Anarchismus oder soziale Bewegungen in Rumänien? Für die Meisten im deutschsprachigen Raum ein unbekanntes Terrain. Abhilfe schafft hier die BUNA, Zeitschrift für Befreiung und Emanzipation – nicht nur in Rumänien. Seit der ersten Ausgabe im Herbst 2014 hat sich die in Hamburg herausgegebene Zeitschrift zum Ziel gesetzt, aus einer klassenkämpferischen Perspektive heraus über aktuelle Ereignisse in Rumänien zu informieren. Die BUNA wird gemeinsam von deutschen und rumänischen AnarchistInnen und AnarchosyndikalistInnen aus Bremen und Bukarest geschrieben. Einer der Bremer Initiatoren, Martin Veith, ist seit zehn Jahren mit dem Land verbunden und lebte selbst über fünf Jahre in der südrumänischen Walachei. Fester Bestandteil der BUNA sind Beiträge zur Geschichte des rumänischen Anarchismus und Syndikalismus. Auch die Kultur hat ihren Platz, z.B. in Form von Buchbesprechungen und Porträts progressiver SchriftstellerInnen. BUNA, was übrigens „Hallo“ bedeutet, lädt dazu ein, soziale Akteure in und aus einem eher unbekannten Nachbarland kennen zu lernen.
Das ist wichtig, denn auch mir fällt zu Rumänien als erstes nur der olle Graf Dracula aus Transsilvanien ein. Dabei ist dieser überwiegend der überbrodelnden Phantasie des Iren Bram Stokers entsprungen, der ihn als Symbol und Bild tiefsitzender Ängste schuf. In einigen Filmen scheint vielleicht dennoch kurz die ungeschminkte Wirklichkeit auf, wenn sich eingeschüchterte Bauern in der Nähe von Draculas Burg herumdrücken: Der Graf als Bauern knechtender Gutsherr. Das passt zu dem bitteren, reaktionären Sprichwort „Das Schwert, vor dem du dich duckst, schlägt dir nicht den Kopf ab!“, von dem mir Martin Veith berichtete. Doch mit dieser Einstellung lässt sich kein Frieden machen und so unterstützt BUNA diejenigen in Rumänien, die aufbegehren. Sie haben es nicht leicht. Denn während Dracula längst andernorts in Film und Werbung Karriere machte, eifern ihm in Rumänien – immer noch und schon wieder – eine ganze Reihe Herrschaften nach. Jedenfalls, wenn es darum geht, Arme und ProletarierInnen auszupressen. Die Folge sind tagtägliche Drangsalierungen und Not, ob in Rumänien oder hier. Der Reichtum der Wenigen wird den vielen Armen ausgesaugt, fließt nach oben und ins Ausland. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen im Nach-Ceausescu-Staat sind oft ebenso miserabel wie zuvor, das gesellschaftliche Klima wird viel zu oft von Fremdenhass, Homophobie und Militarismus bestimmt.Die Zeitschrift BUNA in ihrer zweiten Ausgabe vom Sommer 2015 berichtet nun unzensiert und ungeschönt von Orten, wo sonst kaum jemand hinsieht: von den Wellblechsiedlungen der Roma oder vom unglaublich aufgeblähten Apparat der geheimen Staatspolizei Rumäniens. Einen Schwerpunkt bildet der eindringliche und gut verständliche Nachrichtenblock. Hier finden sich viele Berichte von Ereignissen und katastrophalen Entwicklungen, die im Rest der Welt meist unbeachtet bleiben. Beispiele sind die illegale Abholzung ganzer Wälder und der hochgiftige chemische Goldabbau durch Zyanid nahe der Kleinstadt Certejul de Sus. Die brutale Vertreibung der Roma aus Sibiu, ausgerechnet der Stadt, in welcher der heutige Staatspräsident Johannis zu jener Zeit Bürgermeister war, kratzt am Image dieses neuen „Saubermannes“. Auch wird kurz über eine Vielzahl von Arbeitskämpfen berichtet: so etwa über den Streik unterbezahlter Kommunalbeschäftigter und Bergarbeiter in Uranminen. Weitere Themen sind die Lohnprellung in einer Reinigungsfirma, die zum Selbstmord einer Arbeiterin führte und der Kampf um ausstehende Löhne für rumänische Bauarbeiter in Berlin, die von der FAU unterstützt werden. Interviews mit dem in Frankreich lebenden bekannten Anarchisten Nicolas Trifon und AnarchistInnen aus Craiova sowie Buchbesprechungen, etwa zu der lesenswerten Biographie des rumänischen Anarchisten Stefan Gheorghiu, runden den Band ab.Hervorzuheben ist, dass gleichermaßen die rumänischen MirgrantInnen hierzulande wie die Lebensbedingungen der Menschen in Rumänien in den Blick genommen werden. Denn der alte Internationalismus, der sich stark mit Befreiungsbewegungen wie den Sandinisten in Nicaragua solidarisierte, ist längst überholt. In dem Maße wie sich diese Bewegungen entzauberten, haben viele das Interesse an den immer noch schwierigen Lebensbedingungen der Menschen dort verloren. Verklärte Revolutionsromantik und Paternalismus haben in der internationalen Solidarität nichts verloren. Deshalb ist es eine gute Idee, von vornherein anders vorzugehen und an der Basis anzusetzen. Es gibt in Rumänien mutige Menschen, die sich den Draculas von heute entgegenstellen. Und eben sie gilt es, unter anderem gegen ein Heer von 12000 GeheimdienstlerInnen, zu unterstützen, so gut es eben nur geht. Die BUNA setzt hier an. Die Zeitschrift erscheint ca. viermal im Jahr im Verlag Barrikade und kann für 2,50 Euro unter revistabuna.wordpress.com bezogen werden.