Arbeitskampf am Uni-Klinikum Jena

Hintergrund all dessen ist die systematische personelle Unterbesetzung im Gesundheitswesen. Laut einer ver.di-Erhebung von 2018 fehlen in den Krankenhäusern bundesweit ca. 80.000 Stellen und in den Pflegeheimen ca. 63.000 Stellen.[1] Das Soll ist voll Diese Personalpolitik lässt sich auf den Sparzwang oder den Sparwillen zurückführen, der in der Managementriege von Krankenhäusern herrscht. Die Personalnot wirkt sich sowohl auf das Personal als auch auf die Patient*innen negativ aus. Während die Beschäftigten einem extrem hohen körperlichen wie geistigen Druck unterliegen und massiv Überstunden schieben, leidet die Betreuungsqualität, was zum Beispiel über sinkende Hygiene-Standards und die Zunahme von Krankenhausinfektionen für Patient*innen schlimme bis tödliche Folgen haben kann.

Seit diesem Jahr ist die Bewegung für personelle Entlastung im Gesundheitssektor nun auch in Jena angekommen. Im Mai 2018 stellten die Pflegekräfte der Intermediate Care 1 Station (IMC1), einer Übergangsstation von der Intensiv- auf die Normalstation, am Uniklinikum Jena die Forderung nach einem Betreuungsschlüssel von 1:4, beziehungsweise nach der Einstellung von acht zusätzlichen Fachkräften, auf. Derzeit betreut eine Fachkraft sieben Patient*innen. Gemeinsam mit ver.di stellten sie dem Uniklinikum zur Erfüllung der Forderung ein Ultimatum bis zum 1. Oktober 2018. Neben den Verhandlungen und der Öffentlichkeitsarbeit gab es am 17. Juli auch eine Aktion. Die Arbeiter*innen der IMC1 verteilten während der Arbeitszeit Süßigkeiten und ein Informationsblatt über die Pausenregelungen im Uniklinikum und machten so darauf aufmerksam, dass sie während ihres Arbeitstages kaum Zeit für eine richtige Pause hätten. Im September 2018 setzten sie und ver.di das Ultimatum dann vorerst aus, da das Uniklinikum mittlerweile 7,5 mehr Vollzeitstellen in den Dienstplan eingetragen hatte.

Demonstration „Pflegekräfte in Not“

Am 22. September 2018 fand in Jena wie auch in anderen Städten eine von ver.di organisierte Demonstration, unter dem Slogan „Pflegekräfte in Not“, statt. Laut Meldungen des MDR nahmen daran 500 Menschen teil. Die Demo wurde u.a. vom Bündnis gegen Pflegenotstand Mansfeld-Südharz und der FAU Jena unterstützt. Unter den Teilnehmer*innen befanden sich außerdem zahlreiche Pflegekräfte, von denen einige auch Redebeiträge hielten. So berichtete eine Gesundheitsheitsarbeiterin und Gewerkschafterin über den Streik an der Celenus Klinik in Bad Langensalza, wo die Klinikleitung sich gegenüber den Forderungen der Belegschaft sperrt und stattdessen kompromisslos gegen die Gewerkschaft ver.di und gegen die streikenden Arbeiter*innen vorgeht. Im April 2018 wurden zwei Gewerkschafterinnen, Carmen Laue und Heike Schmidt, aufgrund der Unterstützung des Streiks fristlos gekündigt. Im Oktober bekamen sie nach einer breiten Solidaritätskampagne letztlich vor dem Arbeitsgericht Nordhausen recht.

Die Demo wirft dennoch gewisse Fragen auf. Neben streikenden Arbeiter*innen und Gewerkschafter*innen hatte ver.di auch zahlreiche Politiker*innen eingeladen, um Reden zu halten. Es sprachen der neue FDP-Oberbürgermeister Jenas Thomas Nitzsche, die Thüringer Gesundheitsministerin Heike Werner (DIE LINKE) und weitere Stadträte und Landtagsabgeordnete. Darüber hinaus durfte die FDP neben der Linkspartei und der SPD bei der Abschlusskundgebung sogar einen Infostand machen. Damit hatte ver.di eben die politischen Kräfte eingeladen, die auf Bundes- wie Landesebene für den Pflegenotstand direkt verantwortlich sind. Entsprechend kam es während der Abschlusskundgebung von Seiten einiger Arbeiter*innen zu Unmutsbekundungen und Zwischenrufen. Geht die ver.di–Strategie hier auf, durch das enge Bündnis mit der herrschenden Politik Verbesserungen durchzuklüngeln, oder führt die Beteiligung von Politiker*innen nicht eher zu einer Beschwichtigung, dazu, dass den Arbeiter*innen falsche Hoffnungen gemacht werden und diese sich auf genau jene Politiker*innen verlassen, die an der ganzen Misere schuld sind?

Mitte Oktober schlossen sich die Kolleg*innen der IMC2 dem Arbeitskampf an. Sie fordern ebenfalls einen 1:4-Betreuungsschlüssel, d.h. die Einstellung von 9 Vollzeitpflegekräften auf der IMC2. Zur Erfüllung der Forderung setzten sie ein Ultimatum bis zum 1. März 2019. Kurz darauf, in der Nacht vom 22. zum 23. Oktober 2018, machten sie eine erste Aktion. Da entsprechend der Ergebnisse aus der bundesweiten Krankenhausbefragung von ver.di schon am 22. Oktober die reguläre Jahresarbeitszeit des Klinikpersonals in Deutschland aufgebraucht sei, feierten die Pflegekräfte Silvester. Sie verteilten Glückskekse im Klinikum und wiesen daraufhin, dass sie nun bis Jahresende Überstunden leisteten oder für lau arbeiteten.

Parallel zum Einstieg der IMC2 in den Arbeitskampf kündigte das Uniklinikum Jena aufgrund der angeblichen Diskrepanz zwischen Erlös und Kosten einen generellen Einstellungsstopp an. Es werde keine neuen Einstellungen vornehmen und alle befristeten Verträge auslaufen lassen. Damit sind die Weichen für einen harten Arbeitskampf gestellt. Der zuständige ver.di-Sekretär, Philipp Motzke, kommentierte die Entscheidung des Uniklinikums: „Das Schreiben zeigt uns, dass es nur um Zahlen, nicht um die Menschen geht. Egal ob Patientinnen und Patienten oder um Angestellte. Es zählt nur der Profit.“ In derselben Pressemitteilung kündigte ver.di „stürmische Zeiten“ an.

„Stürmische Zeiten“ lässt auch die Haltung der Belegschaft der IMC1 erhoffen, die Anfang November ihr Ultimatum wieder in Kraft gesetzt hat, da die Klinikleitung ihre Versprechungen nicht eingehalten hatte. Wenn sie den Forderungen nach personeller Entlastung nun nicht bis zum 31. Dezember 2018 nachkommt, werden die Pflegekräfte der IMC1 Arbeitskampfmaßnahmen ergreifen, unter anderem den Dienst nach Vorschrift.

Das Uniklinikum gehört zur Friedrich-Schiller-Universität Jena und ist mit über 4600 Arbeiter*innen das größte Unternehmen in der Region. Damit dreht sich der Kampf der Gesundheitsarbeiter*innen der IMC1 und IMC2 nicht nur um bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege, sondern könnte für Jena und ganz Ostthüringen ein wichtiges Zeichen setzen. Angesichts dessen lohnt es sich, zu diskutieren, inwiefern die Bewegung für personelle Entlastung am Uniklinikum Jena auch von anderen Gewerkschaften und Gruppen aus der Stadt und der Region, zum Beispiel von den Studierenden und Beschäftigten der Uni Jena, unterstützt werden kann. So haben sich die Ausweitungen gewerkschaftlicher Kämpfe auf die Gesellschaft sowie die Beteiligung der Kund*innen beziehungsweise Patient*innen in die Arbeitskämpfe in den letzten Jahrzehnten aufgrund der Schwäche der Gewerkschaften doch zunehmend als Notwendigkeit erwiesen.

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