In der letzten Zeit wird viel über die ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse in Ländern des globalen Südens gesprochen, von denen oft gerade die liberale umweltbewusste Mittelschicht besonders profitiert. Dazu gehört auch die Bambus-Produktion.
Bambuszahnbürsten und Bambusstrohhalme werden mittlerweile als ökologische Alternative für viel Geld angeboten. Jetzt zeigt der Dokumentarfilm des deutsch-bengalesischen Regisseurs Shaheen Dill-Riaz die ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse, denen Bambusarbeiter, es sind ausschließlich Männer, in ihrer Heimat ausgesetzt sind. Er begleitet eine Gruppe von Arbeitern bei ihrer gesundheitsgefährdenden Arbeit. Das beginnt schon beim Schneiden der Bäume, wo sie mal gegen einen störrischen Elefanten, mehr noch aber gegen von anderen Firmen angeheuerte Arbeiter kämpfen müssen.
Monatelang müssen sie auf den Bambus-Flössen leben, man sieht, wie sie das Essen zubereiten, wie sie sich gegen Blutegel und andere Tiere mehr schlecht als Recht wehren können. Sie sprechen davon, wie gerne sie jetzt bei ihren Familien leben würden. Aber die Bambus-Fahrten sind nun mal ihr Job. Dass sie der Polizei Schmiergeld zahlen müssen und dann noch mal die Flußpiraten abkassieren, gehört ebenfalls zu ihrem Alltag. Doch schnell wird klar, dass sie und ihre Familien von dem Geld, dass sie verdienen, kaum überleben können. Dabei sind die Männer immer in Alltagsarbeit verstrickt, so dass sie sich selten über ihre Arbeitsbedingungen austauschen.
Doch einmal sieht man einige Minuten im Film eine Szene, die der Beginn einer Organisierung sein könnte. Die Männer sprechen darüber, warum der Bambus so teuer verkauft wird und sie nicht einmal das Nötigste zum Leben haben. Und sie denken darüber nach, dass sie tatsächlich Macht haben. Wenn sie nicht mitmachen, kommt der Bambus nicht an. Doch schnell wird wieder über anderes gesprochen. Aus dem Unmut über ihre Arbeitsbedingungen entwickelt sich kein Widerstand. Keine Gewerkschaft der Bambus-Arbeiter ist in Gründung.
Warum das so ist, erfährt man im Film nicht, aber nachher bei der Premierenfeier. Da berichten einige Kolleg*innen des Regisseurs, dass ein solcher Film im Bangladesch kaum gezeigt werden könne. Die von den Staatsorganen geförderte Islamisierung setze sich fort und bedrohe noch die letzten Orte einer liberalen Kultur. Im Film sieht man wenig religiöse Symbolik.
Die Frauen der Bambusarbeiter scheinen viel couragierter als die Männer. Sie erklären sehr drastisch ihre schweren Lebensbedingungen und kritisieren auch ihre Männer, die keine Schulbildung haben und deshalb die schlechten Arbeiten machen müssen. Einer der Arbeiter erklärt, sein Vater habe viel Geld für seine Bildung investiert, aber er habe lieber mit Gleichaltrigen gespielt anstatt zur Schule zu gehen. Jetzt will er verhindern, dass sein Sohn in seine Fußstapfen tritt. Doch als er nach mehreren Wochen von der Arbeit nach Haus kommt, erfährt er, dass sein Sohn, statt in die Schule zu gehen, die Ziegen hütet.
Wir sehen hier eine konservative Gesellschaft, ohne sozialen Widerstand, die diese Ausbeutung zur unhinterfragten Normalität werden lässt. Der Film könnte in Zeiten, in denen die umweltbewusste liberale Mittelschicht vermehrt auf Bambusprodukte zurückgreift, eine Diskussion über die Verbindung zwischen der imperialen Lebensweise im globalen Norden und der Ausbeutung in den Ländern des Südens darstellen. Dabei müsste allerdings der heute oft unreflektiert benutzte Begriff der imperialen Lebensweise in einen Klassenbezug gesetzt werden. Bambusstrohhalme und Bambuszahnbürsten werden nicht bei einkommensschwachen Menschen, sondern bei der gut verdienenden Mittelschicht als umweltfreundliches Produkt entdeckt. Genau diese Mittelkasse interessiert sich häufig wenig für die globalen Ausbeutungsverhältnisse, so sie wie in Bamboo Stories am Beispiel der Bambusgewinnung dargestellt werden.
Bamboo Stories, Sabat. Media, Regie: Shaheen Dill-Riaz. Bangladesch/Deutschland 2019, 96 Min.
Der Film ist schon angelaufen und läuft in Programmkinos. Hier finden sich die Kinos und Termine:
https://sabcat.media/termine/
Beitragsbild: „Bamboo Stories“. © Sabcat Media. 2019.