Knapp zehn Tage lang haben mehrere Insassen der hessischen Justizvollzugsanstalt Butzbach die Nahrung verweigert. Sie traten in den Hungerstreik, um für ihre Knastarbeit den Mindestlohn sowie Zugang zur Rentenversicherung zu bekommen. Zudem fordern sie, auch im Knast ihre Rechte als Gewerkschaftsmitglieder wahrzunehmen zu können. Die Gefangenen und ihre Gewerkschaft, die Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO), hatten wochenlang vergeblich versucht, mit der zuständigen hessischen Justizministerin Eva Kühne-Hörmann in Verhandlungen zu treten. Weil die CDU-Politikerin die GG/BO ignorierte, begannen die Kollegen den Hungerstreik, den sie am 10. Dezember beendeten.
Einen großen Erfolg hat der Streik bereits gebracht: In zahlreichen Zeitungen wurde über den ungewöhnlichen Kampf für Gewerkschaftsrechte berichtet und auch die Gefangenengewerkschaft bekam dadurch weitere Publicity. In den knapp eineinhalb Jahren seit ihrer Gründung haben sich ihr mehr als 800 Mitglieder angeschlossen und auch das Medienecho war in den letzten Monaten enorm. Oliver Rast, Sprecher der GG/BO, wird immer wieder um Interviews und Stellungnahmen gebeten. Das große mediale Interesse hat ihn selber überrascht.Durch die zahlreichen Presseberichte ist auch in größeren Teilen der Öffentlichkeit bekannt geworden, dass die bundesdeutschen Gefängnisse eine staatlich geschützte Niedriglohnzone sind. So erhalten Gefangene hinter Gittern einen Stundenlohn von maximal 1,87 Euro, trotz des 2015 eingeführten Mindestlohns von 8,50 Euro. Die Gefangenen müssen es als besonderen Hohn empfunden haben, dass die Parole „Mindestlohn für Alle“ für sie nicht galt. Dieser Diskurs hat sicher mit dazu beigetragen, dass sich die GG/BO so schnell ausbreitete.In zwölf der 16 Bundesländer gilt im Gefängnis noch die Arbeitspflicht. PolitikerInnen aller Parteien argumentieren daher, dass im Knast kein normales Arbeitsverhältnis bestehe und es deshalb auch keine Gewerkschaftsrechte geben müsse. Diese Position wird allerdings nicht nur von der GG/BO sondern auch von UnterstützerInnengruppen heftig kritisiert. So hat sich das „Netzwerk für die Rechte inhaftierter ArbeiterInnen“ gegründet, das die Butzbacher Gefangenen während ihres Hungerstreiks unterstützte. Es hat zahlreiche Kundgebungen und Informationsveranstaltungen initiiert. Eine Unterstützungserklärung des Netzwerks wurde von über 150 WissenschaftlerInnen, MenschenrechtsaktivistInnen, GewerkschafterInnen und AktivistInnen aus unterschiedlichen sozialen Bewegungen unterzeichnet.„Nach dem Ende des Hunger- und Bummelstreiks wird die Auseinandersetzung um die Erfüllung der sozial- und vollzugspolitischen Zielsetzungen der inhaftierten Gewerkschafter und engagierten Inhaftierten auf anderen Ebenen weitergeführt werden“, erklärte Rast gegenüber der DA. Er hofft, dass sich die Solidaritätsstrukturen außerhalb des Knastes festigen. Tatsächlich bestünde eine wichtige Aufgabe darin, genauer zu erkunden, welche Firmen in der Niedriglohnzone Knast arbeiten lassen und wie viel sie dabei verdienen. Hier könnten Ansätze für weitere Aktionen der KollegInnen drinnen und draußen entstehen.