gruppen sind einzelne Punkte unterschiedlich wichtig, die dann bei der Mobilisierung und der Aktion selbst ein besonderes Gewicht erhalten. Die Basisforderungen klingen aber immer wieder durch, die Forderungen nach einem festgelegten Personalschlüssel und die gesellschaftliche Aufwertung der Pflegeberufe. Dann kommen Themen hinzu, die nur eine begrenzte Zeit eine Rolle spielen, zum Beispiel die Solidarisierung mit dem Streik an der Berliner Charité.

Die Forderung nach einer Pflegekammer macht nur dann Sinn, wenn die Inhalte des Konzeptes von den Pflegenden selbst mit gestaltet werden. Bisher entscheiden nur die Kostenträger (Krankenkassen, Landespolitik) und die Einrichtungen über die Köpfe der Pflegenden hinweg und somit sind hohe Qualitätsstandards in der Pflege nicht zu erwarten.

Was ist ein Smartmob?

Ein Smartmob sieht von außen aus wie ein Flashmob, wird aber bei der Versammlungsbehörde angemeldet. Diese Vorgehensweise hat sich bewährt.

Und wie ist der organisatorische Ablauf?

Der Smartmob wird angemeldet, der Termin und der Ort werden auf die zentrale Website gestellt, oft wird zusätzlich auch Facebook genutzt und natürlich werden auch ganz altmodisch Flyer verteilt und aufgehängt. Bei der Aktion selbst legen sich dann alle „spontan“ für zehn Minuten auf mitgebrachte Decken oder Isomatten auf den Boden. Manche tragen T-Shirts mit dem Logo „Pflege am Boden“ oder halten Schilder hoch. Nur wer möchte. Davor oder danach werden einige Reden zum Thema gehalten. Zusätzlich wird ein Informationsstand aufgebaut an dem unter anderem auch Unterschriften gesammelt werden.

Flashmob in Leipzig zum bundesweiten Aktionstag von „Pflege am Boden“

Wie groß ist die Bereitschaft, bei diesen Smartmobs mitzumachen?

Insgesamt noch zu gering, wenn man bedenkt, wie hoch der Frust unter den Pflegekräften ist. Das Problem ist, dass die Pflegenden sich nur schlecht untereinander organisieren. Leider haben viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen auch Angst, sich öffentlich zu positionieren. Dabei handelt es sich bei unserer Aktionsform um einen Aufruf an die Politik und ist in erster Linie nicht gegen die Geschäftsführungen oder Inhaber der Pflegeeinrichtungen gerichtet. Inhaltlich könnten sich dort auch Vorgesetzte anschließen, was manchmal auch geschieht. Auch immer mehr Krankenhausärzte kommen zu den Aktionen.

Eigentlich sollen die Smartmobs immer bundesweit am zweiten Samstag des Monats stattfinden. Wir haben aber nicht nur in Leipzig gemerkt, dass sich mehr Menschen beteiligen, wenn der Termin in die Woche gelegt wird. Auch haben einige lokale Gruppen die Erfahrung gemacht, dass es sinnvoller ist, den Smartmob nicht an einem Samstag durchzuführen, da die Freizeit an den Wochenenden bei den Pflegekräften sehr eingeschränkt ist.

In wie weit sind Parteien, Gewerkschaften oder andere Organisationen an der Vorbereitung und Durchführung der Aktionen beteiligt?

Hier in Leipzig hatten sich drei Angestellte, Susann Marschalleck, Anja Tobias und Odette Gleiniger aus unterschiedlichen Bereichen der Pflege privat zusammengefunden und mit vielen Helfern die Aktion durchgeführt.

Da es insgesamt ja nicht so viele Menschen gibt, die sich überhaupt engagieren, aber die, die es tun oft in mehreren Projekten arbeiten, sind natürlich viele, die bei „Pflege am Boden“ mitmachen, auch noch irgendwo anders organisiert. „Pflege am Boden“ hat aber ein Anliegen, das jeden und jede angeht. Deshalb müssen wir uns unsere Unabhängigkeit von Parteien, Gewerkschaften oder auch anderen Organisationen bewahren. Deshalb gibt es bei unseren Smartmobs oder Informationsveranstaltungen auch keine Parteifahnen, Wahlkampfmaterial oder Aufnahmeanträge von Gewerkschaften.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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