Konstruktiver Sozialismus III + IV

Der konstruktive Gedanke im Fourierismus

Aus: Die Internationale, Nr. 4, Jg. 1 (1928)

Die propagandistische Tätigkeit Fouriers und seiner kleinen Schar setzte bereits vor den Versuchen der Saint-Simonisten ein, doch kam sie erst richtig zur Geltung, nachdem die saint-simonistische Schule von der Bildfläche verschwunden war und einige ihrer namhaften Kräfte, wie Jules Chevalier und Abel Transon, sich der Lehre Fouriers angeschlossen hatten. In der Geschichte der sozialistischen Ideenentwicklung verdient Charles Fourier einen hervorragenden Platz, dessen Bedeutung man erst neuerdings wieder richtig einzuschätzen beginnt, nachdem der künstlich geschaffene Unterschied zwischen sogenanntem “Utopismus” und angeblichem „wissenschaftlichen Sozialismus“ mehr und mehr in die Brüche geht. Eine eigenartige Persönlichkeit, begabt mit reicher Phantasie und in derselben Zeit mit einem großen analytischen Scharfblick für die Verhältnisse des praktischen Lebens, trat er an Probleme heran, die ihre Bedeutung auch heute noch nicht eingebüßt,

ja seitdem noch an Wichtigkeit gewonnen haben. Viele seiner Gedanken haben noch nichts von ihrer schöpferischen Kraft verloren. Eine Menge Anregungen, die er seinerzeit gegeben, sind im Laufe der Jahre wieder ganz oder teilweise vergessen worden, nachdem die sozialistische Bewegung immer offenkundiger in die Wege der sogenannten „praktischen Politik“ einlenkte und sich dadurch immer weiter ot ihrem ursprünglichen Ausgangspunkt entfernte.

Manche von Fouriers Vorschlägen treten neuerdings als nagelneue Wahrheiten vor die Rampen der Oeffentlichkeit, ohne daß ihre Träger auch nur ahnen, daß diese angeblich ganz neuen Ideen bereits von Fourier ausgedacht und in glänzender Weise begründet wurden. Dies gilt besonders auf dem Gebiete des modernen Erziehungswesens. Hier wirkte Fourier geradezu bahnbrechend. Viele seiner Ideen, die früher nur die Beachtung ganz kleiner Kreise fanden, werden erst heute, allgemein gewürdigt und bilden sozusagen die Ecksteine einer wahrhaft freiheitlichen Erziehung.

Es ist nicht unsere Aufgabe, hier eine umfassende Uebersicht über Fouriers Ideen zu gehen, da der Zweck dieser Arbeit enger gesteckt ist, und wir uns lediglich mit den Ideen beschäftigen wollen, welche auf die Gestaltung und Entwicklung des Experimentalsozialismus und seiner Methoden Bezug haben, also auch heute noch für ein schöpferisches sozialistisches Wirken von Bedeutung sind.

Fourier war im Grunde der eigentliche Begründer des Experimentalsozialismus, denn er verband in seiner Anschauungsweise alles, was dieser Bezeichnung überhaupt zugrunde liegt. Ein großer Verehrer der Naturwissenschaften, interessierte er sich stark für die junge Experimentalchemie, die sich nach den großen Entdeckungen Lavosiers unwiderstehlich Bahn gebrochen hatte.

Fourier war der Ansicht, daß man dieselben Methoden auch auf alle Gebiete des gesellschaftlichen Lebens anwenden müsse. Schon in seinem ersten Werk, „Theorie des quatre Mouvements“ (Theorie der vier Bewegungen), das leider fast gänzlich unbeachtet blieb, vertrat er den Standpunkt, daß jeder neue Vorschlag, der auf eine Umgestaltung der sozialen Lebensbedingungen abziele, ohne weiteres durch praktische Anwendung im kleinen zu prüfen sei, damit man auf diese Weise seine wirklichen Vorteile für die Allgemeinheit klar erproben und feststellen könne. Ob eine praktische Möglichkeit für derartige Experimente innerhalb der heutigen Gesellschaftsordnung immer und überall geboten ist, ist eine Frage, die uns später noch eingehend beschäftigen wird. Fest steht jedoch, daß Fouriers Auffassung die eigentliche Grundlage für den Experimentalsozialismus gelegt hat.

Ging Saint-Simon in allen seinen Betrachtungen von der jung erwachten Industrie aus, die ihn förmlich berauschte durch ihre unbegrenzten Möglichkeiten, so spielte in Fouriers System der Ackerbau die weitaus wichtigste Rolle. Ohne Zweifel wurde er in dieser Ansicht von den Lehren der sogenannten physiokratischen Schule beeinflußt. Doch war er keineswegs ein Gegner der Industrie wie manche unter den alten Physiokraten, sondern anerkannte ihre Gleichberechtigung mit der Agrikultur, wenn er auch die gewaltige Entwicklung des modernen Industrialismus nicht voraus sah wie Saint-Simon.

Es war der Handel, der in ihm sozialistische Ideen reifen ließ. Sein Beruf als Kaufmann hatte ihm einen tiefen Einblick gestattet in die parasitische Existenz des Handels und der Spekulation. Gerade die Zeit der Revolution und der endlosen Kriege mit ihrem herzlosen Spekulantentum, das über Leichen ging und bereit war, die ganze Nation dem Hungertode preiszugeben, wenn dadurch nur hohe Profite ergattert werden konnten, war mehr wie jede andere Periode dazu angetan, die ganze menschenfresserische Tendenz des Handels in all seinen verwickelten Einzelheiten klar erkennen zu lassen. Gerade wir, die wir selber eine ähnliche Periode der Geldentwertung und der schamlosesten Spekulationen auf das Elend der breiten Massen mit durchlebt und mit durchlitten haben, begreifen den ganzen Abscheu, den Fourier gegen den infamen Wucher und den krassen Egoismus der Börsen- und Handelsspekulanten empfand, um so besser. Was Fourier über die Manipulationen des Handels und des Börsenwesens geschrieben hat, gehört mit zu den klassischsten Erzeugnissen der sozialistischen Literatur und entschleiert jene andere Seite des sozialen Problems, die gerade von den Arbeitern heute allzuoft übersehen oder viel zu gering eingeschätzt wird.

Der moderne Industriearbeiter, der sich, in seinen periodischen Kämpfen ums tägliche Brot stets dem Unternehmer als direktem Feind gegenüber sieht, vergißt leider nur zu leicht die unwürdige Ausbeutung, der er durch den Handel und.das Börsenkapital unterworfen ist. Und doch ist diese Seite des Problems nicht nur von der größten Wichtigkeit, hier ist auch der Punkt, von dem aus am besten eine gemeinschaftliche Aktion der Arbeiter mit den Kleinbauern eingeleitet werden könnte, wodurch eine Annäherung und ein gegenseitiges Verständnis zwischen diesen beiden Gruppen der werktätigen Bevölkerung, das so dringend notwendig ist, herzustellen wäre. Solange aber eine solche Allianz nicht geschaffen wird, ist an eine praktische Verwirklichung des Sozialismus kaum zu denken. Schon aus diesem Grunde verdienen Fouriers Gedankengänge gerade auf diesem Gebiete unsere größte Aufmerksamkeit.

Ein weiteres großes Verdienst um den Sozialismus hat sich Fourier dadurch erworben, daß er in einer total staatsgläubigen Zeit, die im Jakobinismus ihren extremsten Ausdruck gefunden hatte, die Traditionen des freiheitlichen Denkens fortsetzte, das vor dem Ausbruch der Revolution besonders in Diderot einen so glänzenden Vertreter gefunden hatte, und jeden äußeren Zwang aus seinen theoretischen und praktischen Auffassungen über die Umgestaltung der Gesellschaft verbannte. In diesem Sinne war er unbedingt einer der großen Vorläufer des freiheitlichen oder anarchistischen Sozialismus, dessen Verdienste bis heute leider noch nicht richtig gewürdigt wurden. Es ist der Stil Fouriers, der viel dazu beigetragen hat, seine Schriften der Vergessenheit anheimfallen zu lassen. Man hat seine Sprache des öftern mit dem philosophischen Jargon Hegels verglichen, ein Vergleich, der sich nicht ganz von der Hand weisen läßt, obwohl sein Stil eines gewissen Reizes nicht entbehrt, den man bei Hegel vergeblich sucht. Manches ist verworren und unklar; viele Worte werden ihres gewöhnlichen Sinnes entkleidet; dazu kommen noch zahllose neue Wortbildungen, die oft verwirrend auf den Leser wirken und das Lesen von Fouriers Schriften zu keiner leichten Aufgabe machen.

Vergleicht man Fouriers Stil mit der kristallklaren Sprache Saint-Simons, so begreift man erst, wie sehr der erstere im Nachteil war. Dazu fehlte ihm die Gabe, seine Gedanken systematisch zu ordnen und seine wichtigsten Ideen in kurze prägnante Sätze zu kleiden, die sich sofort dem Geiste einprägen und nicht wieder vergessen werden. So ist man gezwungen, seine Grundideen erst mühsam aus seinen verschiedenen Schriften zusammenzusuchen, sie aller überflüssigen Schnörkeleien zu entkleiden, um sie in ihrem wahren Sinne zu erfassen. In der Tat fand der Fourierismus erst richtige Verbreitung, als Victor Considerant sich der Schule anschloß, der es vortrefflich verstand, den Ideen des Meisters einen bestimmten und klaren Ausdruck zu geben.

Fourier hatte keinerlei Vertrauen auf eine Lösung sozialer Probleme durch politische und gesetzgebende Körperschaften. Dazu waren die Erfahrungen, die er während der großen Revolution gemacht hatte, zu nachhaltig und vielseitig. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß er sich verschiedentlich an bekannte Finanzleute und Staatsmänner wandte, um sie für seine Ideen zu interessieren. Man darf eben bei solchen Versuchen nie die Zeit außer acht lassen, deren Einfluß sich auch Fourier nicht ganz entziehen konnte. Aber er begriff ganz klar, daß es dem Gesetzgeber, und wäre er auch von dem besten Willen beseelt und mit den vorzüglichsten Gaben des Geistes ausgestattet, nie gelingen könne, die mannigfachen Bedürfnisse und Notwendigkeiten eines ganzen Landes zu überblicken und denselben gerecht zu werden.

Aus diesem Grunde war eine Föderation freier Gemeinwesen sein Ideal, die sich allmählich über Provinzen, Länder und die ganze Welt erstrecken würden. Jedes Gemeinwesen sollte sich auf ein schmales Gebiet und eine Bevölkerung von etwa 1500 Menschen beschränken, so daß jeder dort im Stande sei, alle sozialen Notwendigkeiten und den gesamten Verwaltungsapparat leicht zu überblicken. Denn nur unter solchen Umständen ist jeder in der Lage, über alle das Gemeinwesen betreffenden Fragen ein selbständiges Urteil abzugeben, das seiner innersten Ueberzeugung entspringt. Nach der Meinung Fouriers sind alle Gemeinden durch gemeinschaftliche Interessen und gleichgerichtete Bestrebungen auf das engste miteinander verbunden und stellen eine große kulturelle Einheit dar, die sich um so fruchtbarer gestaltet, je mannigfacher und eigenartiger sich das Leben in den einzelnen Kommunen entwickelt.

Die Aufgabe jeder Gemeinde sollte darin bestehen, innerhalb ihres Gebietes ihren Insassen die höchste Summe von materiellem Wohlstand und persönlicher Unabhängigkeit zu sichern. Diesem Ziele müsse alles andere untergeordnet sein. Da aber Wohlstand und Unabhängigkeit immer nur relative Begriffe sind, indem die menschliche Natur immer wieder neue Bedürfnisse entwickelt, so dränge jede Verbesserung nach neuen Verbesserungen und größeren Vollkommenheiten. Auf diese Weise bleibe das gesellschaftliche Leben stets im Fluß und vermeide jede Stagnation.

Das Verwaltungssystem der Gemeinden im Geiste Fouriers ist stets der freien Wahl der Bewohner überlassen. Jede besondere Kategorie wählt ihre eigenen Vertreter. Dies gilt nicht bloß für die Männer, sondern auch für Frauen und Kinder. Jeder Zwang scheidet grundsätzlich aus, denn nur auf diese Weise kann sich die Freiheit auf der Basis gegenseitiger Verantwortlichkeit von unten auf entfalten und schöpferisch gestalten.

Wenn man sich vor Augen hält, daß diese Gedanken entwickelt wurden in einer Periode der schlimmsten Reaktion, in einer Zeit, da Männer wie Bonald, de Maistre und Chateaubriand das Prinzip der Autorität bis zur höchsten Vollendung entwickelten und die „Heilige Allianz“ wie ein Alpdruck auf Europa lastete, so begreift man erst richtig, welche Verdienste sich Fourier um das freiheitliche Denken erworben hat.

Aber Fourier begnügte sich nicht mit der Ausmalung eines idealen Gesellschaftszustandes, er suchte auch nach praktischen Mitteln und Wegen, um einen solchen Zustand möglich zu machen. Unter allen Vertretern des Sozialismus war Fourier derjenige, welcher am meisten und gründlichsten über die psychologischen und rein wirtschaftlichen Bedingungen eines freien Gemeinwesens nachgedacht hat, und es ist manchmal geradezu erstaunlich bis zu welchen Einzelheiten er seinen Ideen nachging. Fourier war der eigentliche Begründer der Assoziationsidee, der genossenschaftlichen Arbeit. Zwar haben ihm Leroux und andere dieses Verdienst streitig gemacht, indem sie darauf hinwiesen, daß dieser Gedanke bereits bei Diderot und in der ersten Schrift Saint-Simons zu finden sei, aber das ändert nichts an der Tatsache, daß kein anderer vor Fourier diese Idee so tief erfaßt und in allen Einzelheiten begründet hat wie er.

Der Assoziationsgedanke und die Theorie der attraktiven Arbeit bilden sozusagen die beiden Eckpfeiler von Fouriers Idee einer sozialen Umgestaltung. Verglichen mit diesen beiden grundlegenden Prinzipien hat seine Auffassung von einer Verteilung des allgemeinen Arbeitsertrags nach Kapital, Arbeit und Talent nur geringe Bedeutung, um so mehr, als sie durch die Zeitverhältnisse bedingt war. Fourier hat denn auch den größten Scharfsinn auf gewandt, um einerseits die überragende Bedeutung der genossenschaftlichen Produktion gegenüber dem Monopolismus und der Lohnsklaverei festzustellen und andererseits den Beweis zu erbringen, wie durch das Prinzip der attraktiven Arbeit eine vollständige Umwälzung auf allen Gebieten menschlicher Betätigung herbeigeführt werde, deren Segnungen der Allgemeinheit zugute kämen.

Als Vertreter der genossenschaftlichen Produktion hat Fourier mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß das Grundprinzip jeder gesellschaftlichen Arbeit, ja überhaupt jeder Arbeit, darin bestehe, immer darauf zu achten, mit den wenigsten Anstrengungen die größten Ergebnisse zu erzielen. Damit hat er die Idee der sogenannten Rationalisierung der Wirtschaft, die heute eine so große Rolle spielt, bereits klar formuliert. Nur mit dem Unterschied, daß die modernen Vertreter der Rationalisierung den Menschen rücksichtslos der Wirtschaft opfern, um die Gewinne der Monopolisten zu vergrößern; während nach Fouriers Anschauung die Wirtschaft des Menschen wegen existierte und jede Verbesserung des Produktionsprozesses der Allgemeinheit zugute kommen mußte. Unter dem System der Privatwirtschaft wird die Rationalisierung immer nur privilegierten Minderheiten zum Vorteil gereichen, während sie den werktätigen Massen zum Fluche werden muß. Immer wird es sich hier nur um eine Rationalisierung des toten Materials und der technischen Methoden handeln, die mit der wahnsinnigen Verschwendung des lebendigen Menschenmaterials Hand in Hand geht. Nur unter einem System genossenschaftlicher Arbeit tritt die wahre Rationalisierung der Wirtschaft, wie Fourier sie verstand, in ihre Rechte und gestaltet sich zu einem Segen für alle.

Fourier zeigt uns die unverkennbaren Vorteile der genossenschaftlichen Arbeit an Hunderten von Beispielen in der Agrikultur, in der Industrie, in der Hauswirtschaft usw. und enthüllt schonungslos die unsinnige Verschwendung an Materialien, Zeit und Arbeitskraft, die mit jeder Form der Privatwirtschaft unvermeidlich verbunden ist. Was er auf diesem Gebiete vorzubringen wußte, ist von unvergänglicher Bedeutung, auch wenn viele seiner Beispiele infolge der technischen Entwicklung heute veraltert erscheinen.

Aber er begnügt sich keineswegs mit der rein materiellen Seite der Frage, sondern geht auch auf ihren psychologischen Kern ein und gelangt hier zu jener großartigen Theorie der attraktiven Arbeit, die einer der wichtigsten Grundgedanken des Sozialismus überhaupt ist, obwohl dies von vielen unserer heutigen Sozialisten lange vergessen wurde.

Vor der großen Revolution galt die Arbeit überhaupt als minderwertige Beschäftigung und auferlegte Pflicht für die sogenannten niederen Klassen in der Gesellschaft. Arbeit und Sklaverei waren synonyme Begriffe. Die Revolution hatte zwar die moralische Grundlage dieser Auffassung erschüttert, aber da sie das System der Lohnarbeit und des Monopolismus nicht berührte, blieb der Zustand derselbe und ist es bis heute geblieben. Fourier zeigte uns, daß der Trieb zu einer gewissen körperlichen und geistigen Betätigung sich in jedem normalen Menschen bemerkbar macht und schon im frühesten Kindesalter seinen Ausdruck findet. Es ist nicht die Arbeit als solche, welche sie dem Menschen zur Last macht, sondern der Zwang, mit dem sie heute verbunden ist, läßt sie ihm als Fluch erscheinen. Es ist also der Zwang, welcher uns die Arbeit als Sklaverei empfinden läßt; denn die schwierigsten und kompliziertesten Arbeiten werden mit Freude unternommen und ausgeführt, wenn es freiwillig geschieht und der einzelne Vergnügen an seinem Werke empfindet. Keine Marter ist so furchtbar, als einen Menschen jeder Möglichkeit einer Betätigung für längere Zeit zu berauben. Seine Phantasie wird die unmöglichsten Mittel ersinnen, um sich irgendeine Beschäftigung zu verschaffen.

Es handelt sich also darum, die Arbeit anziehend zu gestalten, sie „attraktiv” zu machen. Das Gesetz der Attraktion, auf welches Newton die Bewegung der Himmelskörper zurückführte, gilt auch für das Leben und Bestehen der menschlichen Gesellschaft — es ist die attraktive Arbeit. Aus diesem Grunde ist es nicht bloß notwendig und unumgänglich, die Arbeit durch natürliche Abwechslung möglichst verschiedenartig zu gestalten, damit sie ihren Reiz nicht verliert; es wird auch die wichtigste Aufgabe einer neuen Erziehung sein, die verborgenen Talente und Fähigkeiten schon im Kinde zu entdecken und für sie eine entsprechende Betätigung zu finden.

„Es ist ein großer Irrtum, anzunehmen“, sagt Fourier, „daß die Natur mit der Verleihung von Talenten sparsam umgehe. Sie ist damit viel verschwenderischer, als es unseren Wünschen und Bedürfnissen entspricht. Eure Sache ist es, die ausgestreuten Keime zu entdecken und zu fördern. In dieser Hinsicht seid ihr jedoch ebenso unwissend, wie ein Wilder unwissend ist in der Entdeckung und Ausbeutung einer Mine. Ihr habt keine Fähigkeit, keinen Prüfstein, der euch darüber Aufklärung gäbe, zu welchem Zwecke die Natur den Menschen bestimmt und welche Keime sie in seine Seele eingepflanzt hat. Die zivilisierte Erziehung zertritt diese Keime, erstickt sie, so daß von Millionen kaum einer aufgeht. Die Kunst, diese Keime zu finden, wird eines der tausend Wunder sein, die euch durch die Lehre der fortschreitenden Serien verständlich gemacht wird. Sie wird euch lehren, bis zu welchem Grade der einzelne die verschiedenen Keime seiner Talente entwickeln und verbessern kann, die ihm die Natur verliehen hat.“

Erziehung ist für Fourier keine Dressur, sondern planmäßige Ausgestaltung der Persönlichkeit und des Willens im Sinne der besonderen Talente und Eigenarten, die in jedem Kinde stecken. Nur auf diese Art ist ein harmonischer Ausgleich des Persönlichkeitsgefühls mit den sozialen Instinkten schon von Jugend auf zu erzielen. Nur durch eine solche Erziehungsmethode ist die Gewähr gegeben, das später jeder seinen rechten Platze im Leben findet und ihm die Arbeit zur Freude wird. Fouriers tiefschürfende Gedanken haben uns hier ganz neue Perspektiven eröffnet, deren Bedeutung für die Zukunft noch gar nicht zu ermessen ist. Manches, was er geschrieben, ist heute veraltet; in andern Punkten mag er geirrt haben, aber seine beiden Grundideen, die genossenschaftliche Produktion und die Theorie der attraktiven Arbeit mit ihren reichen Ausblicken für alle Gebiete menschlicher Betätigung und besonders der Erziehung bleiben unerschüttert, und man wird sie nicht ignorieren können, wo immer praktische Versuche im Geiste eines schöpferischen und konstruktiven Sozialismus unternommen werden. (Fortsetzung folgt)

Die Versuche der Fourieristen in Europa

Aus: Die Internationale, Nr. 6, Jg. 1 (1928)

Charles Fourier war tief überzeugt von der praktischen Durchführbarkeit seiner Ideen, und diese Ueberzeugung nahm bei ihm manchmal so überschwengliche Formen an, daß mancher seiner Zeitgenossen ihn als sonderbaren Schwärmer behandelte und sich überhaupt nicht der Mühe unterzog, seine Gedankengänge einer näheren Prüfung zu unterwerfen. Er war der festen Meinung, daß, sobald es ihm erst gelingen würde, eine Phalanstère mit all seinen Einrichtungen ins Leben zu rufen, eine neue Periode in der Geschichte der Menschheit beginnen müßte. Nicht nur die Menschen Europas würden sich von der Vorzüglichkeit seines neuen sozialen Systems überzeugen und aus dieser Erkenntnis heraus ein neues Dasein beginnen, sogar wilde und halbwilde Völkerschaften würden sich zu den neuen Ideen bekehren und ihnen praktisch Durchbruch verschaffen.

Aber wie optimistisch Fourier in dieser Hinsicht immer sein mochte, so ließ er sich doch nie dazu verleiten, jedes Experiment gutzuheißen und von ihm die Verwirklichung seiner Ideen zu erhoffen. Er wußte sehr gut, daß in dieser Hinsicht der gute Wille einzelner nicht alles war, und daß das Gelingen eines praktischen Versuches noch von ganz anderen Bedingungen abhängig sei. Aus diesem Grunde war er äußerst vorsichtig und prüfte jede seiner Ideen auf ihre praktische Ausführbarkeit. Keiner besaß in dieser Beziehung größere Voraussicht und kritischeren Sinn wie er. So stark es ihn nach einer gegebenen Möglichkeit für die praktische Verwirklichung seiner Pläne gelüstete, so verwarf er doch grundsätzlich jedes kleinere Experiment und hielt Versuche im allerkleinsten Maßstabe für direkt schädlich, weil sie seiner Meinung nach zu einem sicheren Mißerfolg verdammt waren und gerade deshalb die Idee, der sie entsprangen, kompromittieren mußten. Sogar ein vorübergehender Erfolg war von keiner Wichtigkeit, weil er seiner Ansicht nach für die praktische Bedeutung eines neuen sozialen Systems kein genügendes Zeugnis ablegen konnte.

Die Idee einer auf genossenschaftlicher Arbeit und praktischer Solidarität begründeten Gesellschaft war für Fourier keine reine Wirtschaftsfrage, sondern ein Problem, das alle Zweige des geistigen und gesellschaftlichen Lebens umfaßte. Aus diesem Grunde mußte bei einem praktischen Versuch die volle Möglichkeit gegeben sein, alle Erscheinungen des individuellen und sozialen Lebens unter neuen Bedingungen zur ungehemmten Entfaltung zu bringen. Dazu war eine Siedlung oder ein genossenschaftliches industrielles Unternehmen, das nur wenige Dutzend Menschen umfaßte, in keiner Weise geeignet und zwar deshalb nicht, weil es diese Möglichkeit nicht bieten konnte. Es müßte nicht bloß der Beweis erbracht werden, daß die genossensschaftliche Arbeit nicht nur in jeder Hinsicht vorteilhafter und für die gesellschaftliche Produktion ergebnisreicher sei wie die bestehende Lohnarbeit, es mußte auch bewiesen werden, daß unter dem System der Assoziation jedem Menschen die, volle Möglichkeit geboten ist, eine Betätigung zu finden, die seinen inneren Neigungen und Fähigkeiten entspricht und gerade aus diesem Grunde das Gefühl der Freude an seinem Werke bei ihm auslöst. Es mußte ferner bewiesen werden, daß in einem Gemeinwesen, in dem kein Platz mehr für die wucherischen Transaktionen des modernen Handels gegeben war, die
materiellen Lebensmöglichkeiten für jedes Glied der Gesellschaft nicht nur in bedeutendem Grade erhöht würden, sondern daß auch auf Grund dieser neuen Bedingungen allmählich eine ganz andere moralische Einstellung zwischen Mensch und Mensch entstände und der beschränkte Eigennutz des Einzelwesens, der heute eine so große und verderbliche Rolle spielt, tieferen sozialen Gefühlen weichen müßte. Und es mußte der Beweis erbracht werden, daß eine ganz neue Art der Erziehung, die mit der geistlosen Dressur unseres modernen Bildungswesens nichts gemein hat, ein ganz anderes Persönlichkeitgefühl im Menschen wachrufen und seinen natürlichen Fähigkeiten und Regungen von frühester Jugend an die rechten Wege weisen würde, so daß sich eine ganz neue gesellschaftliche Kultur entwickeln könnte, in welcher sich die geistigen und materiellen Interessen des einzelnen mit denen der Gesamtheit aufs innigste verschweißen.

Es ist klar, daß ein kleineres Experiment diese Beweise nicht erbringen konnte und man schon zu größeren Versuchen seine Zuflucht nehmen mußte. Ein Versuch, der sich nur auf eine kleine Anzahl Menschen beschränkt, kann im besten Falle und unter außergewöhnlich günstigen Umständen das Los der einzelnen Teilhaber etwas verbessern und sich von der direkten Fuchtel des Unternehmers befreien, aber er kann sich immer nur in den Bahnen des kapitalistischen Systems bewegen.

Von diesen Erwägungen ausgehend, war Fourier entschlossen, nur einen praktischen Versuch im großen Maßstab zu unternehmen, der ihm die Möglichkeit gäbe, ein vollständiges Phalanstère ins Leben zu rufen, in dem fünfzehnhundert bis zweitausend Menschen Betätigung finden und leben könnten. Dazu war nach seiner Berechnung eine Summe von mindestens einer Million Franken nötig, und es ist bekannt, mit welch rührender Gläubigkeit er jahrelang jeden Tag zu einer bestimmten Stunde den Mann bei sich zu Hause erwartete, der ihm diese Summe zur Verfügung stellen würde. Uebrigens darf man über diese anscheinende Naivität nicht einfach den Stab brechen. Man darf nicht vergessen, daß der Sozialismus in jener Zeit unter den Arbeitern noch kaum Fuß gefaßt hatte, daß von einer wirklichen Arbeiterbewegung überhaupt noch keine Rede war und die Anhänger sozialistischer Bestrebungen sich fast ausschließlich aus den Reihen der Intellektuellen und der besitzenden Klassen rekrutierten. Und unter den letzteren gab es damals eine ganze Anzahl, die in der Tat ihrer Ueberzeugung große materielle Opfer brachten.

Aber der Mann kam nicht und Fourier starb darüber. Wohl hatte man ihm die Möglichkeit geboten, einige Experimente im kleinen zu unternehmen, aber er hatte diese Vorschläge hartnäckig zurückgewiesen, da er von ihrer Nutzlosigkeit überzeugt war. Erst nach seinem Tode beginnt die eigentliche Experimentierungsperiode des Fourierismus, die aber im großen und ganzen wenig Erfolge aufzuweisen hatte. Die Ursachen davon waren verschiedener Art. Die kleineren Experimente, denen wir hier nicht näher nachgehen wollen, gingen fast alle an den Mängeln zugrunde, die Fourier bereits mit scharfem Blick vorausgesehen hatte. Die wenigen größeren Versuche aber scheiterten hauptsächlich an der wahllosen Verwendung eines ungeeigneten Menschenmaterials oder sie wurden durch das Eingreifen der Regierung vereitelt, wie dies in Spanien der Fall war.

Von allen praktischen Versuchen, welche die Fourieristen in Europa und Amerika unternommen hatten, sind alle wieder nach längerer oder kürzerer Existenz zugrunde gegangen, mit der einzigen Ausnahme des sogenannten „Familistères von Guise”, das noch heute besteht, aber, wie man es gar nicht anders erwarten konnte, der heutigen Gesellschaft große Konzessionen machen mußte, um sein Dasein zu erkaufen. Da dieser Versuch mit zu den interessantesten gehört, die auf diesem Gebiete gemacht worden sind, werden wir ihm im nächsten Heft einen besonderen Abschnitt widmen.

Von den übrigen Versuchen des Fourierismus in Frankreich verdienen hauptsächlich zwei Erwähnung, nicht wegen der praktischen Erfolge, die sie errungen haben, wohl aber wegen der praktischen Lehren, die sie uns gegeben haben in bezug auf die mannigfachen Schwierigkeiten, welche derartige Experimente in der heutigen Gesellschaft zu bestehen haben. Der erste dieser Versuche wurde bereits 1832, also noch zu den Lebzeiten Fouriers unternommen, ohne jedoch seine Billigung zu finden. Es waren einige Schüler Fouriers, die sich zusammentaten, um auf einer Besitzung des Deputierten Baudet-Dulary in Conde sur Vosges ein Phalanstère im Sinne des Meisters zu begründen. Baudet-Dulary hatte 1831 einen Sitz in der Kammer errungen, genügte aber seiner Tätigkeit als Volksvertreter nur kurze Zeit, um seine ganze Kraft in den Dienst der Ideen Fouriers zu stellen. Er hatte einen kleinen Kreis begeisterter Anhänger Fouriers um sich gesammelt, die sich zu der klugen Vorsicht des Meisters nicht bequemen konnten und in ihrem Tatendrange sich nach einer unmittelbaren praktischen Betätigung sehnten. So traten sie zunächst in verschiedenen Aufrufen an die Oeffentlichkeit, die in äußerst verlockenden Farben die neue Welt schilderten, die zu schaffen sie entschlossen waren. Das Besitztum, das Baudet-Dulary zur Verfügung gestellt hatte, betrug ungefähr 500 Hektar Land, doch fehlte es an den nötigen finanziellen Mitteln, um die Gebäude zu errichten und die notwendigen Werkzeuge zu erstehen. Diese Mittel glaubte man sich eben durch die flammenden Aufrufe an die Oeffentlichkeit verschaffen zu können, aber außer Anhängern der fourieristischen Schule interessierte sich kaum jemand für das Unternehmen, obwohl man versucht hatte, demselben eine rein geschäftliche Basis zu geben, um alle Formalitäten, die das Gesetz vorschrieb, zu erfüllen. Die ,,Colonie Societaire“, wie man das Unternehmen genannt hatte, bildete eine Art Aktiengesellschaft. Jeder Teilhaber mußte eine gewisse Zahl Aktien erwerben. Arbeiter, denen die nötigen Gelder dafür nicht zur Verfügung standen, konnten sich Aktien durch Lohnarbeit erwerben, bis sie in der Lage waren, sich als volle Teilhaber zu betätigen.

War der rein geschäftliche Teil der Statuten ziemlich nüchtern gehalten, so versprach der soziale Teil um so größere Ergebnisse. Das ganze Programm des Fourierismus mit all seinen neuen Arbeits- und Erziehungsmethoden sollte zur praktischen Anwendung gelangen und man erhoffte glänzende Erfolge. Der schwache Abklang, den die verschiedenen Aufrufe gefunden hatten, schreckte die Initiatoren des Unternehmens keineswegs ab. Da von einem Gemeinwesen von 1500 bis 2000 Personen nicht mehr die Rede sein konnte, beschloß man, mit sechshundert Männern, Frauen und Kindern vorlieb zu nehmen. Aber auch dafür fehlten alle notwendigen Vorbedingungen, denn die Gelder, welche eingelaufen waren, reichten bei weitem nicht aus, auch nur einigermaßen zweckdienliche Baulichkeiten zu errichten. Anstatt des großen „Sozial-Palastes” oder Phalanstères, von dem Fourier gesprochen hatte, das den Palast von Versailles und das große Kloster von Escurial bei weitem übertreffen und dessen architektonische Form sozusagen das Symbol des neuen Gemeinwesens, die “Vereinigung der Serien” darstellen sollte, mußte man sich mit einigen ärmlichen Hütten für Wohnräume und Werkstätten begnügen. Das war schon an und für sich eine große Enttäuschung und dämpfte den Enthusiasmus der Pioniere beträchtlich, das denn auch keinen langen Bestand hatte.

Villermé hat die Einzelheiten dieses unglücklichen Versuches ziemlich genau beschrieben, und aus seiner Darstellung treten die Ursachen des raschen Verfalls deutlich genug zutage. Vor allem hatte man bei der Auswahl des Menschenmaterials keinerlei Vorsicht geübt. Man war der Ueberzeugung, daß die praktischen Methoden des Fourierismus auf jeden einzelnen die gleiche Wirkung ausüben müßten. Man begriff nicht, daß sklavische Gesinnung, persönliche Schwachheiten usw., die der Mensch im Laufe der Jahre und unter gewissen Umständen erwirbt, nicht mit einemmal ausgemerzt werden können, daß sie noch lange in seinem Charakter nachwirken und erst allmählich durch eine veränderte Umwelt beseitigt werden können. Vor allem aber fordert jede neue Idee ein gewisses Verständnis der Menschen und kann ihnen nicht rein äußerlich aufoktroyiert werden.

Unter den Menschen, die in der “Colonie Societaire“ an der Arbeit waren, gab es drei verschiedene Kategorien. Es gab dort Leute, die neben dem guten Willen und der inneren Ueberzeugung auch die Fähigkeiten besaßen, organisatorisch und praktisch zu wirken und sich jeder Tätigkeit anzubequemen, solange sie dieselbe für notwendig erachteten. Doch dieses Element bildete nur eine kleine Minderheit. Des ferneren gab es dort eine Schar junger Enthusiasten, die sich zwar für die neuen Ideen sehr begeisterte, die aber nie in ihrem Leben irgendwelche physische Arbeit verrichtet und sich das praktische Wirken in dem neuen Gemeinwesen ganz anders vorgestellt hatte. Sie hatte sich die ganze Zeit an schönen Worten berauscht und ihrer Phantasie die Zügel schießen lassen und sah sich mit einemmal in die Notwendigkeit versetzt, ihre physischen Kräfte für Dinge einzusetzen, von denen sie bisher keine Ahnung hatte. Natürlich wurden sie durch den plötzlichen Unterschied zwischen Traum und Wirklichkeit, dessen sie sich früher nie versehen hatte, sehr ernüchtert und verlor umso leichter den Mut.

Die schlimmsten Erfahrungen aber machte man mit den gewöhnlichen Tagelöhnern, die überhaupt keine Ahnung von den Ideen des Fourierismus hatten und infolgedessen sich in die neue Umgebung gar nicht hineinfinden konnten. Getreu den Prinzipien Fouriers hielt man diese Leute zu einer fortwährenden Veränderung der Beschäftigung an, ohne daß ihnen der Nutzen oder die Zweckmäßigkeit derselben klar wurde. Für gewöhnliche Feldarbeiter, die von frühester Jugend auf an ihre Arbeit gewöhnt waren und die nie etwas anderes in ihrem Leben kennengelernt hatten, mußte es in der Tat etwas ganz Unfaßbares sein, wenn sie einen Tag angehalten wurden, auf dem Felde zu arbeiten, den anderen Tag Hausarbeit verrichten und den dritten Tag sich gar mit Musik und Gesang beschäftigen sollten. Da ihnen der Zweck der ganzen Uebung nie recht klar wurde, so mußte ihnen das ganze Leben in dem neuen Gemeinwesen als eine groteske Ueberspannung erscheinen. Sie machten die Dinge mit, weil sie dabei ihr Brot verdienten, ohne ihnen innerlich nahezustehen. So kam es, daß dem ganzen Unternehmen außer den materiellen Unzulänglichkeiten, mit denen es zu kämpfen hatte, der innere Kontakt fehlte. Die Folge war ein immer größeres Chaos, bis sich zuletzt alles in Wohlgefallen auflöste.

Auch der zweite große Versuch, der im Jahre 1841 bis 1842 in Citeaux bei Dijon unternommen wurde, scheiterte an ähnlichen Ursachen, obwohl die materiellen Bedingungen besser waren als auf dem Gute Baudet-Dularys. Hier hatte ein Engländer namens Arthur Young, ein überzeugter Anhänger der Lehre Fouriers, einen großen Grundbesitz von 1300 Hektar fruchtbaren Bodens gekauft, auf dem bereits schon verschiedene geeignete Baulichkeiten vorhanden waren, teils neue errichtet wurden. Young hatte das Unternehmen als kooperative Gesellschaft begründet und hielt sich ziemlich an die rechtlichen und technischen Vorschriften des Meisters. Der Vorsicht halber aber behielt er sich die Leitung des ganzen Unternehmens vor. Young hatte im Laufe von acht Monaten nicht weniger wie 800.000 Franken in die junge Kolonie gesteckt, aber der Mangel an geeignetem Menschenmaterial brachte das Unternehmen zum Scheitern. Es wiederholten sich dieselben Erscheinungen wie in Condé sur Vosges. Aus diesem Grunde fehlte von Anfang an der innere Zusammenhang, der allein einem solchen Unternehmen erst Existenzmöglichkeiten geben konnte. Nach acht Monaten hatte sich Young von der Unfruchtbarkeit vollständig überzeugt und verkaufte das Grundstück und alles was drum und dran war, so daß auch dieses Unternehmen sein Ende fand.

In Spanien hatte der Fourierismus seit 1836 Eingang gefunden, besonders in Andalusien. Sebastian Abreu, ein ehemaliger Republikaner, der 1823 in den Cortes für die Absetzung des Tyrannen Fernando VII. gestimmt hatte, hatte sich infolge der siegreichen Reaktion nach Frankreich geflüchtet, wo er persönlich mit Fourier bekannt wurde. Er beteiligte sich auch an dem verunglückten Experiment in Condé sur Vosges, dessen Fiasko seinen starken Glauben an die Lehre des Meisters nicht erschüttern konnte.

Nach Spanien zurückgekehrt, setzte er sich für die Ideen Fouriers ein, und es gelang ihm, eine ganze Anzahl Intellektuelle für seine Ideen zu gewinnen. Aber nicht nur Intellektuelle, in Andalusien schloß sich auch eine größere Zahl Feldarbeiter der jungen Bewegung an. Anfangs der vierziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatte die Bewegung in Andalusien einen solchen Umfang angenommen, daß man die Zeit für gekommen hielt, einen praktischen Versuch zu machen. Im Gegensatz zu den Versuchen in Frankreich waren die spanischen Fourieristen geneigt, sich ganz an die praktischen Ideen des Meisters zu halten und planten ein Experiment im großen Maßstabe. Don Manuel Sagracia de Veloy, ein reicher Kaufmann aus Cadiz, hatte zu diesem Zwecke die riesige Summe von fünf Millionen Pesetas aufgebracht und bereits alle Vorbereitungen getroffen, bei dem Oertchen Tampul, nicht weit von Xeres de la Frontera, ein Phalanstère ins Leben zu rufen. Als alle Vorbereitungen bereits getroffen waren, griff die Regierung plötzlich ein und legte dem Unternehmen so viel unüberwindliche Schwierigkeiten in den Weg, daß die Fourieristen Andalusiens gezwungen waren, ihren Plan aufzugeben. Später geriet die sozialistische Bewegung in Spanien auf andere Wege, so daß man von weiteren Versuchen in dieser Richtung absah.

Ein großer Versuch wurde auch noch in Algier gemacht. Dort hatten Fourieristen 1300 Hektar Land erworben und darauf Gebäude im Werte von 450 000 Franken errichtet. Hier waren die Ergebnisse versprechender, aber das Klima vereitelte bis zu einem hohen Grade das Gelingen, so daß auch dieses Experiment keine Früchte tragen konnte.

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