„Rot wie die Farbe unserer Pässe – das Symbol der erzwungenen Migration“

Die Feminisierung des Prekariats führte im letzten Jahr zu massiven Protesten und zu einer neuen Welle der internationalen feministischen Streikbewegung. Auch in Deutschland kämpfen Frauen innerhalb der Bewegung Marea Granate – gegen die spanischen Verhältnisse und ihre dadurch erzwungene Migration.

Marea Granate (aus dem Spanischen ‚granat-rote Flut‘) ist eine transnationale, unparteiische und feministische Bewegung, die aus dem „Empört euch“–Kollektiv entstanden ist. Sie stellt den Kampf von Einwander*innen spanischer Staatsangehörigkeit und deren Sympathisant*innen dar, die diesen außerhalb ihres Geburtslandes gegen die Ursachen und die Verursacher führen. Die Ursachen, die zu der wirtschaftlichen und sozialen Krise geführt haben, haben auch dazu geführt, dass vielen Menschen eine Auswanderung aufgezwungen wurde.

Die Bewegung versteht sich als horizontale Bewegung, die sich regelmäßig in virtuellen bzw. persönlichen Vollversammlungen trifft, sowohl lokal als auch global. Mitmachen darf jede, die die Ziele teilt und die Art der Organisation akzeptiert. Es gibt verschiedene internationale Arbeitsgruppen zu Themen wie der Gesundheitsversorgung, dem Wahlrecht, der Kommunikation sowie eine feministische Arbeitsgruppe Femigrantxs. Diese ist verantwortlich für die internationale Verbreitung des großen feministischen Streiks, der am 8. März 2018 in Spanien stattfand. Die regelmäßigen Treffen finden im Lokal der FAU-Düsseldorf, in der Volmerswerther Straße 6 in 40221 Düsseldorf statt.

Feminisierung der Prekarisierung

Im Jahre 2008, oder vielleicht auch schon früher, kam die„ unsichtbare Hand“ aus Brüssel auf. Ihre Botschaft war eindeutig: Der Euro musste geheilt werden, und das beste Rezept, zweifellos, war die Austerität. In Spanien war die Durchsetzung streng und die Nebenwirkungen waren sozial total inakzeptabel. Die Erziehung, die Gesundheit, der soziale Schutz und die liebgewonnene Gleichberechtigung der Geschlechter, mussten schwer leiden. Die Austeritätspolitik „hat viele Frauen in die traditionelle Rolle der Unterordnung gedrängt und ihre Situation im wirtschaftlichen, sozialen und politischen Leben verschlechtert“. Dies belegen CEDAW-Berichte, die die Gründe – hauptsächlich in den Kürzungen des Gleichstellungsbudgets von 47,6 % in den Jahren 2009 bis 2016 sehen [1]Ana Encías, El Salmón Contracorriente, 2016, Así influyen en las mujeres los Presupuestos Generales para 2016[2]Institut der spanischen Regierung.

Die Arbeitsreform von 2012 bedeutete zudem eine tiefgreifende Prekarisierung der Arbeit. Der Markt müsse noch flexibler sein: die Senkung der Löhne, eine Reduzierung von Abfindungen, die Vereinfachung von Kündigungen, der Abbau von Sozialleistungen und die Zunahme befristeter Anstellungen waren die Folge.

Statistische Analysen zeigen eine sehr dramatische Situation: die Feminisierung der Prekarisierung. Ungefähr 75% der Teilzeit und der befristeten Arbeitsstellen werden von Frauen ausgeübt. Obwohl das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern seit einigen Jahren gesunken ist, verdienen Frauen durchschnittlich 22,35% weniger als Männer. Die Frauenarbeitslosenquote wächst schneller als die der Männer und ist circa 3,5 % höher. Außerdem wurde das Arbeitslosengeld stark reduziert, um genau zu sein 22% weniger [3] Institut der spanischen Regierung[4]La ONU reprocha a España el „grave y desproporcionado“ impacto de la austeridad en las mujeres[5]Radiografía de una ignominia: la brecha salarial, al detalle.

Im Jahr 2010 wurde das Ministerium für die Gleichstellung der Geschlechter abgeschafft. Dieses Ministerium war verantwortlich für die Koordination, die Einführung und die Ausführung der Gleichstellungspolitiken. Heute fehlt das Geld zum Beispiel für Programme gegen geschlechtsspezifische Gewalt: 2016 erhielten nur 426 Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt (das sind 0,33% der Klägerinnen) eine finanzielle Unterstützung. Unternehmen, die ein Opfer von Gewalt einstellen, erhalten eigentlich einen Zuschuss zum Sozialversicherungsbeitrag. 2014 wurden jedoch nur 744 Arbeitsverträge auf diese Weise subventioniert (dies entspricht 0,6%). Der Haushaltsplan, aus welchem auch qualifiziertes Personal bezahlt wird, hat gerade mal für das Gehalt von rund 150 Spezialist*innen, wie Berater*innen, Therapeut*innen etc. in ungefähr 7.000 Gemeinden gereicht [6]Ana Encías, El Salmón Contracorriente, 2016, Así influyen en las mujeres los Presupuestos Generales para 2016.

Struktureller Hindernisse bekämpfen

Es gibt praktisch keine Sozialhilfe für betreuungs- und pflegebedürftige Personen. In den meisten Fällen wird diese Verantwortung von Frauen übernommen. Zusätzlich stellt das eine zusätzliche Belastung für diese Frauen dar und zeigt, dass häusliche Pflege und Hausarbeit heutzutage noch immer eher die Fragen der Frauen sind. Strukturell ist dies ein schwerwiegendes Hindernis für die Schaffung gleicher Beschäftigungsmöglichkeiten dar. Das bestätigen auch die Daten: 95% der Menschen, die sich außerhalb des Arbeitsmarktes befinden, um sich der Pflege von Angehörigen zu widmen, sind Frauen [7]Marta Borraz, eldiario.es, 2015, La ONU reprocha a España el „grave y desproporcionado“ impacto de la austeridad en las mujeres.

Auch die Verlängerung der Elternzeit für Väter wurde erneut verschoben und führte dazu, dass 94% der Elternzeit im Jahr 2014 von Müttern genommen wurde [8]Ana Encías, El Salmón Contracorriente, 2016, Así influyen en las mujeres los Presupuestos Generales para 2016. 2015 waren es 92% [9]Ebd.. Das spiegelt die Ungleichheit in der Kinderbetreuung wieder, was wiederum zu einer prekären Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt führt und häufig mit Teilzeitbeschäftigung und verkürzten Arbeitszeiten verbunden ist. Damit wird nicht nur das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern aufrechterhalten, sondern auch die zukünftig immer noch kleinere Altersrente für Frauen. Eine gute Lösung dafür wäre eine gleichberechtigte und nicht übertragbare Elternzeit für Mütter und Väter.

Die Geißel der Gewalt

Auch die Gewalt gegen Frauen ist zu einer sozialen Geißel geworden, die das dramatischste Bild des Sexismus zeichnet. Die Zahl der Opfer, die in Spanien von 1999 bis 2016 gezählt wurden, beträgt 1091[10]Ana Encías, El Salmón Contracorriente, 2016, Así influyen en las mujeres los Presupuestos Generales para 2016. – Machismo tötet!

Aus all diesen Gründen und aus vielen weiteren Gründen wurde am 8. März 2018 in Spanien ein feministischer Arbeiterstreik ausgerufen, der ein historisches Wahrzeichen der Welt darstellt, immer unter Berücksichtigung und mit der Erinnerung der mehr als 1000 Frauen, die nicht teilnehmen konnten, weil der Sexismus sie getötet hat. Daher denkt immer daran:

Wenn wir stillstehen, steht die Welt still!

 

Mehr Infos über mareagranate gibt es unter: www.mareagranate.org, bei Facebook und Twitter: Marea Granate NRW

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