Als am 29. November 2015 gegen halb drei am Nachmittag etwa 40 Personen durch Berlin-Bohnsdorf demonstrieren (s.u.), kämpft der bulgarische Bauarbeiter Vladimir K. bereits seit knapp anderthalb Jahren für seinen ausstehenden Lohn. Im Frühjahr 2014 hatte Vladimir mit 35 anderen Kollegen aus Bulgarien und Griechenland seine Arbeit auf einer Baustelle in Dresden-Löbtau angetreten. Die Vormil Grundstücksgesellschaft mbH sanierte hier seit 2013 einen großen Gebäudekomplex und hatte dazu als Subunternehmerin die City Aktiv GmbH aus Berlin engagiert.
Diese ließ, repräsentiert durch ihren Chef Yordan Genchev, die Arbeiter für teures Geld auf der Baustelle in nass-kalten, dreckigen und überfüllten Räumlichkeiten schlafen. So wanderte ein Teil des Lohns, der durch immer unregelmäßigere Abschlagszahlungen und immer geringer werdende Beträge ohnehin schon knapp wurde, auch noch zurück in die Taschen der Firma. Mangelnder Arbeitsschutz und willkürliche Strafzahlungen rundeten das Paket der modernen Sklavenhalterei ab. Als die Beschwerden lauter wurden, tauchten Handlanger des Chefs auf und prügelten einen griechischen Arbeiter ins Krankenhaus. Ein zweiter Angriff konnte glücklicherweise erfolgreich abgewehrt werden. Zusammen mit der griechischen Gemeinde, dem Ausländerbeirat und der IG Bau organisierten die Arbeiter daraufhin im Juli 2014 eine Kundgebung und legten die Arbeit auf der Baustelle nieder. Dies erweckte die Aufmerksamkeit der FAU Dresden und des Löbtauer Nachbarschaftsnetzwerks, die ihre Unterstützung anboten. Diese nahm letztendlich aber nur Vladimir in Anspruch. Die City Aktiv GmbH hatte inzwischen den Konflikt befriedet, indem sie im Anschluss an ein von der FAU Dresden organisiertes Gespräch einen Teil der ausstehenden Löhne ausgezahlt hatte. Die restlichen Arbeiter brauchten zu dringend Jobs, bei denen sie tatsächlich bezahlt werden, oder sahen keinen Erfolg darin, sich zu wehren.
Staatliche Instanzen auf Arbeitgeberseite
Als die Polizei die Protestierenden auf der Demo am 29. November an einer Kreuzung vor den Firmenräumen der City Aktiv stoppt, ist sie nicht die einzige staatliche Instanz, die der Durchsetzung der Lohnforderung von Vladimir im Weg steht. Das Dresdner Arbeitsgericht hatte den Fall des Bauarbeiters bis August 2015 verschleppt, um im Anschluss daran die Klage abzuweisen, ohne die angegebenen Zeugen zu hören. Vladimirs Schilderung der Zustände auf der Baustelle tat das Gericht mit der Begründung ab, diese sei nicht verwertbar, da es sich nicht um eine tagesgenaue Auflistung seiner Tätigkeiten handele. Stattdessen maß das Gericht der Aussage Genchevs mehr Wert bei, der argumentiert hatte, Vladimir wäre nach einem Tag Probearbeit entlassen worden. Die bereits erfolgte Zahlung von 1.200 Euro, die per Quittung nachgewiesen werden konnte, gab der Chef der City Aktiv einfach als Darlehen aus, dass er dem Kollegen für seine Rückreise geliehen hätte. Diese vermeintlich zuvorkommende Haltung Genchevs schien am Gericht niemanden zu verwundern – schließlich verleihen Chefs gerne mal so hohe Summen ohne Versicherung!
Gewerkschaftliche Kampagne
In Absprache mit Vladimir, den persönliche Gründe inzwischen zur Rückreise genötigt hatten, beschloss die FAU Dresden den Kampf für den ausstehenden Lohn nun außergerichtlich weiterzuführen und zog eine bereits beantragte Revision zurück. Dies soll ein Zeichen an alle Unternehmer, vor allem aber an alle Beschäftigten in der Branche sein. Denn gerade ArbeiterInnen ohne deutsche Staatsangehörigkeit haben besonders hohe Hürden zu nehmen, wenn sie um ihren Lohn betrogen wurden und den juristischen Weg beschreiten wollen. Geringe Sprach- und Rechtskenntnisse, die unsicheren finanziellen Verhältnisse, die der Status als WanderarbeiterIn mit sich bringt, sowie die meist ungenügende Dokumentation von Arbeitsstunden machen den Gang zum Anwalt, geschweige denn vor Gericht oft nahezu unmöglich.
Stattdessen sieht sich die City Aktiv GmbH nun einer gewerkschaftlichen Kampagne ausgesetzt, die den Druck auf sie durch diverse außergerichtliche Mittel erhöht. Nachdem der erste Protest über den Telekommunikationsweg ebenfalls nicht zur Zahlungsbereitschaft der Firma führte, machte die FAU mittels der Demonstration vor den Geschäftsräumen im November im direkten Umfeld auf den Fall aufmerksam. Auch die Kontaktaufnahme mit potenziellen Partner-Firmen und Auftraggebern schließt die Gewerkschaft nicht aus.Gleichzeitig soll der Fall nicht isoliert betrachtet werden. Die FAU Dresden plant daher eine bundesweite Kampagne, die die Ausbeutung von WanderarbeiterInnen auf dem Bau thematisieren soll. Die Verhältnisse, die Vladimir vorfand, unterscheiden sich kaum von den miserablen Bedingungen, denen die Arbeiter der „Mall of Shame“ in Berlin ausgesetzt waren oder denen, gegen die sich die polnischen Kollegen zusammen mit der FAU Freiburg wehren.