Die Black Rose Anarchist Federation / Federación Anarquista Rosa Negra (BRRN) sah sich ab Ende 2019 mit einer massiven Austrittswelle konfrontiert, insgesamt 59, von denen zwei Drittel im Herbst 2020 stattfanden. Diejenigen, die gingen, waren unverhältnismäßig viele Frauen, queer, trans, nicht-binär und/oder POC. Anstatt auf ein singuläres traumatisches Ereignis zu reagieren, wie es so oft in linken Organisationen der Fall ist, beschrieben die Austretenden eine Vielzahl von Faktoren, die zu ihrer Entscheidung führten.
Aus den Dutzenden von Rücktrittsbriefen ging jedoch klar hervor, dass viele von uns tief betroffen waren von Problemen mit der Rechenschaftspflicht, schlechter feministischer Praxis, Alibifunktion und dem Missbrauch von „Soft Power“ innerhalb der Organisation. BRRN hatte aufgehört, ein gesundes oder produktives Vehikel zu sein, durch das wir unsere politische Arbeit, insbesondere den Feminismus, weiterentwickeln konnten.
Die AutorInnen und UnterzeichnerInnen dieses Dokuments sind 33 Ex-Militante der BRRN, die wir eine gemeinsame Basis in unserer Kritik an der Organisation gefunden haben, ebenso wie in unserem Bestreben, weiterhin eine Praxis des Anarchismus zu entwickeln, die den Herausforderungen des gegenwärtigen Augenblicks gerecht wird. Wir sind eine Gruppe, die sich überwiegend aus Menschen zusammensetzt, die Unterdrückung auf Grund von Geschlecht erleben, von denen viele POC sind, was unsere Erfahrungen und Analysen beeinflusst. Wenn wir uns auf Geschlechterunterdrückung beziehen, beschreiben wir die Positionierung von Trans- und Cis-Frauen, Trans-Männern und nicht-binären Menschen in Bezug auf das Patriarchat und das binäre Geschlechtersystem.
Wir erheben nicht den Anspruch, die Ansichten und Erfahrungen aller Ex-Militanten zu repräsentieren, noch erstreckt sich unsere Kritik auf alle Genossen, die sich entschieden haben, in der Organisation zu bleiben. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, in diesem Brief keine individuellen Aufrufe oder detaillierte Berichte über spezifische Vorfälle aufzunehmen. Während unserer Zeit in der BRRN wurden unsere Punkte politischer Meinungsverschiedenheiten oft auf Missverständnisse oder aufeinanderprallende Persönlichkeiten zurückgeführt. Hier möchten wir keinen Raum für diese Art von Fehlcharakterisierung lassen. Wir hoffen, dass wir durch die Kontextualisierung unserer Entscheidung, BRRN zu verlassen – eine Organisation, der viele von uns Jahre ihres Lebens gewidmet haben – anderen, die mit den gleichen Problemen konfrontiert sind, einige wertvolle Lektionen erteilen können.
Unsere Rücktritte waren nicht willkürlich; sie kamen nach Jahren harter Arbeit, in denen wir darum kämpften, eine tiefere Praxis des Feminismus innerhalb von BRRN durch kreative Erforschung und konkrete Vorschläge zu entwickeln. Diese Bemühungen wurden jedoch genau von der patriarchalischen Kultur sabotiert, die wir herauszufordern versuchten. Unsere intellektuelle und kulturelle Arbeit wurde benutzt, um ein öffentliches Bild von BRRN als international orientierte antirassistische feministische Organisation zu fördern, aber intern wurden diese Prioritäten aktiv an den Rand gedrängt.
Weil BRRN der Rahmen fehlte, um interne Meinungsverschiedenheiten zu handhaben, wurde jede Art von starker Kritik oder der Ruf nach Veränderung als eine gefährliche Quelle der Destabilisierung behandelt und erhielt starke Gegenwehr von Militanten, die mit dem Status quo zufrieden waren. Diese toxische Dynamik wurde im Vorfeld der BRRN-Jahrestagung, die im September 2020 stattfand, voll sichtbar. Jeder Punkt auf der Tagesordnung wurde zum Schlachtfeld; wir forderten substanzielle Veränderungen, um das anzugehen, was wir als Organisationskrise erlebten, während unsere Kritiker zwischen der Verunglimpfung unserer Absichten und der Verharmlosung unserer Bedenken schwankten.
In diesem Kontext begannen Einzelpersonen und lokale Chapter massenhaft auszutreten. Dies ist eine Geschichte, die mit vielen Stimmen erzählt wird. Wir begannen diesen Prozess als eine zersplitterte Minderheit innerhalb einer Organisation, die unsere Fähigkeit, unsere Politik durch kollektive Analyse und Debatte zu entwickeln, im Keim erstickte. Ironischerweise konnten wir erst, nachdem wir sie hinter uns gelassen hatten, endlich die Art von Gesprächen führen, nach denen wir uns alle so verzweifelt gesehnt hatten. Dieser Brief ist ein direktes Ergebnis dieser Gespräche und ist um die Themen herum organisiert, die für uns bei unseren unterschiedlichen Erfahrungen am meisten mitschwangen.
Diejenigen von uns, die sich für den Feminismus engagierten, arbeiteten jahrelang für die politische Entwicklung und Veränderung in der Organisation. Zu den Bemühungen gehörten „Caucusing“ [in der Mediation bezeichnet der Begriff eine Technik, die es dem Mediator erlaubt, mit den Parteien Einzelgespräche zu führen], Vortragsreisen, die Koordinierung des internationalen militanten Austauschs, zahlreiche Versuche, Rechenschaftsprotokolle zu entwickeln, Studiengruppen und der Entwurf eines 33-seitigen internen Diskussionsdokuments (das als „Feministisches Dokument“ bezeichnet wurde), das eine eingehende Analyse der Geschichte von BRRN sowohl mit dem Feminismus als auch mit dem Patriarchat lieferte. Trotz dieser Vielfalt an Taktiken und dem Grad der Beteiligung litten die internen Bemühungen, die Geschlechterdynamik innerhalb von BRRN zu verändern, immer wieder unter einem Mangel an Beteiligung und Durchsetzung in der gesamten Organisation. Letztendlich wurden diejenigen, die an diesen Bemühungen teilnahmen, weniger tolerant und wurden sich der Muster, die in den Strukturen von BRRN eingebettet waren und das Patriarchat aufrechterhielten, stärker bewusst.
Viele von uns spürten im Laufe der Jahre die Auswirkungen dieser Muster. Deshalb nahmen wir an den oben erwähnten Bemühungen teil. Erst als wir begannen, unsere Erfahrungen zu teilen, wurde vielen von uns klar, dass dies mehr war, als Verwaltungsprotokolle, Studiengruppen und Bewusstseinsbildung heilen konnten, und dass es nicht etwas war, für das nur Einzelne zur Verantwortung gezogen werden sollten. Dies war eine organisatorische Krise und die gesamte Mitgliedschaft musste darauf reagieren. Unsere gemeinsame Analyse ergab, dass unsere Bemühungen nie länger als ein paar Monate andauerten und selten über eine „Diskussion“ der Probleme hinausgingen; cis-Männer, insbesondere die dominanten Stimmen, die an der Spitze der Organisationsstrategie standen, pausierten nie ihre Projekte oder ihre Arbeit, um sich ausreichend darauf zu konzentrieren, dauerhafte Veränderungen zu schaffen; dieselben Stimmen mieden oder ignorierten die Bemühungen, eine feministische Praxis zu schaffen; die Frauenfeindlichkeit wurde in Komitees begraben – isolierte Orte, die von einer oder zwei Personen über einen längeren Zeitraum dominiert wurden; die Fähigkeit, zu debattieren, ohne Kritik übermäßig zu personalisieren wurde nie gefördert; und es gab Streitpunkte über Feminismus innerhalb der Organisation, die die Tatsache widerspiegelten, dass BRRN keine starke Analyse hatte, die in der Lage war, ihre Aktivistinnen zu vereinen.
Selbst wenn wir politische Straßensperren erlebten, wollten wir nicht gehen. Dies war auch unsere Organisation. Wir hatten Jahre der Anstrengung investiert und BRRN war unsere politische Heimat. Wir bereiteten Diskussionserklärungen und Präsentationen über die feministische Krise vor, die wir erlebten. Doch in der Zeit vor dem Jahreskongress 2020 wurde uns klar, dass wir nicht nur mit vielen Genossinnen keine gemeinsame Vision für die Organisation mehr hatten, sondern dass sie bereit waren, uns aktiv durch Gerüchte und Klatsch zu bekämpfen, und sogar so weit gingen zu behaupten, dass einige von uns sich mit unseren internationalen Kontakten verschworen hätten, um die Organisation zu spalten.
Feministinnen, die mit der dominanten BRRN-Kultur verbündet waren, gaben sich große Mühe, unsere Anliegen zu delegitimieren und das sexistische Narrativ zu verstärken, das von den Männern, die davon profitierten, aktiv gefördert wurde. Unsere Genossen hörten unsere persönlichen Zeugnisse über das Patriarchat in der Organisation und sahen darin keine politische Bedeutung, während wir durch fleißiges und rigoroses Studium und Austausch wussten, dass sie ein Muster von patriarchaler Dominanz und Unterordnung bildeten. Wir argumentierten, dass das einzige Mittel gegen eine politische Krise politisches Handeln sei. Sie argumentierten, dass wir unsere Anliegen mit unseren Missetätern eins zu eins schlichten sollten und den Rest der Organisation nicht mit etwas belästigen sollten, das nur ein zwischenmenschliches Missverständnis sei. Wir glauben, dass eine offene organisatorische Debatte über politische Differenzen, die durch die Arbeit in unseren Gemeinschaften informiert ist, entscheidend ist, um das Wissen, die Erfahrung und das notwendige Vertrauen aufzubauen, um das Hetero-Patriarchat und den Kolonialismus zu stürzen. Das ist nicht das, was innerhalb von BRRN geschehen ist.
Wir verstehen jetzt, dass unsere Politik und die Art und Weise, wie wir sie vorantrieben, nur toleriert wurden, weil das öffentliche Bild der Organisation von unserer Arbeit profitierte. Unser Schreiben, unsere Kunst und unser Organisieren ließen BRRN von außen feministisch erscheinen, aber in Wirklichkeit war das nur eine Verkleidung über der Krise im Inneren. Wir haben diesen Brief geschrieben, um diese Dynamik außerhalb unserer kleinen Ecke der Linken aufzudecken. Wir glauben, dass wir mit dieser Erfahrung nicht allein sind, und wissen, dass wir allein keine Veränderung schaffen können.
Der Rest des Briefes ist in fünf Bereiche gegliedert, die die Dynamiken und politischen Meinungsverschiedenheiten beschreiben, die unsere Entscheidung zum Austritt begründet haben.
- „Soft Power und die Bewaffnung der Bürokratie“
- „Unfähigkeit zur Meinungsverschiedenheit“
- „Rechenschaftspflicht“
- „Performative Politik und die ‚Tokenisierung‘ der feministischen Arbeit“
- „Unfähigkeit zu reagieren“
„Psychologischer Terrorismus ist im Grunde eine liberale Taktik männlicher Vorherrschaft, die vor allem von sogenannten liberalen Männern und Frauen angewandt wird, um Frauen anzugreifen, die sich in ihrem Alltag und innerhalb der Frauenbefreiungsbewegung für Gerechtigkeit einsetzen. Es ist eine liberale Taktik, weil sie weder direkte physische Gewalt anwendet noch sich offen gegen die Frauenbefreiung stellt. Vielmehr funktioniert sie, um Menschen auszutricksen, zu verwirren, zu überraschen und aus dem Gleichgewicht zu bringen, wenn sie dem Unterdrücker gegenüberstehen und sich in ihrem Vorgehen und ihren Überzeugungen sicher fühlen müssen.“[1]Kathie Sarachild, „Psychologischer Terrorismus…“, New York: 1974, veröffentlicht in Feminist Revolution, Redstockings of the Women’s Liberation Movement.
Soft Power und die Bewaffnung der Bürokratie
Anfang 2019 führte eine Gruppe von feministischen Aktivistinnen der BRRN Gespräche über die Notwendigkeit, organisierte Diskussionen über die in der Organisation vorherrschenden patriarchalen Praktiken anzustoßen. Wir teilten Geschichten über unsere persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen, die es uns ermöglichten, schädliche Verhaltensmuster in der internen Gremienarbeit und der organisatorischen Entscheidungsfindung zu erkennen, die wir später in einem 33-seitigen Dokument präsentierten, das als „Feministisches Dokument“ bekannt wurde. Wir skizzierten Schlüsselprobleme, die sich auf unsere politische Arbeit und Beteiligung auswirkten, darunter das Fehlen eines Rechenschaftsprotokolls, die ungleiche Anwendung von politischem Training für potenzielle Kämpfer, unklare interne Kommunikationslinien und fehlende Verpflichtungen zur politischen Entwicklung. Obwohl diese Faktoren oberflächlich betrachtet nicht offenkundig patriarchalisch erscheinen mögen, gab es ein übergreifendes Problem mit Männern, die Gatekeeping [Zugang zu Ressourcen vorenthalten] und andere „weiche“ Praktiken in einer Weise nutzten, die direkt zu all diesen Problemen beitrug und in der Folge Militante schädigte, die vom Patriarchat unterdrückt wurden.
Wir sahen, dass bestimmte Aktivisten ihr soziales Kapital nutzten, um innerhalb der BRRN Einfluss auszuüben. Diese Soft Power akkumulierte sich, wenn Fähigkeiten und Informationen nicht an neuere Aktivisten weitergegeben wurden, die dann keinen Zugang zur vollen organisatorischen Beteiligung hatten. Soft Power wurde meist von Männern ausgeübt, die oft zusammenarbeiteten, um Herausforderungen für ihr Verhalten zu umgehen. Dies nahm viele Formen an: nicht auf Kritik oder Aufrufe zu reagieren, Unwissenheit zu behaupten und gleichzeitig der Verantwortung auszuweichen, Herausforderungen als Missverständnisse und nicht als politische Meinungsverschiedenheiten zu charakterisieren, und in der Zeit vor unserer Massenabreise Gerüchte zu verbreiten und die Persönlichkeiten derjenigen anzugreifen, die sich zu Wort meldeten.
Viele Männer im BRRN überflogen das Feministische Dokument, lasen es nicht oder setzten sich auf andere Weise nicht ernsthaft mit ihm auseinander, weder intellektuell noch kollaborativ. Dieser Mangel an Engagement zeigte sich bei allen nachfolgenden Bemühungen, den Feminismus in den Mittelpunkt der Organisation zu stellen. Selbst wenn ein Projekt tatsächlich in Angriff genommen wurde, zog sich die Beteiligung in die Länge und die toxische interne Dynamik blieb unerwähnt und unbehandelt. Feminismus wurde nie ein offizieller Bereich der politischen Arbeit innerhalb von BRRN. Er war ein gut publiziertes Nebenprojekt, das von Aktivisten durchgeführt wurde, die geschlechtsspezifische Unterdrückung erfahren hatten. Es ist daher nicht überraschend, dass die meisten der Aktivisten und Ortsgruppen, die BRRN im Jahr 2020 verließen, sich der feministischen Arbeit verschrieben hatten, darunter alle 12 Autorinnen des Feministischen Dokuments.
Die Bewaffnung von bürokratischen Prozessen wurde zu einer Schlüsselmethode, um Soft Power innerhalb der BRRN aufrechtzuerhalten. Meetings wurden strategisch mit Unterstützern besetzt, um eine konkurrierende politische Position, Meinung oder einen Vorschlag zu blockieren oder zu ersticken. Anstatt sich auf eine offene Debatte einzulassen, verließen sich einige Aktivisten auf Backchannel-Chatgruppen, um als organisierte und verdeckte Fraktion Gesprächspunkte und Argumente zu koordinieren. Im Feministischen Dokument drückten wir unsere Besorgnis darüber aus, dass wir uns zu sehr auf die Bürokratie verlassen, um tieferliegende Probleme zu lösen, insbesondere solche, die aus unserer patriarchalen internen Kultur entstanden.
Die Tendenz, alle Arbeit in Komitees zu verlagern und organisationsweite politische Diskussionen zu vermeiden bedeutete, dass fast alle Bemühungen, den Spannungen und Meinungsverschiedenheiten auf den Grund zu gehen, in persönliche Angriffe ausarteten und das Gespräch von seinem politischen Inhalt ablenkten. Auf diese Weise waren bestimmte Männer in der Lage, ihre einflussreichen Positionen im BRRN aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die Organisation von der politischen Arbeit wegzulenken, die sie im besten Fall als Ablenkung und im schlimmsten Fall als Bedrohung sahen.
Im Vorfeld der Jahrestagung 2020 organisierten die ursprünglichen Autorinnen des Feministischen Dokuments und andere, für die diese Analyse einen Widerhall fand, eine Reihe offener Treffen, um Themen wieder aufzugreifen, die ignoriert oder unbemerkt geblieben waren. Diese Initiative wurde jedoch durch die gleiche problematische Dynamik untergraben, die oben beschrieben wurde. Wir wurden behandelt, als ob wir hysterisch wären, Gaslighting[2]Als Gaslighting wird in der Psychologie eine Form von psychischer Gewalt bzw. Missbrauch bezeichnet, mit der Opfer gezielt desorientiert, manipuliert und zutiefst verunsichert werden und ihr Realitäts- und Selbstbewusstsein allmählich deformiert bzw. zerstört wird. und Victim-Blaming waren an der Tagesordnung. Viele der Männer, die zuvor für die Aufrechterhaltung dieser toxischen Kultur kritisiert worden waren, blieben strategisch still und zogen es stattdessen vor, Gerüchte und Fehlinformationen zu verbreiten, um Konflikte mit anderen Aktivisten, insbesondere anderen Frauen, zu provozieren. Wenn diejenigen, die unsere feministischen Genossinnen hätten sein sollen, die Interessen und Positionen von Männern schützten, die den Status quo des Alibifeminismus bewahren wollten, war es klar, dass die Soft Power die Möglichkeit einer authentischen Auseinandersetzung mit unseren Anliegen und Forderungen in den Schatten gestellt hatte.
Unfähigkeit zur Meinungsverschiedenheit
BRRN wurde zu einer Organisation, die unfähig war, mit Meinungsverschiedenheiten, Dissens und Kritik umzugehen. Für manche klingt es wie ein Oxymoron, wenn Anarchisten Konflikte vermeiden. Das Bild des Anarchisten, der sich kopfüber in Konflikte stürzt – verbal, physisch und politisch – ist tief in unseren Köpfen verankert. Aber die sorgfältig ausgearbeiteten politischen Positionen eines Individuums oder einer Organisation bedeuten nicht, dass sie wissen, wie man sie diskutiert, debattiert oder in ihrem täglichen Aktivismus lebt. Wir sprechen diesen Punkt an, weil er nicht nur zu der erstickenden internen Kultur beigetragen hat, die uns dazu brachte, BRRN zu verlassen, sondern wir glauben, dass es ein Trend in vielen anarchistischen Räumen ist, der mehr Analyse und kritische Reflexion verdient.
BRRN unterdrückte Meinungsverschiedenheiten nicht durch McCarthy-ähnliche Zensur, sondern durch die Kontrolle der Parameter, innerhalb derer Dissens und Infragestellung erlaubt waren. Innerhalb von Untergruppen, nie durch öffentliche Diskussionen, und immer zu Lasten derer, die die Bedenken äußerten; ohne jegliche Überlegung oder Analyse, welchen Diskussionen mehr Raum gegeben werden sollte; ohne organisatorische Beteiligung oder Durchsetzungskraft: Vorschläge konnten verabschiedet werden, aber wenn einzelne Aktivisten sich nicht darum kümmerten, diese Entscheidungen oder Mandate durchzusetzen, würden sie in der Vergangenheit verschwinden und ohne Konsequenzen vergessen werden; ohne persönliche Konflikte: Debatten waren willkommen, aber nicht, wenn man seine Stimme erhob oder ein Anliegen zu oft äußerte, vor allem, wenn es in Konflikt mit anderen Vorschlägen stand.
Bürokratische Lösungen, die politische Meinungsverschiedenheiten oder Missbrauchsfälle zu lösen versuchten, wurden regelmäßig aufgegeben oder kurz nach einem Referendum ausgemerzt, ohne dass jemand für ihre Umsetzung oder ihr Scheitern verantwortlich war. Diese bürokratischen Lösungen erweckten den Anschein von organisatorischer Verantwortlichkeit, ohne jemals tatsächlich etwas anzugehen oder zu lösen. In ähnlicher Weise endeten die Versuche einer strategischen Diskussion mit der Zuweisung von Aufgaben und der Bildung von Unterkomitees, was die Freiwilligkeit weiter förderte. Das Ergebnis kodifizierte nur die Linien der Debatte, anstatt eine gemeinsame Analyse zu entwickeln. Dieses Verhaltensmuster vermittelt die Illusion, dass abweichende politische Meinungen unterstützt werden, ohne dass sie jemals ernst genommen werden müssen, um dauerhafte Veränderungen zu schaffen. Der Status quo wird beibehalten. Der Kapitalismus kann Platz für eine Menge Dissens schaffen, ohne zu ändern, wer an der Macht ist, so auch der US-Anarchismus.
Die Struktur der Organisation wurde benutzt, um Konflikte zu minimieren, zum Nachteil der Befähigung der Aktivisten zum Umgang mit politischen Meinungsverschiedenheiten, für eine Vertiefung von Analyse, Verständnis und Empathie und zum Aufbau von Vertrauen für kollektive Aktionen. Wenn wir unsere Möglichkeiten, miteinander zu streiten, minimieren, hemmen wir unsere Fähigkeiten, sinnvoller zuzustimmen. Warum vermeidet eine anarchistische Organisation diese Diskussionen und Debatten? Weil die Konsequenzen für diejenigen, die die Macht haben, es wert sind. Als Militante zum Schweigen gebracht wurden und beschlossen, die Organisation zu verlassen, wurde dies als zwischenmenschliche Meinungsverschiedenheit dargestellt, statt als die Aufrechterhaltung eines Systems, das diejenigen, die außerhalb der Organisation bereits stärker unterdrückt sind, weiter marginalisiert. Dies war kein zwischenmenschlicher Konflikt. Es war ein
politische Differenz.
Wir wissen, dass Meinungsverschiedenheiten notwendig sind, um eine sich entwickelnde, reaktionsfähige und generative anarchistische Organisation zu kultivieren. Um zu erweitern, was präfigurativ möglich ist, müssen wir hinterfragen, wie wir unser Engagement für den sozialen Wandel in unseren Gemeinschaften organisieren und strukturieren. Während Militante innerhalb der BRRN von Anfang an daran gearbeitet hatten, feministische Praktiken in die Föderation zu integrieren, gab es in den letzten Jahren einen Zustrom neuer Mitglieder – viele von ihnen waren vom Patriarchat unterdrückt und hatten andere Erfahrungen und Erwartungen, wie eine feministische Organisation aussieht und sich anfühlt.
In einer Organisationskultur, die generativ mit Meinungsverschiedenheiten umgehen kann, hätte dies zu wichtigen Experimenten mit neuen Arten der Organisierung, der gegenseitigen Rechenschaftspflicht und der Praxis des anarchistischen Feminismus führen können. Stattdessen wurden unsere Bemühungen beiseite geschoben und minimiert, unsere Genossinnen wurden verleumdet, dämonisiert und in die Resignation gedrängt, und die Föderation vollführte bürokratische Akrobatik, um Kritik zu delegitimieren und eine liberale feministische Untergruppe zu stärken, die für „business as usual“ eintrat.
Dies war der letzte Tropfen und offenbarte die tiefere Wahrheit, dass die Organisation unfähig geworden war, Ideen zu integrieren, die sich für diejenigen, die in ihm die Macht hatten, bedrohlich anfühlten. Wir wollen eine Organisation, die politische Fragen kritisch und rigoros untersucht. Eine tiefe und ernsthafte politische Untersuchung negiert nicht unsere Fähigkeit zu persönlicher Empathie und Verständnis für unsere Mitstreiter. Es bedeutet jedoch, dass wir zwischen beiden unterscheiden können und verstehen, dass eine erfolgreiche kollaborative Analyse beides erfordert.
„Revolutionäre Männer, die für ihre Freiheit kämpfen, kämpfen nur gegen die Außenwelt, gegen eine Welt, die den Wünschen nach Freiheit, Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit entgegensteht. Revolutionäre Frauen hingegen müssen auf zwei Ebenen kämpfen. Zunächst müssen sie für ihre äußere Freiheit kämpfen. In diesem Kampf sind die Männer ihre Verbündeten mit denselben Idealen in einer identischen Sache. Aber Frauen müssen auch für ihre innere Freiheit kämpfen, die Männer seit Jahrhunderten genießen. Und in diesem Kampf sind die Frauen auf sich allein gestellt.“[3]Ilse, “La doble lucha de la mujer,” Mujeres Libres, 8 mes de la Revolución, cited in Nash, “The Debate over Feminism in the Spanish Anarchist Movement,” MS, Universidad de Barcelona, 1980.
Rechenschaftspflicht
Seit ihrer Gründung im Jahr 2013 erlebte die BRRN eine Vielzahl von internen Konflikten und Krisen, von denen viele aus Fällen von unterdrückerischem Verhalten und geschlechtsspezifischer Gewalt herrührten. Einige von ihnen eskalierten nicht über die lokale Ebene hinaus und wurden daher außerhalb des Kreises der unmittelbar Betroffenen schnell vergessen. Andere Fälle nahmen ganze Ortsgruppen in Anspruch und hinterließen einen nachhaltigen Einfluss auf die BRRN als Ganzes.
Jede Situation hatte ihre eigenen Merkmale, aber patriarchalisches Verhalten war ein dominierendes Thema, oft verkörpert durch eine Einzelperson oder eine Gruppe von Freunden innerhalb eines Ortsverbandes. Einige dieser Konflikte endeten mit klaren Entscheidungen, aber andere zogen sich hin, ohne dass es eine befriedigende Lösung gab. Hinzu kommt, dass neue Aktivisten in die Organisation eintraten, ohne diese gemischte Geschichte zu kennen, was später zu bösen oder verwirrenden Überraschungen führte. Dies ist nicht die Geschichte einer politischen Organisation, bei der die Militanten mit Sicherheit sagen können, dass das, was vorher passiert war, nicht wieder passieren würde oder dass potentielle Konflikte schneller, mitfühlender oder effektiver als in der Vergangenheit gehandhabt werden würden.
Wenn dieses Thema angesprochen wurde (oft inmitten einer neuen Krise), drehte sich das Gespräch eher um administrative Lösungen als um politische. Wir waren der Meinung, dass erstere dringend notwendig sind, aber ohne eine massive Veränderung der feministischen Praxis von BRRN, eine Studie und Debatte über die Praxis der Rechenschaftspflicht und eine signifikante Umstrukturierung der organisatorischen Prioritäten symbolisch und nicht durchsetzbar bleiben würden. In der Linken gibt es die unausgesprochene Überzeugung, dass die Suche nach Lösungen für Gewalt innerhalb der Bewegung (vor allem sexueller oder geschlechtsspezifischer Art) „Frauenarbeit“ ist, was bedeutet, dass die Last auf diejenigen gelegt wird, die am ehesten bereits Missbrauch erfahren haben, und nicht auf diejenigen, die ihn am ehesten fortsetzen. BRRN ist fest in dieser patriarchalen Tradition verankert. In der breiten Mitgliedschaft gab es wenig bis gar keine Untersuchung darüber, wie Geschlechterpolitik ins Spiel kommt, wenn es darum geht, eine Organisationskultur zu schaffen (oder nicht zu schaffen), die sicherer, einladender, transparenter und demokratischer ist. Innerhalb der Organisation blieb diese Arbeit eng auf kleine Arbeitsgruppen und Einzelpersonen beschränkt. Von der Gründung bis zum Zeitpunkt unseres Rücktritts war BRRN nicht in der Lage, ein Verfahren oder Protokoll für den Umgang mit unterdrückendem Verhalten, einschließlich sexueller Gewalt und Belästigung, zu implementieren.
Tokenisierung [4]Der englische Begriff Tokenization wird verwendet, wenn eine unterdrückte Gruppe nur zum Schein hofiert wird, ohne eine wirkliche Analyse oder Praxis der jeweiligen Unterdrückungsform und der Möglichmachung vereinter Kämpfe zu suchen. war ein Faktor, sowohl auf sichtbare als auch auf unsichtbare Weise. Es wurde um Beiträge von Frauen und nicht-binären Aktivistinnen gebeten, die dann stark redigiert oder sogar in der endgültigen Veröffentlichung weggelassen wurden. In einigen Fällen wurde die Veröffentlichung ohne Erklärung auf unbestimmte Zeit verschoben, was negative Konsequenzen für die Mitwirkenden hatte. Originalgrafiken wurden ohne Erlaubnis verwendet, bearbeitet und wiederverwendet, um der Organisation auf unsere Kosten ein hübsches feministisches Gesicht zu geben. Unsere Arbeit wurde so entbehrlich gemacht, dass sie angeeignet und in etwas hineingeworfen werden konnte, das nichts mit unseren ursprünglichen Absichten und Wünschen zu tun hatte.
Wir erkannten, dass unser Feminismus eine Ästhetik repräsentierte, die BRRN bevorzugt: die wütende Feministin, die in den Grenzen des Bildschirms gehalten werden soll, nicht eine wütende feministische Kämpferin, die durch ihre Arbeit innerhalb und außerhalb der Organisation wichtige politische Fragen aufwirft. Wenn wir die Zweckentfremdung unserer kreativen Arbeit in Frage stellten, wurden wir entweder mit Abwehrhaltung, unaufrichtig besorgten Anrufen und Texten über unseren emotionalen Zustand oder mit Gaslighting darüber, wie wir die Situation überdramatisierten, konfrontiert. Unsere Kunst, unser Schreiben und andere Medien sind immer noch auf der BRRN-Website, auf den Social-Media-Accounts und im Podcast zu finden, ohne ein Hinweis darauf, dass die Aktivisten, die sie produziert haben, gezwungen wurden, die Organisation zu verlassen.
Für viele von uns verursachte die Teilnahme an BRRN einen ständigen Zustand kognitiver Dissonanz, in dem wir unsere politische Arbeit in der Öffentlichkeit als repräsentativ für die Organisation dargestellt sahen, während wir in BRRN selbst isoliert, ignoriert und sogar aktiv untergraben wurden. Abgesehen von den negativen Auswirkungen auf unsere Erfahrungen als Aktivisten, schadete diese Praxis des organisatorischen Gaslighting unserer psychischen Gesundheit und machte es uns schwer, unseren eigenen Erfahrungen von Misshandlung oder Unterdrückung zu vertrauen.
„Wir möchten unsere Genossen und Mitstreiter herausfordern, es besser zu machen als dieses halbherzige liberale Projekt, das die Reduzierung komplexer sozialer und ökonomischer Probleme auf zwischenmenschliche Dynamiken und individuelle Privilegien erleichtert. Unser Kampf ist kollektiv, und so müssen auch unsere Werkzeuge und Analysen sein.“ [5]Common Cause Ottawa „With Allies Like These: Reflections on Privilege Reductionism“, 2014.
Unfähigkeit zu reagieren
Im Jahr 2020 kamen die Aktivisten zusammen, um eine COVID-19-Erklärung zu schreiben. Das Schreiben über die Pandemie war eine Gelegenheit, politische Positionen zu konkretisieren, die wir noch nicht kollektiv erforscht hatten, wie den Zugang zur Gesundheitsversorgung und die sozialen Auswirkungen der Pandemie. Es hätte eine Chance sein können, unsere Reaktion auf die
rassistischen und sexistischen Dynamiken der Pflegearbeit und der ’systemrelevanten‘ Arbeitskräfte zu untersuchen. Nachdem wir versucht hatten, die mit der Pandemie verbundene soziale und gesundheitliche Krise zu diskutieren, schlug der durch die Ermordung von George Floyd ausgelöste antirassistische Aufstand Wellen im ganzen Land und in der Welt. Eine Bewegung dieses Ausmaßes, die die Einstellung des Mainstreams zur Polizeiarbeit veränderte, war etwas, das wir uns nur hatten vorstellen können, wenn wir über soziale Bewegungen der Vergangenheit lasen. Für eine Organisation, die davon spricht, dass soziale Bewegungen die Saat für Revolutionen sind, war es beleidigend, als einige von BRRN den Moment abtaten und behaupteten, er würde einfach vorbeigehen. Als die gleiche Ablehnung über die Pandemie selbst gemacht wurde, wurde die politische Spaltung innerhalb der Organisation deutlich. Die Behauptung, der Moment sei nicht revolutionär oder reif genug für kollektives Handeln, wurde zu einem Mittel, um politische Debatten und rigorose Analysen zu vermeiden.
Wir glauben, dass die Unfähigkeit von BRRN, auf die Krise von COVID-19 und den Aufstand von Black Lives Matter zu reagieren, ein direktes Ergebnis der Praktiken und der Kultur ist, die wir bisher skizziert haben: Soft Power, Unfähigkeit zu Meinungsverschiedenheit, Mangel an Rechenschaftspflicht und performative, symbolische feministische Politik. In Anlehnung an die Theorie der sozialen Reproduktion und insbesondere Tithi Bhattacharya sind dies genau die stabilen Bedingungen, die der Kapitalismus und in der Folge das Patriarchat brauchen, um sich innerhalb einer Organisation zu reproduzieren. Mit anderen Worten, der Kern der sozialen Beziehungen
innerhalb von BRRN produzierte eine Kultur, die die Sorge entpolitisierte und die maskulinisierte „produktive“ Arbeit in einem Ausmaß verherrlichte, dass eine feministische Analyse des politischen Moments für die Kultur nicht einmal hörbar war, geschweige denn als dringlich verstanden wurde.
Wenn die sozialen Beziehungen innerhalb der Organisation so gestaltet waren, dass sie individuelle Schlagfertigkeit als produktive Form militanter Praxis belohnten, war jede Feministin, die eine Forderung nach einer rigoroseren und kollektiven politischen Analyse stellte, ein Verstoß gegen die patriarchale Ordnung der Dinge. Die Beziehungen innerhalb der BRRN wurden zum Nutzen der männlichen Genossen reproduziert. Die Ordnung der Dinge war darauf ausgelegt, Frauen und nicht-binäre Genossinnen als unbezahlte soziale, administrative, physische und emotionale Arbeiterinnen zu reproduzieren, nicht als Strategen. Aus dieser toxischen Art, sich auf andere zu beziehen, folgt auch, dass BRRN keine starke Analyse und Antwort auf den politischen Moment entwickeln konnte, weil der Kampf der anderen weit weniger zählte als ein glänzender Ruf und das Live-Action-Rollenspiel der revolutionären Praxis, das männliche Genossen in den Mittelpunkt stellt.
Wir glauben, dass die BRRN im Laufe der Jahre zwar an Quantität, nicht aber an Qualität zugenommen hat. Eine interne Kultur der Genoss:innenschaft, in der sich die Aktivisten füreinander sozial verantwortlich fühlten, entwickelte sich nicht. Komitee-Arbeit wurde weitgehend isoliert durchgeführt und nicht als Erweiterung einer klaren organisatorischen Strategie, die kollektiv von der Mitgliedschaft entwickelt wurde. Die Unfähigkeit der BRRN, auf sich entfaltende Bewegungen einzugehen oder zu reagieren, hängt mit einer toxischen Kultur innerhalb der BRRN zusammen, die auch die breitere Linke plagt. Der Aufbau einer Strategie sollte kein umstrittenes Ziel für eine politische Organisation sein. Die Unfähigkeit, eine Strategie in Angriff zu nehmen, und der organisatorische Defätismus, mit dem wir ständig konfrontiert wurden, sind nur allzu häufig. Das Gleiche gilt für die besonders frauenfeindliche Form von „tone policing“, die wir erlebten, als wir versuchten, zu polemisieren, die Wahrheit zu sagen und Dissens auszudrücken. Dass BRRN Meinungsverschiedenheiten als inhärent bedrohlich behandelte, war ein Spiegelbild dessen, wie die gegenwärtige Machtstruktur die Verteidigung ihrer Position über die Möglichkeit des Aufbaus einer neuen kollektiven Vision stellte.
„Wenn es dem anarchistischen Feminismus nicht gelingt, sich an die Herausforderungen unseres politischen Augenblicks anzupassen, müssen wir uns mit einem Jahrzehnt von Denkschriften abfinden, die den Rollback der wenigen verbliebenen Rechte dokumentieren, die von den sozialen Bewegungen unserer Vorgängerinnen hart erkämpft wurden. Wir verdienen etwas Besseres und wir sind bereit, dafür zu kämpfen.“ – Romina Akemi und Bree Busk, „Breaking the Waves: Die Herausforderung der liberalen Tendenz innerhalb des anarchistischen Feminismus“, 2016.
Wofür sind wir, wie geht es weiter?
Eine neue Welle des Feminismus schwappt über den Globus. Sie setzt sich für die Forderungen vergangener Bewegungen für Frauenrechte ein, trägt aber auch die Saat eines viel größeren Kampfes gegen alle Formen von Ausbeutung und Unterdrückung in sich. Ob es der Kampf für indigene Souveränität, gegen die weiße Vorherrschaft, für das Recht auf menschenwürdige Arbeit, Wohnraum und Gesundheitsversorgung oder gegen den Kapitalismus selbst ist – die vom Patriarchat unterdrückten Menschen stehen an vorderster Front. Als Feministinnen, die im Herzen des Imperiums leben, ruft uns diese Bewegung zum Handeln auf. BRRN war nicht in der Lage und in einigen Fällen auch nicht willens, auf diesen Ruf zu reagieren.
Wir wissen, dass der Druck und die Forderungen dieser Zeit die politische Krise innerhalb der BRRN weiter verschärft haben. Wir behaupten nicht, alle Antworten zu haben, aber wir wissen, dass diese Herausforderungen auch Chancen waren, und wir bedauern das Fehlen einer starken, organisierten anarchistischen Präsenz in den Aufständen, die auf die Ermordung von George Floyd folgten, und in den breiteren Kämpfen gegen die Gewalt der weißen Vorherrschaft, wie sie von der Polizei, dem Gefängnisstaat und Rechtsextremisten verkörpert wird. Mehr denn je muss die revolutionäre Linke in den USA jetzt ihre politischen Prioritäten und ihre strategische Ausrichtung überdenken.
Inmitten einer wütenden Pandemie mit Rechtsextremisten, die über einen Bürgerkrieg diskutieren, ist dies keine kleine Aufgabe und es gibt keine einfachen Antworten. Wir können jedoch eindeutig sagen, dass es unmöglich ist, eine gesunde politische Organisation aufzubauen, die in der Lage ist, zum Wachstum horizontaler sozialer Bewegungen beizutragen, wenn wir uns nicht mit dem Status quo der geschlechtsspezifischen und rassistischen Machtdynamik in der revolutionären Linken auseinandersetzen. Jede Organisation, die sich selbst als revolutionär bezeichnet und deren Mitgliedschaft oder Führung mehrheitlich weiß und männlich ist, muss die Vorurteile, die in ihre politischen Argumente eingebettet sind, bedenken und sich fragen, ob sie ein Hindernis für queere, von Frauen und POCs geführte soziale Bewegungen sind, die versuchen, sich als soziale Akteure Raum zu verschaffen. Lassen Sie sich auf neue politische Ideen und Forderungen ein, die aus diesen Bewegungen hervorgehen, oder fühlen Sie sich wohl dabei, ihre Diskussionen mit den anderen in Ihrem Kokon zu beschränken?
Während wir über zukünftige politische Projekte nachdenken, nutzen wir unsere Erfahrungen als ehemalige Aktivisten der BRRN, um uns besser zu orientieren und zu bilden. Wir versuchen, die intersektionale Natur unserer Kämpfe durch Organisierung zu verstehen und darauf zu reagieren. Wir bewegen uns auf eine Praxis zu, die unsere Realitäten und das historische und andauernde Erbe der Unterdrückung in den Mittelpunkt stellt. Wir wissen, dass es immer weiße oder männliche Linke geben wird, die jedes politische Projekt ablehnen werden, das sie nicht in den Mittelpunkt stellt, aber es ist nicht länger unsere Aufgabe, ihr Unbehagen zu lindern. Wären wir die „Frauenhilfsorganisation“ von BRRN geblieben und hätten pflichtbewusst attraktive Inhalte produziert, während wir interne Konflikte vermieden hätten, wären wir ermutigt worden, zu bleiben. Aber wir waren nie „Anarchistinnen, die sich für Frauenthemen interessieren“. Wir sind Feministinnen aller und keiner Geschlechter und wir sind Agenten unseres eigenen Schicksals.
¡Nunca tendrán la comodidad de nuestro silencio otra vez!
Sie werden nie wieder den Trost unseres Schweigens haben!
Thistle Writing Collective (Distel-Schreibkollektiv)
Befürwortet von 33 individuellen Ex-Militanten der Black Rose Anarchist Federation / Federación Anarquista Rosa Negra, die die folgenden Orte repräsentieren: Boston, Chicago, Los Angeles, NYC, Portland OR, Providence, San Diego, Texas, Western Kansas, und im Ausland
Den Original-Text findet ihr hier: https://medium.com/@thistlewritingcollective/every-rose-has-its-thorn-74fe04ba04ed
Übersetzung ins Deutsche: Fritz Faul
Beitragsbild: „Girls girls girls“ By CJ Calanday. Creative Commons BY NC ND
Hei,
die Übersetzung ist leider an einigen Stellen ungelenk und wird der eigentlichen Bedeutung und Vielschichtigkeit bestimmter Begriffe und Konzepte sicher nicht gerecht.
Es empfiehlt sich also vllt. das englische Original parallel zu lesen, bzw. vielleicht mag sich wer mit mehr Sprachfertigkeit und Kenntnissen die Mühe machen, die Übersetzung nochmal zu redigieren.
Solidarische Grüße
Unabhängig von den politischen Sympathien, die manche in der anarcho-syndikalistischen Bewegung in Deutschland für solche Debatten und Positionen haben mögen, scheint mir doch, dass dieser Beitrag einer sektierenden Kleinstorganisation wenig bis gar nichts hier zu suchen hat und wenig Beitragen kann.
Das einzige was beim lesen klar vermittelt wird, sind die immer wieder aufkommenden Diskussionen über Machtausübung und Missbrauch die durch Strukturlosigkeit und informelle Organisation zum Ausdruck kommen. Wobei genau dabei die „patriarchale Praxis“ bestehen soll, ist nicht ersichtlich – abgesehen davon, dass es den Autoren und Autorinnen wohl ein Dorn im Auge zu sein scheint, das „cis“-Männer in Verantwortungspositionen wohl überrepräsentiert zu sein scheinen (diese Wertschätzung für Repräsentativität ist schon ein sehr komisches Verständnis der anarchistischen Ideologie), was doch vermutlich daran liegt, dass diese Menschengruppe allgemein in linken Splittergruppen dominierend ist. Müssen jetzt aus ideologisch-modischen Gründen andere Stimmen automatisch wichtiger sein und eher wichtige Positionen leiten, auf Grund ihrer äußeren Merkmale? Ist jegliche Praxis, die dem abweicht deshalb automatisch als patriarchal/kolonial zu verstehen?
Ich fände es sehr schade, wenn die Linie der DA nun auch anfängt zu diesem Verständnis dissidente Positionen zu zensieren und als „patriarchal“ zu brandmarken, das im Namen eines nichts-sagenden und aus seinem soziologischen Kontext gerissenen Kampfbegriff der „Intersektionalität“ äußere Merkmale wichtiger werden als politische Inhalte. Hoffentlich kommt es nicht zu einer solchen Entwicklung, in der die Positionen dann unversöhnbar gegenüberstehen und der Diskurs nicht im sachlichen Austausch fortgesetzt und überwunden werden kann, weil die Gegner und Gegnerinnen als patriarchal und kolonial abgestempelt werden und Feinde in den eigenen Reihen gesucht werden, anstatt die wahre Reaktion anzugreifen. Es wäre fatal für die Bewegung, und eine Lachnummer für alle Rechten.
Jede nicht Szeneangehörige Person muss sich doch von solchen Beiträgen abgestoßen fühlen, das Verständnis dafür ist in Publikationen wie der DA eher nicht zu suchen.
Revolutionäre, anarchische und radikal-feministische Grüße aus den Reihen der FAU
Die Black Rose Federation hat in den letzten Jahren spannende inhaltliche und ästhetische Akzente gesetzt. Das alles wurde auch in der deutschen Nische meinem Empfinden nach breit rezipiert. Gerade die feministischen und black-anarchism Inhalte wurden hier immer wieder von Anarchist:innen zur Inspiration herangezogen. Eine „sektierende Kleinstorganisation“ ist die BRRN zwar insofern, als das jede plattformistische Gruppe aus Sicht von uns Anarchosyndikalist:innen ist. Was die Mitgliederzahl und die Verbreitung der Lokalgruppen angeht, ist eine solche Bezeichnung aus den Reihen der FAU aber sicher eher schief.
Spannend finde ich im Kommentar von RadFem, wie typisch für den polarisierten feministischen Nischendiskurs hierzulande, keine Vielschichtigkeiten anerkannt werden können. Zwischen materialistisch feministischen Positionen und queerfeministischen Positionen scheint mir der Beitrag des thistle collective keine so eindeutige Positionierung einzunehmen, wie RadFem das hier behauptet. Der „Kampfbegriff ‚Intersektionalität'“ taucht bspw. nur einmal auf, hier: „Wir versuchen, die intersektionale Natur unserer Kämpfe durch Organisierung zu verstehen und darauf zu reagieren. Wir bewegen uns auf eine Praxis zu, die unsere Realitäten und das historische und andauernde Erbe der Unterdrückung in den Mittelpunkt stellt.“ Der Bezug auf das Verstehen durch Organisierung und den Praxisbezug auf die jeweiligen Realitäten lässt sich m. E. auch wunderbar mit dem Ansatz einer Basisgewerkschaft vereinbaren, die eben nicht das bleiben will, was sie ist – eine Organisierung, die nur einen kleinen Teil der Lohnabhängigen erreicht.
„Das einzige was beim lesen klar vermittelt wird, sind die immer wieder aufkommenden Diskussionen über Machtausübung und Missbrauch die durch Strukturlosigkeit und informelle Organisation zum Ausdruck kommen.“ Interessanterweise scheint RadFem den Text nicht wirklich gelesen zu haben. Erstens würde die Analyse des thistle collectives tatsächlich wenig Spannendes zu einer anti-patriarchalen Debatte der Nische beitragen können, wenn nur ganz abstrakt „Machtausübung und Machtmissbrauch“ angeprangert würde. Gerade aber in so einer schlechten Abstraktheit bleibt die Analyse nicht, sondern benennt ganz klare patriarchale Muster und organisatorische Vorgehensweisen. Wo die Darstellung allgemein gehalten ist, wird auch darauf verwiesen, dass es eine mehrjährige interne Auseinandersetzung entlang von Inhalten, Konflikten, Übergriffen und konkreten Forderungen gab, die hier nicht nochmal ausgeführt wurden. Die Analyse dafür, in weiten Teilen auch unzutreffend, abzukanzeln, was sie eigentlich zu leisten angetreten ist, ist fadenscheinig und nur schlecht polemisch.
Zweitens aber kann RadFem den Text nicht gelesen haben, da es in einigen Argumenten gerade nicht die „Strukturlosigkeit und informelle Organisation“ ist, welche das thistle collective als Moment des Machtmissbrauchs herausarbeiten. Gerade die interne Bürokratie ist es, das Ausdeligieren in Untergruppen, das Vermeiden politischer Richtungsdebatten in den Vollversammlungen etc., was von ihnen benannt wird. Diese Dimension der internen Bürokratie fällt übrigens jedem:jeder auch in der FAU auf, die sich in den meisten Syndikaten anschicken, feministische Inhalte jeder Couleur als politisch richtungsweisend oder strukturell handlungsleitend zu verankern. Schon deswegen ist diese Analyse in der DA genau an der richtigen Stelle.
„Wobei genau dabei die “patriarchale Praxis” bestehen soll, ist nicht ersichtlich – abgesehen davon, dass es den Autoren und Autorinnen wohl ein Dorn im Auge zu sein scheint, das “cis”-Männer in Verantwortungspositionen wohl überrepräsentiert zu sein scheinen (diese Wertschätzung für Repräsentativität ist schon ein sehr komisches Verständnis der anarchistischen Ideologie).“ Die „patriarchale Praxis“ wird, wie schon geschrieben, meistens auf einer Metaebene in unterschiedlichen Ausführungen verhandelt. Deshalb ist diese Analyse für mich ein gelungener Beitrag für feministische Organisierung innerhalb der FAU. Er stellt nämlich patriarchale Muster von linker Organisierung heraus, welche allen Genoss:innen in unserer Nische zwangsläufig entgegentreten werden – Ausnahmen bestätigen die Regel.
Der Nutzen der Analyse besteht hier viel weniger in einem Beitrag zu einem Diskurs, den RadFem wohl suchen mag. Er besteht in dem Illusionen raubenden und in der Geschichte der Nische ständig wiederholten Konstatieren von „Tricks, die man über kurz oder lang gegen dich anwenden wird. Wenn du dich rechtzeitig damit vertraut machst, kann man dich nicht aufs Kreuz legen“, wie Berni so schön geschrieben hat. Deshalb ist es auch völlig unerheblich, was damit in Kommentarspalten etc. gemacht wird. Auf die anti-patriarchale Organisierung in den öknomischen Kampforganisationen kommt es an, und genau das weiß auch das thistle collective.
Übrigens lese ich nicht wie RadFem eine Klage nach mehr Repräsentativität aus der Analyse heraus. Es wäre recht müßig, alle Argumente und Phänomene, die im Text beschrieben wurden, nochmal aufzurollen. Es empfiehlt sich einfach, den Text zu lesen, darin steht Schlaueres als alles, was ich jetzt nochmal nur wiederholend entgegen könnte. Interessant ist aber, dass RadFem hier bewusst die Analyse auf eine liberal feministische Forderung herunterzubrechen scheint, wohl in plump diskreditierender Absicht. Damit leistet RadFem auch der vermeintlich eigenen feministischen Seite einen Bärendienst, denn an berechtigter materialistischer Kritik gäbe es sicherlich einige Punkte zu machen. Nur ein Argument dazu: Dem thistle collective geht es gerade nicht zunächst um Repräsentativität, sondern um politische Richtungsentscheidungen. Das sind zunächst zwei paar Schuhe. Dass aber nur eine starke interne Organisierung, die bestimmte feministische Analysen teilt, dazu führen kann, ist die ein ums andere Mal mitgeteilte Lektion autonomer Feminist:innen aller Ausrichtungen.
„… was doch vermutlich daran liegt, dass diese Menschengruppe allgemein in linken Splittergruppen dominierend ist. Müssen jetzt aus ideologisch-modischen Gründen andere Stimmen automatisch wichtiger sein und eher wichtige Positionen leiten, auf Grund ihrer äußeren Merkmale?“ Bei diesem Kommentar bleibt mir eigentlich nur der Mund beim Lesen offen stehen, ein wirkliches Glanzstück. ‚Cis-Männer dominieren nunmal, weil sie dominieren‘, so ließe sich dieses sich selbst doppelnde Argument paraphrasieren. Warum das so ist, und warum das einer anti-patriarchalen Praxis stets im Weg steht, davon möchte RadFem nichts wissen. Dass Patriarchat ein systemisches, strukturelles Verhältnis ist, das tiefer geht als die einzelnen Individuen, wird hier unsichtbar gemacht. Nur weil bestimmte männliche Inhalte und Politikformen, in Übereinstimmung mit kapitalistisch-patriarchal herrschenden Gesellschaftsformen, seit 160 Jahren in der Nische aus „ideologisch-modischen Gründen“ Gang und Gäbe sind, heißt das nicht, dass sich das nicht auch mal ändern könnte. Systemisches auf Personenfragen und Geschmacksfragen zu reduzieren ist selbstverständlich ein ganz herkömmlicher patriarchaler Move. Er ist aus der Analyse des thistle collective selbst entnommen.
„Ist jegliche Praxis, die dem abweicht deshalb automatisch als patriarchal/kolonial zu verstehen?
Ich fände es sehr schade, wenn die Linie der DA nun auch anfängt zu diesem Verständnis dissidente Positionen zu zensieren und als “patriarchal” zu brandmarken, das im Namen eines nichts-sagenden und aus seinem soziologischen Kontext gerissenen Kampfbegriff der “Intersektionalität” äußere Merkmale wichtiger werden als politische Inhalte.“ Einiges dazu habe ich schon aufgegriffen. Zum letzten Satz kann man nur noch den Kopf schütteln, denn offenbar hat RadFem gar nichts von dem verstehen wollen, was das thistle collective geschrieben hat. Nirgends wird für die Aufwertung von „äußeren Merkmalen“ plädiert, sondern gerade für andere „politische Inhalte“. Mittlerweile klassisch für den polarisierten Diskurs scheint dann direkt die Angst vor „Zensur“ auf. Witzigerweise verweisen thistle collective gerade darauf, dass patriarchale Orgnisationen feministische Inhalte gerade nur als „Aushängeschild“ tolerieren und dass sich die BRRN bis heute ohne jeden Verweis auf interne Vorgänge damit schmückt. Offenbar soll es auch in der DA bei solchen brav verträglichen Aushängefunktionen bleiben. Die Zensurangst ist selbstverständlich absurd und bezeichnend, dass diese nach nur einem konfrontativen feministischen Artikel aus welchen Untiefen auch immer auftaucht.
„Hoffentlich kommt es nicht zu einer solchen Entwicklung, in der die Positionen dann unversöhnbar gegenüberstehen und der Diskurs nicht im sachlichen Austausch fortgesetzt und überwunden werden kann, weil die Gegner und Gegnerinnen als patriarchal und kolonial abgestempelt werden“ – Wow, der erste sachlich richtige Satz von RadFem zur Debatte hier, wenn auch den eigenen Kommentar dabei wohl vergessend – „und Feinde in den eigenen Reihen gesucht werden, anstatt die wahre Reaktion anzugreifen. Es wäre fatal für die Bewegung, und eine Lachnummer für alle Rechten.“ Und ein weiteres wow! „Feinde“ sollen selbstverständlich nicht „in den eigenen Reihen“ zu suchen sein, eine Empfehlung, die alle autonomen Feminist:innen seit 160 Jahren zu hören bekommen. Siehe bspw. den Beitrag von Franziska im Syndikalist als Antwort auf Espero aus den 20ern.
Übrigens wird in der Analyse deutlich, dass die Schreiber:innen über Jahre versucht haben, konstruktiv und mit zunehmender Konfrontation innerhalb von BRRN zu wirken. Sie stellen gerade fest, dass die Fähigkeit zum Streit nicht bestand, gerade bei den Männern der Organisation. RadFem ist es hier hingegen, der:die ein ums andere Mal eine „Feindlogik“ anlegt und darin, ohne es zu merken, verhaftet bleibt und einen „sachlichen Austausch“ und Streit blockiert. Denn dazu müssten ersteinmal die Argumente gelesen und dann auch versucht werden, diese nachzuvollziehen, um sie zu kritisieren.
Völlig hahnebüchen und selbstoffenbarend wird es beim Verweis auf die „wahre Reaktion“. Ach Hauptwiderspruchsdenken, dein Leichnam lastet schwer auf uns und will nicht aufhören zu stinken und zu verwesen. Was gibt es dazu noch zu sagen? Am liebsten wäre mir, Roswitha Scholz würde ihre Zeit mit dem Lesen und Beantworten von DA Kommentarspalten vertrödeln, um im Sinne der Wert-Abspaltungs-Theorie darauf die passenden Worte zu finden. Die Angst vor Zensur und Spaltung durch Feminist:innen, wie sie bei RadFem anklingt, ist klassisch. Eine klassische Umkehrung eines Unterdrückungsverhältnisses. Die Spaltung ist seit 160 Jahren in allen sozialisitischen Organisationen bereits zugegen, der Ausschluss der Frauen aus der Bewegung die eigentliche erste und tiefste Spaltung, wie Antje Schrupp aufgezeigt hat.
Dass noch heute die männlichen Genossen gleich beim ersten Windchen zu den eigentlichen Opfern werden, ist auch klassisch – und Ausdruck einer gekränkten Männlichkeit bzw. eines Hauptwiderspruchsfeminismus. Gar nicht bestreiten will ich, dass es in der Nische einen „Neomoralismus“ (Schnetker) zuweilen gibt, welcher krude Auswüchse treibt. Aber so schwach kann die BRRN und die patriarchale Linke auch in der FAU gar nicht sein, dass sie durch solche klapprigen Argumente wie die von RadFem verteidigt, schon gegen solche Kritikansätze derart schlecht polemisierend geschützt werden müsste.