Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) ist ein international arbeitendes konzernkritisches Netzwerk. Neben Aktionen, Kampagnen und sonstiger Öffentlichkeitsarbeit nimmt die CBG auch an den Hauptversammlungen der Bayer AG teil und konfrontiert die Konzernspitze und die Aktionäre mit den Schattenseiten der Profite.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren ist ja schon geradezu berühmt als konzernkritische Organisation, was die Größe, aber auch das über 30-jährige Engagement angeht. Wieso ausgerechnet der BAYER-Konzern?
Dass wir uns mit Bayer beschäftigen, hat seine Ursache in zwei großen Unfällen in Wuppertal im Jahr 1978. Damals waren Zehntausende von AnwohnerInnen betroffen. Einige AnwohnerInnen von diesen, darunter ich, gründeten eine Bürgerinitiative. Ein Jahr später kam es zu einer weiteren Explosion in Dormagen, und wir vernetzten uns mit den dortigen Protesten. Als Bayer in Brunsbüttel ganze Dörfer für ein neues Werk vom Erdboden tilgte, kam es auch dort zu Widerstandsaktionen. 1980 lasen wir in der Zeitung, dass Greenpeace einen Tanker von Bayer in der Nordsee blockiert, und so nahm die erste international abgestimmte Aktion ihren Lauf. So ist dann 1983 aus der Wuppertaler Bürgerinitiative das weltumspannende Selbsthilfenetzwerk der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) entstanden. In der Folge bekamen wir in aller Welt immer mehr Kontakte zu Gruppen und Personen, die sich kritisch mit dem in allen Ländern der Erde aktiven Konzern auseinandersetzen und Widerstand leisten. So ist Bayer heute der erste Konzern, der rund um den Globus und rund um die Uhr unter kritischer Beobachtung steht. Und dem weltweit koordinierter Widerstand erwachsen ist.Natürlich haben wir im Laufe der Zeit gemerkt, dass die Probleme bei Bayer mehr oder weniger, in der einen oder anderen Form auch bei anderen Konzernen gegeben sind. Deswegen verstehen wie unsere Arbeit als beispielhaft und auf alle Konzerne übertragbar. Wir haben oft versucht – und versuchen das auch heute noch –, Menschen zu mobilisieren, dass sie sich um andere Konzerne in der gleichen Weise kümmern, wie wir das bei Bayer tun. Wir helfen ihnen dabei und geben ihnen im Rahmen unserer Möglichkeiten Unterstützung. Aber bisher ging es leider nicht über ein paar Anläufe hinaus.
Konzernkritik birgt ja immer so eine gewisse Gefahr, den Kapitalismus mit seinem Wachstumszwang zu verkürzen. Problematisch ist es ja etwa bei Banken, die gerne mal als Feindbild dienen. Besteht nicht schon eine gewisse Tendenz bei Kritik an einer Branche bzw. einem Unternehmen?
Das ist tatsächlich ein Problem. Es gibt die Gefahr, dass alle Probleme auf „die Konzerne“ oder „das Finanzsystem“ verkürzt werden. Deshalb ist es wichtig, dass Konzernkritik eingebettet ist in Gesellschafts- und Systemkritik und dass die gesellschaftlichen Zusammenhänge immer mitthematisiert werden. Das tun wir bei der CBG. Wir verstehen uns als kapitalismuskritisches Netzwerk und thematisieren die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen mit ihrem Profitzwang mit. Wir haben sogar in den 80er Jahren mal ein Umbauprogramm für den Bayer-Konzern debattiert. Wir haben dann zum 125-jährigen Jubiläum des Konzerns einen Umbau-Kongress in Leverkusen organisiert, und da hat das eine große Rolle gespielt. Man kann einen Konzern nicht umbauen, ohne die Gesellschaft umzubauen. Wir bringen das auf die Formel, dass der Bayer-Konzern unter demokratische Kontrolle gestellt werden muss – wie alle Konzerne überhaupt. Und da wird sofort deutlich: Unsere konzernkritische Arbeit zu Bayer ist beispielhaft für die konzern- und gesellschaftskritische Arbeit insgesamt, mit „Verkürzung“ und „Branchenblindheit“ hat das nichts zu tun.
Auch thematisieren wir, dass hinter dem Konzern die Besitzer, die AktionärInnen, stehen. Man kann ganz allgemein sagen, dass die mittlerweile legendäre Handvoll von Ultra-Reichen, die die Hälfte des Weltvermögens besitzt, natürlich auch die Hälfte der Konzern-Aktien besitzt. Das ganze Gerede von der „Aktionärsdemokratie“ ist dabei nichts als Augenwischerei. Es gibt bei den Konzernen, so auch bei Bayer, tatsächlich Hunderttausende von AktionärInnen, aber 99,9 Prozent haben mit ihren paar Aktien nichts zu sagen. Sie sind nichts als Trittbrettfahrer, was ja auch schon schlimm genug ist. Im Kern aber ist es eine kleine Handvoll mächtiger Ultra-AktionärInnen, die bestimmen, wo es lang geht. Derzeit besitzen etwa Blackrock und Capital Group, zwei Finanzkonstrukte, hinter denen sich die oben genannten Ultra-Reichen anonym verbergen, 46 Prozent aller Bayer-Aktien. Sinnigerweise sind es dieselben Finanzkonstrukte, die die Europäische Zentralbank beraten, die die berüchtigten großen Rating-Agenturen besitzen – und die inzwischen ganz offen an allen DAX-Konzernen vergleichbare Pakete halten. Sie bestimmen – einzig im Gewinninteresse ihrer das Licht der Öffentlichkeit scheuenden „stockholder“ – über Wohl und Wehe der Welt.
Lass uns mal in eine entfernte Zukunft schauen. Wie kann Bayer in der Utopie in eurem Sinne aussehen?
Da haben wir keine endgültigen Vorschläge. Klar ist, wie bereits gesagt, dass der Bayer-Konzern unter demokratische Kontrolle gestellt werden muss und dass das Profitprinzip zugunsten eines Solidarprinzips gebrochen werden muss. Es muss also ein gesellschaftlicher Wandel her. Erst der wird eine Demokratie schaffen, die es ermöglicht, Bayer und die anderen Konzerne im Sinne der Mehrheit der Menschen zu kontrollieren. Die ganzen konkreten Fragen wie Produkte, Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit, Produktion usw. werden dann nicht ohne die Beschäftigten, ohne die Bevölkerung sowie ohne große gesellschaftliche Debatten zu lösen sein. Da werden ja Fragen angesprochen wie Ressourcenverbrauch, Konsumverhalten, Notwendigkeit von Großproduktion usw.
Wenn man über diese Zukunft sprechen will, kann man sagen, dass sie erstens noch in weiter Ferne liegt, und zweitens, dass wir uns aber dringend auf den Weg dorthin machen müssen, soll die Bayer-Produktion tatsächlich einmal umweltfreundlich, friedlich und sozial verträglich werden; rechtzeitig, bevor die Öko-Systeme zusammenbrechen und/oder Kriege allem ein Ende bereiten. Wir können heute schon jeden Tag dafür kämpfen, dass Konzernmacht gebrochen wird, dass gesellschaftliche Veränderungen herbeigeführt werden. Und wir können über diese Fragen Diskussionen in Gang bringen. Wie können Konzerne kontrolliert und vergesellschaftet werden? Wie soll und kann die Produktion umgebaut werden? Wie sollen und können die Produkte bei Bayer und anderen Konzernen die gesellschaftlichen, ökologischen, friedenspolitischen und sonstigen Notwendigkeiten erfüllen?
Spannend wäre mal zu erfahren, wie das Verhältnis von euch als NGO zur zuständigen Gewerkschaft ist – da ihr ja äußerst kritisch mit dem Konzern umgeht. Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) gilt ja selbst im DGB als äußert gemäßigt und konfliktscheu.
Alles, was ich bisher sagte, gilt natürlich auch für die Arbeit mit und vor allem auch in den Gewerkschaften. Bevor ich aber darauf näher eingehe, möchte ich einige Vorbemerkungen loswerden.
Die CBG ist ein nicht-hierarchisches, nicht mit festen Strukturen versehenes Selbsthilfenetzwerk. In diesem Netzwerk arbeiten ca. 70.000 Menschen und Organisationen auf der ganzen Welt zusammen. Gemeinsam ist ihnen die Betroffenheit durch den Bayer-Konzern. In vielfältiger Weise und in unterschiedlichem Ausmaß. Jeder Teil des Netzwerkes, jede Organisation, jede Person, ist selbst für ihr Handeln verantwortlich, bringt es aber in das Netzwerk ein. Eine Ebene im Netzwerk gibt es in Deutschland, die die Kritik, die Aktionen und die Probleme, die irgendwo auf dem Planeten stattfinden, hier bündelt, weil hier in Deutschland, in Leverkusen, die Konzern-Zentrale, das Headquarter, für die ganze Welt ist. Dazu werden hier in Deutschland eigene Kampagnen und Aktionen durchgeführt. So geht die CBG etwa seit 30 Jahren auf die Hauptversammlung der Bayer AG und konfrontiert die Vorstände und die AktionärInnen, aber auch die dort im Aufsichtsrat sitzenden GewerkschafterInnen, mit dieser Kritik, mit den Kehrseiten der Bayer-Profite.
Die zweite Vorbemerkung ist, dass die CBG ein politisches Netzwerk ist und dass sie auf der Basis eines politischen Konsenses arbeitet. Der Konsens ist die bereits genannte Konzern- und Gesellschaftskritik. In dem Netzwerk kann jeder mitarbeiten, über alle weltanschaulichen Grenzen hinweg, der auf dieser Basis mitarbeiten möchte. Keine Zusammenarbeit gibt es prinzipiell allerdings mit Rassisten und Faschisten. Auf dieser Basis gehen wir auch mit den Gewerkschaften um; und zwar nicht nur in Deutschland und nicht nur mit der IG BCE, sondern auch auf der ganzen Welt mit allen Gewerkschaften. Dabei machen wir sehr unterschiedliche Erfahrungen.
Ja, es stimmt, dass die IG BCE in Deutschland eine ganz besondere Rolle spielt. Die IG BCE ist ein Klon der Industrie, wie kaum eine andere Gewerkschaft. Es gibt wichtige Informationen, die in der offiziellen Geschichtsschreibung der IG BCE nicht vorkommen.
1918, nach der Novemberrevolution, hat Carl Duisberg, der damalige berühmt-berüchtigte
Generaldirektor von Bayer, nach dem Schulen, Straßen und Plätze in Deutschland benannt sind, eine programmatische Schrift veröffentlicht, die mit dem Satz beginnt: „Es
soll nie wieder geschehen, dass Arbeiter mit roten Fahnen durch die Bayer-Werke ziehen.“
Er hat ein umfassendes Programm entworfen, das auf Zuckerbrot und Peitsche basiert
und zum Ziel hatte, die Organisationen der Arbeiterbewegung, insbesondere die in den
Betrieben aktiven Gewerkschaften, auf kaltem Weg, ohne konfrontative Auseinandersetzung mit dem Risiko neuer Aufstände, ihrer Wirkungskraft zu berauben. Das Prinzip war
einfach: Gewerkschaften kriegen Unmengen Zucker, wenn sie nach der Pfeife des Konzerns
tanzen, sie kriegen gnadenlos die Peitsche, wenn sie Widerspruch organisieren. Zucker
etwa waren die Direktionsgehälter, Dienstwagen und Chauffeure für gewählte Betriebsräte, Peitsche war z.B. die maximale Verunmöglichung gewerkschaftlicher Betätigung
im Betrieb, selbst die Vertrauensleutewahlen mussten außerhalb des Betriebs durchgeführt
werden. Zugleich wurde ein System betrieblicher Vertrauensleute installiert, das der
Geschäftsleitung untersteht, bei dem dafür gesorgt wurde, dass die betrieblichen und
gewerkschaftlichen Vertrauensleute ein und dieselben Personen waren. Auch wurden die
Weichen mit allen Mitteln so gestellt, dass die Betriebsräte mit für die Direktion genehmen
Leuten besetzt wurden. Insgesamt wurden die Kolleginnen und Kollegen von der Wiege
bis zur Bahre in ein Versorgungssystem des Konzerns mit tausend Annehmlichkeiten eingebunden, darunter komfortable Werkswohnungen, Freizeit- und Kulturvereine für alles
nur Erdenkliche bis hin zu dem heute noch existierenden Bundesligaverein und eigenen
Bayer-Kaufhäusern, in denen bargeldlos bereits im Sommer mit dem Weihnachtsgeld eingekauft werden konnte. Bei der geringsten Unbotmäßigkeit wurde allerdings sofort und
radikal alles entzogen.
Im Rahmen des Zusammenschlusses der gesamten deutschen chemischen Industrie
zur IG Farben unter Federführung von Carl Duisberg in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde diese Herangehensweise an die Gewerkschaften deutschlandweite Praxis in der Chemie-Industrie insgesamt.
Und weil das dann tatsächlich so schön bei Bayer und in dem von Bayer betriebenen Zusammenschluss der gesamten deutschen chemischen Industrie zur IG Farben für betrieblichen und gewerkschaftlichen Frieden gesorgt hatte – mal von der von Bayer und IG
Farben natürlich nur wohlwollend begleiteten Zerschlagung der Gewerkschaften insgesamt
durch die Hitler-Faschisten abgesehen –, wurde dieses System zur Domestizierung der
Gewerkschaften direkt nach der Zerschlagung des Dritten Reiches und der als Kriegsverbrecher verurteilten IG Farben in den Konzernen der chemischen Industrie wieder reaktiviert.
So war es beispielsweise in der chemischen Industrie bis in die frühen 80er Jahre hinein
weiterhin nicht möglich, die gewerkschaftlichen Vertrauensleute innerhalb der Betriebe zu wählen. Es galt weiter knallhart das von Carl Duisberg ausgerufene Prinzip: Wer kooperiert, wird belohnt, wer stört, fliegt raus. Arbeitsrecht hin oder her. Willfährige „Mitarbeiter“ kamen in den Genuss vergleichsweise tatsächlich sehr hoher Löhne, konnten vom Segelsport bis zum Ballonfahren alles auf Bayer-Kosten betreiben, waren sich sicher, dass die Kinder und die Enkel „beim Bayer“ unterkamen, usw. Anzeige usf. Wer aufmuckte, wurde vom in Gestapo-Manier schwarz gekleideten und bewaffneten (!) Werkschutz am Arbeitsplatz abgeholt und musste den Betrieb verlassen. Selbst einer Betriebsrätin wurde wegen ihres von Bayer als kritisch empfundenen Landtagsmandats für die Grünen fristlos gekündigt, obwohl es keinerlei Rechtsgrundlage gab, auf der das möglich gewesen wäre.
Generation um Generation wurden so in der Chemiebranche willfährige Gewerkschaf-
terInnen herangezüchtet, vorneweg beim Bayer-Konzern, der in der Tradition der IG
Farben noch bis in die 90er Jahre hinein die führende Rolle in der gesamten Chemiebranche innehatte. So ist nur bezeichnend, dass die Rechtsaußen unter den Vorsitzenden der IG
BCE, Hermann Rappe und Michael Vassiliadis, der aktuell noch den Vorsitz innehat, beide aus dem Bayer-Stall kommen.
Diese von Carl Duisberg und Bayer betriebene Politik zur Brechung gewerkschaftlichen
Bewusstseins zog Kreise. Das wird u.a. deutlich daran, dass bei Bayer nicht nur die Vorsitzenden der IG BCE, sondern auch die des DGB im Aufsichtsrat sitzen. Und dass die rechtssozialdemokratisch vom Weltgewerkschaftsbund abgespaltenen Gewerkschaftszusammenschlüsse, die Europäische Gewerkschaftsföderation bzw.
die Weltgewerkschaftsföderation, über die IG BCE infiltriert und mit Funktionären besetzt
wurden. So war Bayer-Klon Herman Rappe bis Mitte der 90er Präsident sowohl der Welt-
Chemie-Föderation als auch der Europäischen Chemie-Föderation. Der aktuelle IG BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis ist Lebensgefährte der SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi und Präsident der neuen IndustriALL Europe, in der sich 2012 die verschiedenen Europäischen Gewerkschaftsföderationen zusammengeschlossen haben. Mit dieser Funktion vertritt er Europa in der vom IG Metall-Vorsitzenden Berthold Huber geführten IndustriAll Global, dem parallel vollzogenen Zusammenschluss der internationalen Gewerkschaftsföderationen – nach wie vor in Abgrenzung zum Weltgewerkschaftsbund.
Das alles bekommen wir bei der CBG dann in unseren gewerkschaftlichen Kontakten natürlich zu spüren. Rechte GewerkschafterInnen der IG BCE werden vom Konzern-Vorstand gegen uns, aber auch gegen andere konzern- und gesellschaftskritische Bewegungen, ja selbst gegen fortschrittliche gewerkschaftliche Strömungen, in Position gebracht; die IG BCE und die Internationale Föderation der Chemiegewerkschaften grätschen dazwischen, wann immer Gewerkschaften aus anderen Ländern mit uns kooperieren.
Also ist das Verhältnis meistens konfrontativ?
Nein, ganz im Gegenteil. Die Gewerkschaften sind trotz aller Probleme nicht mit dem Konzernvorstand oder gar den Besitzern, den Großaktionären, zu verwechseln. Natürlich lassen wir den rechten, konzerntreuen GewerkschafterInnen nicht alles durchgehen. So entlasten wir die Gewerkschaftsfunktionäre im Aufsichtsrat auf den Hauptversammlungen schon lange nicht mehr, weil sie die von uns dort vorgebrachten Bayer-Schweinereien über ihr Aufsichtsratsmandat in aller Regel mitgetragen haben und sich auch nachträglich nicht distanzieren. Andererseits aber arbeiten wir trotz allem immer wieder sehr konstruktiv auf der persönlichen Ebene mit GewerkschafterInnen der IG BCE zusammen. International – und das beginnt bereits außerhalb von Deutschland in anderen europäischen Ländern – kämpfen wir sowieso konsequent gemeinsam mit Gewerkschaftsgliederungen und GewerkschafterInnen gegen Lohndumping und andere betriebliche Probleme. Prinzipiell verteidigen wir die gewerkschaftlichen Prinzipien und stehen fest an der Seite der Gewerkschaften, wenn es darum geht, dass Bayer die Gewerkschaften aggressiv aus den Betrieben drängt, so wie es beispielsweise in den USA, Asien und Lateinamerika massiv der Fall ist.
Welche Erfolge hattet ihr bisher?
Da wir uns nunmehr bereits seit 36 Jahren mit dem Konzern auseinandersetzen, und das sehr konsequent, ist die Liste unserer Erfolge unendlich lang. Beispielsweise haben wir Verbesserungen beim Umweltschutz und den Arbeitsbedingungen durchgesetzt. Wir haben
Skandale aufgedeckt und staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren in Gang gesetzt. Wir
haben Streiks und Arbeitskämpfe in aller Welt unterstützt. Wir haben die Wiedereinstellung
entlassener KollegInnen und Mindestlöhne mit durchgesetzt. Das alles natürlich nie alleine als CBG, immer im Bündnis mit anderen Organisationen vor Ort, immer innerhalb aller vielen zehntausend Organisationen und MitstreiterInnen unseres Netzwerkes.
Ich möchte mal an einem Beispiel erläutern, wie so etwas läuft: In Australien haben wir vor langen Jahren verhindert, dass ein neues Pestizidwerk von Bayer errichtet wird, obwohl der Bau bereits begonnen hatte. Natürlich auch in diesem Fall nicht alleine, sondern in einem
breiten Bündnis. In dem Fall auch unter massiver Einbeziehung der Gewerkschaften. Dieses Werk sollte in einem Naturschutzgebiet gebaut werden. In der Nähe lag ein kleines Dorf. Die EinwohnerInnen haben das mitbekommen und Kontakt mit uns in Deutschland aufgenommen. Wir haben sie über den Konzern, die Produkte und die Art des Werkes informiert. Das Dorf hat Widerstand organisiert. Dieser Widerstand ging dann über die Grenzen des Dorfes hinaus in den Landesbezirk. Die Umweltverbände wurden aufmerksam. Aber da nun alles bereits bestens geregelt war, das Werk parlamentarisch bereits genehmigt war, ging der Protest in eine Sackgasse. Immer mehr Öffentlichkeit schaltete sich ein, es kam zum landesweiten Skandal. Die Regierung geriet unter Druck, wagte es aber nicht, einen Konzern wie Bayer zu brüskieren und die Genehmigung zurückzuziehen. Der Protest wuchs mehr und mehr. Es wurden Unterschriftenlisten gesammelt. Die Regierung meinte dann in ihrer Not, den Joker zu ziehen, indem sie eine landesweite Volksabstimmung
anordnete. Sie baute darauf, dass die anderen, nicht direkt betroffenen und Tausende Kilometer weit entfernten Landesteile sich auf ihre Seite schlagen würden und sie dann ge-
genüber Bayer aus dem Schneider wären. Es kam aber anders, die Volksabstimmung wurde
von der Protestbewegung haushoch gewonnen, das Bayer-Werk konnte nicht errichtet werden.
Übrigens haben sich die australischen Gewerkschaften nach diesem gemeinsamen Erfolg dann ausdrücklich in schriftlicher Form bei der CBG bedankt.
Ein anderes Beispiel: Der Konzern hat hier in Deutschland Ende der 80er Jahre im großen
Stil gegen uns prozessiert. Wir haben in skandalösen Verfahren, in denen beispielsweise
die Richter nicht einen einzigen Beweis von uns zuließen, sämtliche Prozesse durch alle
Instanzen verloren und mussten Hunderttausende von DM an Prozesskosten und Strafen
zahlen – unter diesen Schulden von damals leiden wir übrigens noch heute. Wir sahen nur
noch die Möglichkeit, die Bayer-freundlichen Prozesse selbst als Verletzung des Grundrechts
auf Meinungsfreiheit und Verstoß gegen die Verfassung vor das Bundesverfassungsgericht
zu bringen, und haben eine entsprechende Verfassungsklage eingereicht. 1992 gewannen wir diese und haben damit Geschichte für die Meinungsfreiheit geschrieben. Das Urteil
hat bis heute Bestand und wird z. B. unter Nennung unseres Namens an den journalisti-
schen Hochschulen gelehrt. Der Prozess wurde von allen großen Medienhäusern durch ihre
Rechtsabteilungen beobachtet. Sie wussten, worum es geht: Wäre er negativ ausgegangen,
hätte das verheerende Auswirkungen auf die gesamte demokratische Landschaft der Bundesrepublik gehabt.
Und was steht bei euch aktuell an?
Weltweit laufen zahlreiche Kampagnen. Eine der wichtigen Kampagnen, die wir seit 15 Jahren führen, ist die Kampagne zum Bienensterben. Das hört sich tierschützerisch an, was im Übrigen ja auch schon reichen würde, aber tatsächlich geht es um die Ernährungsgrundlagen der Menschheit. Ohne Bienen keine Lebensmittel, so einfach ist das. Das Bienensterben nimmt exponentiell zu. Wesentliche Ursache sind Bayer-Pestizide. Eine andere Kampagne führen wir anlässlich des hundertsten Jahrestags des Beginns des Ersten Weltkriegs. Wir machen die Verantwortung des Bayer-Konzerns für diesen Krieg deutlich. Und darüber hinaus erinnern wir an die Verbrechen der chemischen Kampfstoffe, die Bayer in diesen Krieg eingebracht hat und bei denen Bayer dafür gesorgt hat, dass sie auch zum Einsatz kamen.
Ein drittes Beispiel, das aber auch die Vielfalt unserer Kampagnen illustriert, sind die Aktionen gegen die Aushebelung der Freiheit der Wissenschaft. Wir prozessieren beispielhaft gegen die Übernahme der Uni Köln durch Bayer und haben dabei die Unterstützung nicht nur großer Teile der demokratischen Öffentlichkeit, sondern auch vieler Fachleute aus Politik und Gesellschaft.
Nun hören wir immer wieder, dass Ihr in Eurer Existenz bedroht seid. Was ist da los? Was kann da getan werden?
Das stimmt. Seit drei Jahren sind wir zu einem Kampf um Rettung und Erhalt unserer Arbeit und unseres Netzwerkes gezwungen. Dabei muss man wissen, dass wir uns ausschließlich aus Spenden und Förderbeiträgen finanzieren. Wir arbeiten bis auf eine einzige festangestellte Person alle ehrenamtlich. Auch das ist übrigens für eine international aktive Organisation unserer Wirkungsmacht ziemlich einzigartig in der NGO-Landschaft.
Unsere SpenderInnen und Mitglieder stammen natürlich nicht aus den Reihen der Ultra-
Reichen, sondern durchweg aus kleinen Verhältnissen. Im Zuge der brutalen Deregulierung
des Kapitalismus mit seinen verheerenden Folgen für die Einkommen der kleinen Leute sind
unsere Spenden und Beiträge dramatisch eingebrochen. Verschärft hat sich diese Entwicklung im Zuge der Finanzkrise. Wir standen Ende 2010 vor dem finanziellen Kollaps.
Entsprechend führen wir hier unsere Rettungskampagne, in der wir mindestens 500
neue Fördermitglieder suchen. 371 haben wir aktuell bereits, 129 fehlen noch, wir haben
noch immer keinen sicheren Boden unter den Füßen. Gegen die Macht des Konzerns setzen
wir die Solidarität der Menschen. Jede Spende zählt. Jede Fördermitgliedschaft stärkt uns.
Schön, dass wir einige Einblicke in eure Arbeit sowie euer Selbstverständnis bekommen konnten. Ich wünsche euch eine weiterhin erfolgreiche und aktive Zukunft. Und
vielleicht auch das eine oder andere Förder-mitglied bzw. die eine oder andere Spende
aus unserer Leserschaft.
Das Interview wurde geführt von Christian Horn
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.
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Das Magazin Stichwort BAYER erscheint vierteljährlich seit 1983:
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