MitarbeiterInnen in kirchlichen Trägerschaften wie Caritas oder Diakonie sind deren Werten und Vorstellungen und der Loyalität zu diesen verpflichtet. Kirchliche Institutionen wiederum legen besondere Aufmerksamkeit auf ihr Image in der Öffentlichkeit. Die etwa eine Million ArbeitnehmerInnen von Diakonie und Caritas verpflichten sich den rigiden religiösen Moralvorstellungen ihrer Arbeitgeber, welche nicht selten den Vorstellungen des Grundgesetzes widersprechen: Statt Betriebsrat und Gewerkschaft gibt es die Mitarbeitervertretung, deren Handlungsspielraum im Vergleich zu dem von Betriebsräten erheblich beschränkt ist. Das Recht auf Streik wird abgesprochen durch die Formel, als kirchlicher Träger bereits ausreichend sozial zu sein.
Einzigartig dahingehend ist die Kündigung einer Erzieherin aus Neu-Ulm. Nach der Geburt ihres Kindes konnte sie ihre Homosexualität nicht länger verbergen und offenbarte, das Kind mit ihrer Lebensgefährtin großziehen zu wollen. Darauf folgte die unmittelbare Kündigung der Caritas Neu-Ulm mit der Begründung, dass sie ihrem Arbeitgeber gegenüber nicht loyal sei. Die Kündigung folgte trotz Elternschutz. Dagegen legte die Mutter Einspruch beim Augsburger Verwaltungsgericht ein, wo der Fall im Juni verhandelt wurde. Das Ergebnis: Erst nach Auslaufen des Elternschutzes, sprich nach einem halben Jahr, darf eine Kündigung erfolgen.
Zwar ist es in Deutschland gegenwärtig nicht alltäglich, dass Menschen aufgrund ihrer Sexualität ihren Job verlieren – im Fall der Erzieherin war dies jedoch ausschlaggebend, da die den moralischen Vorstellungen des kirchlichen Arbeitgebers nicht entsprach. Bis ins Private dringt diese Moral vor, die von ihren ArbeitnehmerInnen noch nach Feierabend Contenance verlangt. Die Arbeitsrechte der Beschäftigten kirchlicher Einrichtungen fallen damit oftmals klar hinter die Rechtsstandards des Grundgesetzes zurück.
Schockierend ist an dem Beispiel nicht nur die Tatsache, dass der Frau aufgrund ihrer Sexualität gekündigt wurde, sondern auch, dass es durch die Sonderregelungen des kirchlichen Arbeitsrechts keinen oder nur bedingten staatlichen Mindestschutz vor kapitalistischer Ausbeutung gibt, der sonst allen ArbeiterInnen zusteht. So ist das Recht der Kirche eine für den Kapitalismus günstige Institution, da es der entrechteten Maloche den Anschein verleiht, etwas Gutes zu sein, doch damit Ausbeutung zur Normalität ideologisiert.