Wie können die Proteste der Bäuerinnen und Bauern solidarisch unterstützt werden?

Mehr als eine Woche war Mitte Januar die Zufahrt zum Brandenburger Tor von Traktoren blockiert. Nicht wenige hatten die Deutschlandfahnen aufgepflanzt und manche hatten Schilder mit Parolen angebracht, die durchaus als rechtsoffen zu klassifizieren sind. Doch sollte deswegen der gesamte Proteste in die rechte Ecke gestellt werden?

Diese Frage wurde von der Gruppe Perspektive Selbstverwaltung klar verneint. Die anarchistisch orientierte Berliner Organisation Perspektive Selbstverwaltung, die sich sowohl in der Mieter:innenbewegung, aber auch bei Arbeitskämpfen engagiert. Einige Aktive dieser Gruppe haben mit Schildern die Bäuer:innen begrüßt, die zum größten Protesttag am Brandenburger Tor nach Berlin fuhren. Neben der Initiative Grüne Gewerke in der FAU war Perspektive Selbstverwaltung eine der wenigen linken Gruppen, die sich in den Bäuer:innenprotesten engagierten und dafür auch Kritik erfuhren. Ihnen wurde sogar eine Querfront vorgeworfen. Auf solche Vorwürfe wurde allerdings auf einer Veranstaltung nur kurz eingegangen, zu der die Perspektive Selbstverwaltung am 19. Januar in einen Stadtteilladen in Berlin-Kreuzberg eingeladen hatte. Die Kritiker:innen waren dort auch nicht anwesend. Vielmehr fanden sich viele vor allem junge Linke ein, die die Proteste der Landwirt:innen nicht rechts liegen lassen wollten.

Unterschiedliche kulturelle Welten

Sie stellten sich die Frage, wie sich soziale und linke Initiativen stärker in diese Proteste der Landwirt:innen einbringen können und wo es überhaupt Berührungspunkte gibt. Erfreulich war, dass nach dem kurzen Input eines Aktiven bei Perspektive Selbstverwaltung in kleineren Arbeitsgruppen diskutiert wurde. Dort sprachen mehrere der Teilnehmer:innen das Problem an, dass sie von den Problemen in der Landwirtschaft sehr wenig wissen. „Wir kaufen die Lebensmittel im Supermarkt oder gar Online und wissen nicht mehr, unter welchen Bedingungen sie produziert werden“, brachte eine junge Frau ein Problem auf dem Punkt, den auch die SPD-nahe Schriftstellerin Juli Zeh, die seit Jahren auf dem Land wohnt, in einem Interview mit der Wochenzeitung der Freitag ansprach. Zeh fasste ihre Beobachtungen, die sie auch in einem Roman verarbeitet, so zusammen:

 „Aber die Bauern haben das Problem, dass sie es keinem recht machen können. Die arbeiten hart, wie viele andere auch, sie sind zum Teil in ihrer Existenz bedroht, wie manch anderer leider auch. Aber sie bekommen nicht nur keine Anerkennung, sondern eigentlich immer nur auf den Deckel. Alles, was sie machen, ist immer falsch. Daraus folgt solch ein Frustgefühl – und eine hohe Emotionalität, die sich dann natürlich einmal politisch entlädt.“

Allerdings fällt auch bei Zeh auf, dass sie den Begriff der Bauern nicht mehr differenziert. Das war bei der Diskussion im Kreuzberger Stadtteilladen anders. Ein FAU-Mitglied machte darauf aufmerksam, dass es bäuerliche Großunternehmen gibt, die Beschäftigte oft zu schlechten Arbeitsbedingungen schuften lassen. Viele dieser Erntehelfer:innen kommen aus dem Ausland. Sie waren bei den Protesten kaum zu finden. Aus einer linken und gewerkschaftlichen Perspektive sollten sie und ihre Forderungen nach besseren Löhnen und Arbeitsbedingungen besonders unterstützt werden. Das bedeutet aber nicht, dass sich linke Gruppen nicht auch an Protesten der Landwirt:innen in den letzten Tagen hätten beteiligen können. Dabei sind beispielsweise zahlreiche Blockaden von Discountern aber auch Auslieferungszentren von Amazon zu nennen. Es wurde auf dem Treffen daran erinnert, dass seit Jahren linke Initiativen unter dem Motto „Make Amazon Pay“ die Beschäftigten des Amazon-Konzerns in ihrem Kampf für mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen unterstützten. Seit einigen Monaten wehrt sich in Berlin zudem eine Initiative gegen den Amazon-Tower, ein überdimensioniertes Hochhaus in Berlin-Friedrichshain. „Warum war niemand von diesen Aktivist:innen anwesend, als die Bäuer:innen Amazon blockierten?“, war eine offene Frage auf dem Treffen. Da hätten also Forderungen der Beschäftigten in die Proteste getragen werden können.

Wir haben es satt – oder wie Erwerbslose und Landwirt:innen kooperieren

Schließlich wurde noch an die Initiative „Wir haben es satt“ erinnert, die vor 10 Jahren wesentlich von der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg ausgegangen ist. Die Idee dahinter ist einfach. Die Bäuerinnen und Bauern fordern höhere Preise für ihre Produkte. Damit sich Menschen mit geringen Einkommen diese Produkte noch leisten können, müssen die staatlichen Leistungen entsprechend angehoben werden. So protestierten Bäuer:innen und Erwerbslose gemeinsam für einen „Zugang zu gesunden, umwelt- und klimagerecht erzeugten Lebensmitteln für alle“. Das wäre die Grundlage für höhere Preise für die Landwirt:innen. Es zeigte sich, dass es also längst eine solidarische Kooperation zwischen Bäuer:innen und sozialen Initiativen gibt.

 

Titelbild: Perspektive Selbstverwaltung

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