Betriebsratsbekämpfung, Streikbruch und aggressive Kanzleien

Im groben Rückblick auf das Jahr 2015 könnte man sagen: Die Angriffe der Arbeitgeberseite gehen mit unveränderter Härte vonstatten. Auf der Seite der Lohnabhängigen nimmt der Widerstand auf verschiedenen Ebenen zu, auch wenn er nicht immer siegreich ist.

Durch intensive Tarifauseinandersetzungen im Sozial- und Erziehungsbereich, im Einzelhandel, bei der Deutschen Bahn AG (DB) und der Post AG gab es 2015 überdurchschnittlich viele Streiks –jedenfalls für die traditionell streikarmen deutschen Verhältnisse. Dabei erlebten die GewerkschafterInnen bei der Post, wie ihre Arbeitgeberin Beamte als StreikbrecherInnen einsetzte und diese rechtswidrige Praxis auch noch vom Arbeitsgericht Bonn abgesegnet wurde.Die Mitglieder der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) dagegen können froh sein, dass ihr Vorsitzender Claus Weselsky der extremen Medienhetze standhielt, die die DB mit strategischer Hilfe des Schweizer Schranner Negotiation Institute gegen ihn losgetreten hatte. Dieses Institut unterstützt weltweit Unternehmen bei der Durchführung „schwieriger Verhandlungen“. Offen bleibt dabei die Frage, ob der Konflikt mit der GDL von der DB nicht gezielt vom Zaun gebrochen wurde, um den Boden für das Tarifeinheitsgesetz zu bereiten. Zumindest konnte zu diesem Zweck ein gewünschtes Bild erzeugt werden, das die Medien in die Köpfe der Leute hämmerten: Konkurrierende Gewerkschaften, geführt von egoistischen Bossen wie Weselsky, nehmen unschuldige PendlerInnen in Geiselhaft.Neben den großen kollektiven Konflikten gab und gibt es unzählige Kämpfe, die Beschäftigte und Betriebsratsmitglieder in ihren Betrieben führen müssen. UnternehmerInnen verhindern und beeinflussen Betriebsratswahlen, behindern gewählte Mitarbeitervertretungen bei der Ausübung ihres Amtes und versuchen sie durch Schikanen und Kündigungen aus dem Betrieb zu drängen. Wenn die zuständige DGB-Gewerkschaft untätig bleibt – oft unter Berufung auf einen geringen Organisierungsgrad in der Belegschaft – sind die Betroffenen meist auf sich allein gestellt.

Erfolgreiche Aktivitäten

Erfreulicherweise finden die Zielpersonen des Union Busting jedoch zunehmend Unterstützung in der Öffentlichkeit. Sie werden nicht mehr als bedauerliche Einzelfälle begriffen. So begleiteten solidarische UnterstützerInnengruppen zahlreiche Arbeitsgerichtsprozesse. Am bundesweiten Aktionstag „Jetzt schlägt‘s 13!“, den die aktion ./. arbeitsunrecht am Freitag, den 13. November 2015 organisierte, nahmen AktivistInnen und Gruppen in über 20 Städten teil und protestierten vor Filialen des Textildiscounters KiK, welcher sich zuvor durch Zermürbungstaktiken gegen aktive GewerkschafterInnen als geeignetes Ziel qualifiziert hatte. Der nächste Schwarze Freitag findet am 13. Mai 2016 statt. Drei KandidatInnen, die sich durch exzessives Union Busting auszeichnen, werden einen Monat vorher zur Abstimmung gestellt – also schon mal im Kalender vormerken!

Solidarisch gegen Union Busting: Auch die FAU Hannover positionierte sich am „Schwarzen Frei- tag“ gemeinsam mit anderen UnterstützerInnen vor KiK-Filialen.

Auch VeranstalterInnen von Unternehmer-Seminaren, wie die Kanzlei Schreiner + Partner, müssen mittlerweile bundesweit mit StörerInnen rechnen, wenn sie Methoden zur Zermürbung von Betriebsräten und zur Kündigung vermeintlicher MinderleisterInnen verbreiten wollen. Deshalb verzichten die Veranstalter einschlägiger Union Busting-Seminare seit einiger Zeit auf die Angabe der Veranstaltungsorte. Auch die 8. Arbeitgebertage mit dem „Brennpunkt Betriebsrat“, die im Oktober in Hamburg durch den aggressiven Seminar-Anbieter BWR-Media veranstaltet werden sollten, wurden nach massiven Protesten im Vorjahr endgültig abgesagt.Erfolge gibt es auch in einigen individuellen Fällen zu vermelden: Unter anderem konnte Fritz W. in Hannover-Langenhagen seine Weiterbeschäftigung beim Paketdienstleister UPS erstreiten. Die von seiner Liste angefochtene Betriebsratswahl wurde inzwischen für ungültig erklärt. Murat G. ist – 14 Kündigungen zum Trotz – immer noch Betriebsratsvorsitzender bei Neupack in Hamburg-Stellingen. Am Freitag, den 13. März 2015, hatte der Aktionstag Schwarzer Freitag mit Milram und Lidl Großabnehmer von Neupack-Plastikbechern unter Druck gesetzt. Die H&M-Betriebsratsvorsitzende Ayse B. aus Heilbronn, deren befristeter Vertrag aus Boshaftigkeit nicht verlängert wurde, konnte ihre Entfristung gerichtlich durchsetzen.

Juristische Maulkorbversuche

Vielleicht ist es auch diesen vielfältigen Aktivitäten vor Ort zu verdanken, dass die Verhinderung von Betriebsratsarbeit auch von überregionalen Medien aufgegriffen wurde. Jens Klawitter berichtete im Spiegel unter dem Titel „Abmahnen im Akkord“, die ARD beleuchtete im Format Die Story im Juli mehrere Fälle von Betriebsrats-Bashing. Der mdr produzierte im Magazin Exakt die Sendung „Betriebsrat, nein danke!“, der NDR das einstündige Hörfunk-Feature „Mein Mitarbeiter, mein Feind“.

Doch die Rede- und Meinungsfreiheit hat ihren Preis: Die aktion ./. arbeitsunrecht muss sich gegen zahlreiche juristische Maulkorbversuche durch Medienkanzleien verteidigen, die mit einstweiligen Verfügungen und Unterlassungsforderungen vorgehen. Der neoliberale Stichwortgeber Professor Klaus Zimmermann, Leiter des Bonner Institute for the Study of Labor, beauftragte die Nobel-Kanzlei Redeker Sellner Dahs, weil der Kollege Werner Rügemer ihm aufgrund der Abhängigkeit seines Instituts von Geldern der Deutschen Post AG die wissenschaftliche Unabhängigkeit abgesprochen hatte. Die gelbe SAP-Betriebsratsfürstin Christiane Kunz-Mayr ging gegen ihr Portrait im Buch Die Fertigmacher vor. Eine Personalchefin des Duftmittelherstellers Firmenich engagierte die Kanzlei Bub, Gauweiler & Partner, um unseren Bericht über die systematische Zerschlagung des Betriebsrats am Standort Kerpen auf arbeitsunrecht.de zu kastrieren. Die aktion ./. arbeitsunrecht hat daher den Soli-Fonds Meinungsfreiheit in der Arbeitswelt gegründet, um PublizistInnen und GewerkschafterInnen zu unterstützen, die wegen Artikeln, Interviews oder freien Meinungsäußerungen im Betrieb juristisch belangt werden oder von Kündigung bedroht sind. Denn auch im Jahr 2016 werden sie die Namen derer nennen, die allzu gern im Hintergrund bleiben würden.

 

Die Verfasserin ist Mitbegründerin und Campaignerin der aktion ./. arbeitsunrecht e.V.Spenden an den Soli-Fonds: www.aktion.arbeitsunrecht.de/meinungsfreiheit

 

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