Als die Lehrerin Kathy Ponzer im Februar gegen die Budget-Kürzungen in Wisconsin protestierte, gedachte sie nicht, eine massive Bewegung von ArbeiterInnen mit anzustoßen. Doch als sie hörte, dass der Bundesstaat ihr ihre Rechte und Löhne nehmen wollte – auf die sie, ihre drei Kinder und ihre KollegInnen zum Überleben angewiesen sind –, wusste sie, dass sie keine andere Wahl hatte als zu kämpfen.
„Die meisten von uns verdienen weniger als 50.000 Dollar im Jahr. Wir sind nicht reich, wir haben nur ein gewisses Auskommen“, sagte sie. Jetzt protestiert Kathy gegen die unlängst verabschiedete Gesetzgebung, die nicht nur harte finanzielle Einschnitte vorsieht.
Am 11. März unterzeichnete der Gouverneur des nördlich gelegenen US-Bundesstaats Wisconsin, Scott Walker, einen Gesetzentwurf zur „Budget-Sanierung“, der die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes ihrer Kollektivkompetenzen beraubt und nur noch Verhandlungen über Grundgehälter zulässt. Mit dem neuen Gesetz werden die ArbeiterInnen rechtlich kein Wörtchen mitzureden haben, wenn es um ihre Renten, Gesundheitsversorgung, Arbeitsschutz etc. geht. Walker behauptet, das Gesetz spare rund 30 Mio. Dollar ein und trage zum Abbau des 137 Mio. Dollar großen Haushaltsdefizits bei – die ArbeiterInnen sollen die Krise also aus ihrer Tasche bezahlen.
Walker hatte sein Vorhaben am 11. Februar vorgestellt. In den folgenden Tagen bekundeten Gewerkschaften und Bedienstete ihre Opposition zu dem Entwurf und seit dem 15. Februar kam es zu riesigen Protesten mit tausenden Demonstranten, die das Parlamentsgebäude – das Capitol – besetzten und landesweit Solidaritätskundgebungen bevölkerten. Dann eskalierte die Situation als 14 Senatoren der Demokraten ins benachbarte Illinois flüchteten, um die Verabschiedung des Gesetzes zu blockieren. Denn um ein fiskus-relevanten Gesetz zu verabschieden, müssen mindestens 20 Senatoren anwesend sein, wozu die verbleibenden Republikaner nicht ausreichten. In der folgenden Woche hielten die massiven Proteste an und aus der ganzen Welt gingen Soli-Erklärungen ein. Am 23. Februar beschloss die South Central Federation of Labour (SCFL), eine Föderation von mehr als 97 Arbeiterorganisationen mit 45.000 Mitgliedern, einen Generalstreik vorzubereiten – ein Entschluss, zu dem die IWW maßgeblich beigetragen hatte.
Da die Bevölkerung von Wisconsin weiterhin auf Trab war, blieben es auch die Politiker. Am 9. März strich eine Kommission einige fiskalische Elemente aus dem Gesetzesentwurf, den der Senat sodann verabschiedete – ein Manöver, das den Republikanern zufolge die Abstimmung ermöglichte, auch wenn keine Oppositionssenatoren anwesend waren. Schließlich ging das Gesetz am 10. zurück zum Parlament und wurde mit 53 zu 42 Stimmen bestätigt. Gouverneur Walker unterzeichnete den Text unverzüglich. Die Leute sind wütend, aber sie geben sich nicht geschlagen. Sie wissen, dass das Walker-Gesetz – das derzeit noch nicht in Kraft ist, sondern vor Gericht behandelt wird – nur ein Rückschlag in einem größeren Kampf ist.
Tags darauf, am 12. März kam es zur größten Demonstration in der Geschichte Wisconsins. Mehr als 100.000 ArbeiterInnen des öffentlichen und des privaten Sektors, Bürgerrechtler, Politiker, Studierende, GewerkschafterInnen und Leute als allen Lebenslagen versammelten sich auf den Straßen der Hauptstadt Madison. Sie forderten einen Generalstreik sowie die Rücknahme des Gesetzes und sangen Evergreens wie „Solidarity Forever“ und „Which Side Are You On?“. Da die Dynamik in Richtung Generalstreik in Wisconsin wächst, arbeitet die IWW mit Gewerkschaften des öffentlichen und privaten Sektors sowie mit Bündnispartnern zusammen, um dahin zu gelangen, ähnliche Gesetzesvorhaben im ganzen Land zu verhindern. Dem Beispiel Walkers folgen die Bundesstaaten Iowa, Michigan, Indiana, Ohio, Idaho, Missouri, Colorado, Nebraska, Tennessee und New Hampshire, um nur einige zu nennen.
In Indianapolis, im östlich von Illinois gelegenen Indiana, belagerten tausende GewerkschafterInnen über drei Wochen lang den Senat, um elf arbeiterfeindliche Gesetze zu verhindern. Dem Beispiel Wisconsins folgend, tauchten demokratische Senatoren in Illinois unter, um die Verabschiedung zu blockieren. So mussten die Republikaner das Verbot von sog. Closed Shops (siehe Direkte Aktion #191), das den schönen Titel „Recht auf Arbeit“ trägt, vertagen. Mitte März gingen auch in St. Louis (Missouri) mehr als 5.000 Zimmerleute, Hilfsarbeiter, Vorrichter, Kesselmacher, Lehrkräfte, Autoarbeiter, Trucker, Reinigungskräfte, Krankenschwestern, Polizisten, Glaser, Mechaniker und Elektriker gemeinsam gegen Gesetzespläne auf die Straße. Drei Tage später behandelte der Senat die Entwürfe – nach dreistündiger Debatte fanden die Republikaner jedoch keine ausreichende Mehrheit und vertagten die Abstimmung. Nahezu überall gibt es ähnliche Pläne, die Arbeiterhaushalte hart treffen würden: darunter das Verbot von Closed-Shops, die Begrenzung des Mindestlohns und die Aufweichung des Kinderarbeitsverbots.
Das IWW-Mitglied Christian Alexander aus Detroit (Michigan) meint, die wachsende Bewegung der ArbeiterInnen und die steigenden Gewerkschaftsaktivitäten ließen sich direkt auf Wisconsin zurückführen. „Der jüngste Aufschwung der gegen die Sparmaßnahmen gerichteten Opposition und insbesondere das großartige Engagement unserer KollegInnen in Wisconsin haben auch uns ermutigt, unsere Präsenz hier wieder aufzubauen und zu stärken.“
Diese Bewegung begann mit Lehrkräften wie Kathy Ponzer und anderen Bediensteten in Wisconsin, die nur ihre grundlegenden Rechte verteidigen wollten, aber einen Flächenbrand entfachten. Dieses Feuer brennt die Barrieren nieder, die uns nach „Rasse“, Religion, Geschlecht und politischer Überzeugung trennen. Wenn sie weiter einig steht, ist die US-Arbeiterklasse in der Lage, ihre Rechte, ihre Löhne und ihr Leben zurückzuerobern.