Kann ich einfach zu Hause bleiben, wenn ich im Betrieb ständig runtergemacht werde?
Nicht sofort. Zuerst muss eine Beschwerde an der „zuständigen“ Stelle erfolgen. Das ist natürlich schwierig, wenn zum Beispiel das Mobbing vom Inhaber, der oder die auch Unternehmensleiter oder -leiterin ist, ausgeht. In dem Fall ist es sinnvoll ein Mobbingtagebuch zu führen. Die Beschwerde muss in jedem Fall nachweislich vorgebracht werden. Dies kann zum Beispiel auch mit Zeugen sein. Diese müssen keine Betriebsangehörigen sein, sollten aber auch nicht zur Familie gehören, weil dies für die spätere Beweisführung ungünstig sein kann. (Wenden Sie sich also vertrauensvoll an das FAU-Syndikat in Ihrer Nähe.)
Dann muss der Arbeitgeber Gelegenheit haben diesen Missstand abzustellen. Geschieht das nicht, kann man die Arbeit verweigern, ohne Lohneinbußen hinnehmen zu müssen. Dies gilt insbesondere auch für sexuelle Belästigung. Eine Besonderheit in diesem Gesetz ist, dass der Arbeitgeber beweisen muss, dass die Belästigung oder Diskriminierung nicht stattgefunden hat. (§ 14 AGG)
Kann das „Syndikat in meiner Nähe“ auch helfen, wenn an meinem Arbeitsplatz zum Beispiel Frauen, Ausländer und Ausländerinnen oder Menschen aus Baden-Württemberg diskriminiert werden?
Bei den Menschen aus Baden-Württemberg bleibt letztendlich nur, dass diese wie oben beschrieben einzeln in die Leistungsverweigerung gehen. Wenn es aber um Diskriminierung von Angehörigen eines Geschlechtes geht, oder einer Gruppe von Menschen mit einer bestimmten Orientierung, Behinderung oder ethnischen Herkunft, hat eine Gewerkschaft die Möglichkeit darauf zu klagen, dass der Arbeitgeber diese Diskriminierungen unterbindet. (§ 17 AGG)
Wenn jemand diskriminiert wird, weil er einen besonders großen Bauchumfang hat, gilt da dasselbe wie bei der Diskriminierung der Baden-Württemberger?
Das kommt auf verschiedene. Faktoren an. Eine Gruppe, die durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geschützt werden soll, sind Behinderte. Es ist aber nicht vollständig geklärt, was alles unter Behinderung zu verstehen ist. In Dänemark klagte ein Tagesvater mit Hilfe seiner Gewerkschaft gegen die Kündigung durch die Gemeinde (In Dänemark gibt es auch Tagesmütter und Tagesväter, die bei der Gemeinde angestellt sind und von ihr die Kinder zugewiesen bekommen). Beim Kündigungsgespräch soll seine Fettleibigkeit zur Sprache gekommen sein soll. Im Sinne der Definition der Weltgesundheitsorganisation galt der Tagesvater als adipös. Das dänische Gericht übergab die Frage, ob dies eine Behinderung sein könnte, dem EuGH.
Dieser entschied, dass Adipositas durchaus als Behinderung im Sinne der „Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf“ (RL2000/78/EG) werden kann. Es gebe zwar keinen allgemeinen Grundsatz, der als solcher Diskriminierungen wegen Fettleibigkeit verbiete, jedoch „falle Adipositas unter den Begriff ‚Behinderung‘, wenn sie unter bestimmten Bedingungen den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindere. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer aufgrund eingeschränkter Mobilität oder aufgrund Auftretens von Krankheitsbildern, an der Verrichtung seiner Arbeit gehindert oder bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit beschränkt sei.“ Damit kann Diskriminierung durchaus ein Klagegrund für eine Gewerkschaft sein. (Urteil des EuGH vom 18.12.2014, Az. C-354/13)
Und Klagerecht hat die Gewerkschaft sicher auch, wenn der Arbeitgeber sich nicht an die Bestimmungen im Tarifvertrag hält, oder?
Gewerkschaften können lediglich auf Unterlassung klagen, wenn zum Beispiel ein Betriebsrat eine Vereinbarung trifft, die dem Tarifvertrag zuwider läuft, oder trotz Tarifbindung nicht die Löhne gezahlt werden, die im Tarifvertrag vereinbart sind. Allerdings kann die Gewerkschaft dann mit dem Urteil nicht allzuviel anfangen. Zum Beispiel gegen den Stundenlohn, der unter dem im Tarifvertrag liegt, kann wieder nur der einzelne Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin klagen. Natürlich kann er oder sie sich durch einen Rechtssekretär oder eine Rechtssekretärin vertreten lassen. Sammelklagen wie in den USA gibt es in Deutschland allerdings nicht. Das heißt jeder und jede muss einzeln klagen.
(BAG-Urteil, 18.04.2012, 4 AZR 371/10 , BAG-Urteil, 20.04.1999, 1 ABR 72/9, § 11 Abs. 2 Satz 2 Punkt 4)
Gewerkschaften sind doch aber immer wieder vor Gericht, wann kann denn eine Gewerkschaft als Gewerkschaft sinnvoll klagen?
Dass Gewerkschaften in manchen Zeiten oft vor Gericht sind, liegt daran, dass es viele Möglichkeiten gibt, gegen Gewerkschaften zu klagen. Dann muss sie sich natürlich verteidigen. Die Möglichkeiten von Gewerkschaften, im eigenen Namen Klagen einzureichen, sind eher gering. Auch im neuen Mindestlohngesetz ist dazu nichts vorgesehen. Neben dem Beispiel in der zweiten Frage kann eine Gewerkschaft auf Zugang in Betrieb oder das „schwarze Brett“ und freie Betätigung im Betrieb klagen. Eine Gewerkschaft kann auch einen Antrag auf Absetzung des Betriebsrates stellen. Gewerkschaften können auch gegen andere Gewerkschaften wegen Fragen der Zuständigkeiten und des Gewerkschaftsstatus klagen. Natürlich auch, wenn es um ihre eigenen Interessen geht – wie zum Beispiel die Klagen gegen das „Tarifeinheitsgesetz“ vor dem Bundesverfassungsgericht. (§§ 2,23 BetrVG)