Ich möchte nicht mehr die sein, die sich für das emotionale Wohlbefinden ihrer Freund*innen verantwortlich fühlt, auch nicht diejenige, die sich allein darum kümmert, dass Konflikte oder Probleme innerhalb der Beziehungen angesprochen werden. Das soll nicht vermessen klingen. Ich weiß, dass ein Gespräch unter Freund*innen nicht allein ausreicht, um Probleme aus der Welt zu schaffen, ich diese Arbeit auch nicht alleine übernehme. Aber häufig bin es dann doch ich oder andere Frauen*, die diese Art von Kommunikation leisten.
Streik ist etwas Angekündigtes und auch ich habe meinen persönlichen Streik angekündigt. Mir geht es auch nicht um eine komplette Verweigerung emotionaler Arbeit, sondern um das Entwickeln einer gemeinsamen neuen Beziehungspraxis. Die langjährigen Verhaltensmuster zu durchbrechen, ist auch für mich nicht leicht, aber ich möchte nicht mehr meine Energie darauf verwenden, wie ein Helikopter empathisch mein soziales Umfeld zu durchleuchten. Sondern ich möchte darauf vertrauen, dass meine Freund*innen am besten wissen, wann sie Unterstützung brauchen und dies auch kommunizieren. Denn ich habe Lust und sehe die Notwendigkeit, eine andere solidarische Praxis der gegenseitigen Unterstützung zu leben, die müssen wir gemeinsam neu lernen.
Schon vor vielen Jahren ist mir bei der emotionalen Unterstützung ein Missverhältnis in der Rollenverteilung aufgefallen. Als ich mit meinen Freund*innen ein Hausprojekt gründete, hatte ich tagsüber wenig Zeit zum Bauen, kam abends nach der Arbeit nach Hause, habe meinen Freund*innen durch Gespräche Stress abgenommen und für Konflikte Lösungsanregungen gegeben. Häufig mehrere Stunden pro Abend. Diese Stunden habe ich als meinen Beitrag zum Hausbau benannt. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob meine Cis-Freunde (an dieser Stelle habe ich bewusst nicht gegendert) das anerkennen. Für mich war es Arbeit und es war anstrengend. Ich lebe seitdem mit vielen tollen Menschen zusammen und habe nur selten das Gefühl, dass Gender bei der klassischen Reproduktions-Arbeit eine Rolle spielt, aber bei der emotionalen Arbeit ist die Verteilung immer noch den Rollenklischees entsprechend.
Ich versuche seit einiger Zeit, mit der Thematik offen umzugehen und meine Cis-Freunde dazu anzuregen, untereinander auch über ihre Emotionen zu reden. Häufig erhielt ich als Antwort: „So funktioniert unsere Freundschaft nicht. Über so etwas reden wir nicht.“ ERNSTHAFT! Ihr kennt euch seit 10 Jahren, seid befreundet und arbeitet in politischen Kontexten eng zusammen, bezeichnet euch als profeministisch und findet keinen Weg, um über eure Gefühle und Ängste zu reden? Das war kein Einzelfall und das macht mir Angst!
Aber ich muss Vertrauen haben, dass aus vermeintlich profeministischen Aussagen, wie „Ich überlege auch schon seit Jahren, eine Gruppe zu kritischer Männlichkeit zu gründen“, auch ernsthafte Bemühungen entstehen, Freundschaften zu schaffen, in denen Männer sich nicht scheuen, sich über Emotionen und Probleme untereinander auszutauschen. Mich zumindest würde es entlasten. Ich möchte mir keine neuen Freund*innen suchen, sondern mit meinen jetzigen Freund*innen gemeinsam neue Wege zu einer solidarischen, feministischen, Gesellschaft erkunden und das schließt den emotionalen Support mit ein.