Dribbeln, flanken, organisieren

Auch für Sportler bringt Courage am Arbeitsplatz Risiken mit sich. Für seinen Kung-Fu-Kick gegen einen rassistisch pöbelnden Nazi erhielt Eric Cantona 1995 ein halbjähriges Berufsverbot.Sie ist naturgemäß eine der kleinen Gewerkschaften hierzulande: die Spielergewerkschaft Vereinigung der Vertragsfußballer (VDV). Hinter die Kulissen des Fußballbetriebs blickte die DA zusammen mit VDV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky.

Wie gestaltet sich heute die soziale Situation von Profifußballern in Deutschland?

In den ersten vier Ligen sind etwa 2.500 Profis hauptberuflich beschäftigt. Knapp 10% davon verdienen so viel, dass sie am Ende ihrer Karriere ausgesorgt haben. Dem stehen aber gut 25% entgegen, die insbesondere am Karriere-Ende erhebliche Probleme haben, oft hoch verschuldet sind und den Sprung ins Berufsleben nicht schaffen. Dazwischen verteilen sich alle denkbaren Abstufungen.

Ein Hauptproblem besteht darin, dass viele Spieler, die zumeist als sehr junge Menschen ihre Laufbahn als Profisportler beginnen, ihre Berufsausbildung vernachlässigen. Die Bereitschaft zur beruflichen Fortbildung während ihrer aktiven Zeit ist zudem relativ gering – nur rund ein Viertel der Spieler kümmert sich darum. Solange kein direkter Leidensdruck da ist, blenden viele mehr oder minder aus, wie es mit ihnen nach der Profikarriere weitergehen soll.

Von welchem Gehaltsniveau muss man eigentlich ausgehen?

Ein sehr kleiner Teil bezieht Gehälter, die sich monatlich im sechsstelligen Bereich bewegen. Das betrifft grundsätzlich nur Spitzenspieler der Topclubs der ersten Liga, die auch international spielen. Doch schon zum Mittelfeld der ersten Liga nehmen die Gehaltshöhen erheblich ab, dieser Trend setzt sich in der zweiten Liga fort. In der dritten erzielen Spieler schon eher Durchschnittsgehälter, in der vierten Liga arbeiten nicht wenige sogar auf Minijob-Basis, müssen dafür aber an durchschnittlich sechs Tagen pro Woche zur Verfügung stehen. Für die dritte Liga gehe ich davon aus, dass aufgrund der wirtschaftlichen Lage die Bezüge bei Neuverträgen eher sinken. Was die Regionalliga angeht, stellen wir sogar eine Tendenz zur Deprofessionalisierung fest.

Worin bestehen die wichtigsten Tätigkeitsfelder der VDV?

Die VDV wurde 1987 von Profis für Profis gegründet, und ist mittlerweile auch von DFB, Ligaverband und DFL als Gewerkschaft anerkannt. Wir bieten beispielsweise an, den Spielern bei ihrer Karriereplanung zur Seite zu stehen. Dafür beschäftigen wir mit Frank Günzel einen eigenen Laufbahncoach, der Spieler ausführlich berät, sowohl in Gruppenkursen als auch in Einzelgesprächen. Dabei geht es von Anfang an darum, zu sehen, welche Möglichkeiten der jeweilige Lebenslauf für ein Berufsleben nach der Sportlaufbahn aufweist und wo Defizite liegen, etwa welche Abschlüsse fehlen und wie diese nachgeholt werden können – z. B. im Fernstudium.

Auch im Umgang mit Behörden, Gesprächen mit den Arbeitsagenturen und Bewerbungen unterstützen wir unsere Mitglieder, die wirtschaftlich und bei der Arbeitssuche oft unter enormem Druck stehen. Ferner arbeiten wir intensiv mit Bildungsträgern zusammen, um z. B. Fernkurse passgenau für Fußballprofis zu gestalten. Momentan kümmern wir uns auch darum, für ausländische Kollegen englischsprachige Angebote zu erstellen.

Wie hilft die VDV arbeitslosen Spielern weiter?

Wir veranstalten ein Trainingscamp für vereinslose Spieler und Rekonvaleszenten, das derzeit im Sommer stattfindet und etwa drei Monate dauert. Die Spieler erhalten hier auch die Möglichkeit, sich mittels Datenbanken und Videos Spielervermittlern zu präsentieren. Wir selber sind nicht vermittelnd tätig. Die Aussichten sind nicht schlecht, zuletzt konnten 85% wieder einen Verein finden.

Ab wann müssen sich Nachwuchsspieler mit den Problemen des Profigeschäfts auseinandersetzen?

Wir suchen auch die Nachwuchsleistungszentren auf, halten dort Vorträge und organisieren Kurse, um die Jugendspieler frühzeitig über ihre Chancen und Risiken zu informieren. Besonders achten wir darauf, dass die Vereine ihre Nachwuchsspieler anhalten und darin unterstützen, ihren Schulabschluss zu machen. Die meisten Vereine leisten hier gute Arbeit.

Mit unserem neuen Projekt „Fit for Job“ sprechen wir gezielt Eltern und Nachwuchsspieler an, um sie auf den Beruf als Fußballprofi vorzubereiten. Natürlich gelingt nur den wenigsten der Sprung in den Vollprofi-Bereich, aber in den Halbprofi-Bereich doch einigen. Und da ist es wichtig zu wissen: Wie verhalte ich mich, wenn der erste Spielervermittler vor der Tür steht, wer darf überhaupt mein Berater sein, was für Verträge kann ich abschließen, wie bin ich abgesichert, wie muss ich mich privat absichern, wie ist das mit der Vereinbarkeit von Beruf und Profifußball? Da versuchen wir, Eltern und Jugendliche zu sensibilisieren.

Wie steht die VDV zu Spielervermittlern?

Jeder Spieler muss selbst entscheiden, ob er die Dienste eines Spielervermittlers in Anspruch nehmen will. Viele Profis fühlen sich alleine in Vertragsgesprächen überfordert und sind dann dankbar für professionelle Unterstützung. Seriöse Spielervermittler leisten oft gute Arbeit, kosten aber auch entsprechend viel Geld. Warnen müssen wir hingegen vor den schwarzen Scharfen der Branche.

Zuletzt wurde in den Medien verstärkt über psychische Probleme von Fußballprofis berichtet. Inwiefern gibt es einen Zusammenhang mit der sozialen Situation?

Die körperlichen und seelischen Belastungen sind im Profifußball sehr hoch. Psychische Probleme aufgrund von Leistungsdruck und Zukunftsängsten sind viel weiter verbreitet als allgemein bekannt und treten zum Teil sehr massiv auf. Die Spieler sprechen darüber oft nur unter vorgehaltener Hand. Wir selbst bieten professionelle psychologische Beratung an, auch anonym. Hier sind aber vor allem die Vereine gefordert.

Wie stark ist das aktive Engagement eurer Mitglieder?

Wir sind keine Firma, kein Dienstleister, sondern eine Gewerkschaft, die von ihren Mitgliedern mitgestaltet wird. Viele Profis engagieren sich intensiv, bringen neue Ideen für Projekte und Kampagnen ein, machen auf Probleme aufmerksam. Auch unter den prominenten Spielern gibt es viele, die auf Solidarität setzen. Spieler wie etwa unser Spielerratsmitglied Gerald Asamoah oder unser Vizepräsident Christoph Metzelder sind hier regelrechte Meinungsbildner.

Wie sieht es im Frauenfußball aus? Gibt es Überlegungen, in Deutschland eine Profiliga einzuführen?

Während sich die Frauennationalmannschaft bereits große Sympathien und hohe Reichweiten erspielt hat, gilt es nun, auch den Frauen-Klubfußball weiter voranzubringen. Dies wird allerdings kein leichter Weg, denn für die meisten Spielerinnen in der Frauen-Bundesliga ist der Fußball bisher eher Hobby als Beruf. Insbesondere durch die WM im eigenen Land eröffnen sich dem Frauenfußball in diesem Jahr aber neue Chancen auf dem Weg der Professionalisierung. Bei der VDV sind natürlich auch die Bundesliga-Frauen herzlich willkommen.

 

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