Die „Kellys“* im Streik

Hostalcarria hat drei „Zimmermädchen“ eine Kündigung zugestellt, nachdem sie eine Gewerkschaftsabteilung gebildet hatten. Die anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT, wie die deutsche FAU Teil der International Confederation of Labour (ICL), begleitet nun ihren Kampf um Wiedereinstellung und hat eine Kampagne für eine Aufwertung und Besserbezahlung der „Kellys“ angestoßen. Die Arbeitskämpfe finden auch vor dem Hintergrund allgemeiner Prekarität und Doppelbelastungen in weiblich dominierten Berufen statt.

Im Herzen Madrids, nur 20 Meter von der Plaza Mayor entfernt, hat sich eine Gruppe von Roomservice-Arbeiter*innen, die für die Augen des Reisenden unsichtbar sind und keine Seite in den Reiseführern einnehmen, entschieden, sich gegen ihr Unternehmen zu behaupten.

„Wir sind der unsichtbare Teil des Tourismus, wir sind unentbehrlich, ohne uns gibt es kein Hotel“,

sagt Rocío Fernández, Gewerkschaftsdelegierte für die CNT bei Hostalcarria. Rocio und ihre Kolleg*innen begannen am Mittwoch, den 25. Oktober, mit einem siebentägigen Streik. Die Streikposten stehen an der Tür des Hostels Inter Plaza Mayor, einem 200 Jahre alten Gebäude in einer der Fußgängerzonen, die das so berühmte Tourist*innenzentrum umgeben – und in der täglich Arbeitnehmer*innenrechte verletzt werden, wie die „Kellys“ anprangern.

„Wir haben beschlossen, im September eine Gewerkschaftsabteilung zu schaffen. Es herrschte absolute Verschwiegenheit. Am 15. Oktober erhielten wir ein Schreiben, in dem wir über unsere Entlassung informiert wurden, zum 30. Oktober. Sie sagen, dass sie den Service auslagern werden – und wir haben beschlossen, uns dem Kampf zu stellen“,

sagt Rocio.

Dabei haben die Kolleg*innen wenig zu verlieren. Die Arbeiter*innen weisen darauf hin, dass ihre Verträge nicht mit ihrer Eingruppierung oder den geleisteten Arbeitsstunden übereinstimmen. Auch die vertraglich geregelten Feiertage und Urlaubstage bei Krankheit von Familienangehörigen werden nicht eingehalten.

„Mein erster Vertrag in Hostalcarria war für 14 Stunden, dann haben sie ihn offiziell auf 20 Stunden erhöht. Ich habe einen Mitbewohner, der neun Stunden auf dem Vertrag hat. Wir arbeiten in Wirklichkeit 30 Stunden und mein Gehalt beträgt 720 Euro. Wir haben Anspruch auf einen Monat Urlaub und 20 Urlaubstage im Winter. Wir haben die noch nie genossen. Ich konnte auch die vier Tage frei, auf die ich Anspruch hatte, nicht bekommen, als es bei meinem Vater gesundheitlich ernst wurde“,

sagt die Gewerkschaftsvertreterin. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war die Forderung des Unternehmens, Blanko-Unterschriften abzugeben,

„damit sie es bei Ankunft der Inspektion nach Belieben ausfüllen können. Wenn wir nicht unterschreiben, würden sie Vergeltung üben. Hier haben wir gesagt, dass es reicht“,

erklärt Rocio Fernández. Sie hatte mitverfolgt, wie die Kellys von Exeo in Getafe einen Betriebsgruppe der CNT gegründet hatten. Eines der Mitglieder, Alfonsi Asperilla, ist ihre Mutter. Sie beschloss, sich gewerkschaftlich zu organisieren und ihren Kolleg*innen vorzuschlagen, es ihr gleich zu tun. Die CNT stellte fest, dass die Kündigungen durch Outsourcing des Dienstes illegal sind, da das Unternehmen verpflichtet sei, Stellenersatz bei Wahrung der Vertragsbedingungen zu schaffen. Die Basisgewerkschaft hat keinen Zweifel daran, dass Gerichte die Kündigungen kassieren werden.

 

Streikposten und Streikbrecher*innen

In der Zwischenzeit wird versucht, Verhandlungen mit Streikpostenlinien mit Infotischen vor verschiedenen Hotels und Hostels zu erzwingen. Am Sonntag, den 28. Oktober, soll es eine Parade geben, danach soll weiter gestreikt werden, wenn sich das Unternehmen nicht bewegen wird.

Dabei setzt das Unternehmen, wider dem Arbeitsrecht, Streikbrecher*innen ein, die durch den betrieblichen Sicherheitsdienst geschützt werden. Diese Rechtsbrüche wurden dokumentiert und gemeldet. Die Streikenden lassen sich von solchen Praktiken nicht entmutigen. Rocio versichert:

„Wir werden behandelt wie das letzte Stück Scheiße, aber wir sind die unentbehrlichen. Wir werden nicht aufhören, wir sind arbeitslos und haben viel Zeit“.

 

„Mit uns die Angst verlieren!“

Mittlerweile hat die CNT eine weitere Kampagne drauf gelegt. Unter dem Motto: „Mit uns die Angst verlieren!“ wirbt sie unter den Kellys für gewerkschaftliche Organisierung und soziale Sicherheit in der kämpferischen, syndikalistischen Gemeinschaft. Um „zurück zu gruseln“ wird dabei immer wieder auch auf Horrorkostüme und andere kreative Darstellungen zurück gegriffen.

Die regulären Streikposten der CNT präsentieren sich dagegen mit der schwarz-lilanen Fahne, die seit einigen Jahren, insbesondere seit dem feministischen Generalstreik am 8. März 2018, für eine neuerliche, handfeste Symbiose aus feministischen und syndikalistischen Analysen und Kämpfen steht. Bei diesem Generalstreik waren über 5 Millionen Menschen in Spanien für eine ganze Reihe feministischer Forderungen auf die Straße gegangen. Bestreikt wurde dabei einerseits die Lohnarbeit im Betrieb, in der sich das Patriarchat in Form von sexueller Belästigung, Niedriglohn, Abwertung weiblich dominierter Branchen und Doppelbelastung, v.a. von Frauen, täglich äußert. Bestreikt wurde aber auch die Reproduktionsarbeit, d.h. die meist unbezahlte Sorge-, Beziehungs-, Haushalts- und Pflegearbeit, die in der Regel unbezahlt von Frauen geleistet wird und doch Grundbedingung für die Reproduktion der Ware Arbeitskraft und der Gesellschaft überhaupt ist.

Während die sozialdemokratischen Gewerkschaften während des 8. März 2018 mit Desinformationskampagnen versuchten, den wirtschaftlichen Schaden für die Unternehmen begrenzt zu halten und auf eine Begrenzung des Streiks für 2 Stunden eintraten, ermöglichten syndikalistische Gewerkschaftsföderationen wie CNT, CGT und Solidaridad Obrera mit ihren Aufrufen einen 24h-Streik, trotz teils enormer Repression für die betreffenden Gewerkschaften.

Dieses ernsthafte Eintreten für den Feminismus haben viele nicht vergessen. Es kam einerseits zu Eintrittswellen, v.a. von Frauen, in die genannten Gewerkschaften, andererseits zu einer stärkeren Sensibilisierung feministischer Netzwerke auf die Bereiche der Arbeitswelt und die Wechselwirkungen von Kapitalismus und Patriarchat.

Der aktuelle Streik wird von vielen feministischen Gruppen medial begleitet und unterstützt. Dabei wird nicht selten schon zum nächsten feministischen Generalstreik am 8. März 2019 aufgerufen. Zu diesem haben auch die Schwesterngewerkschaften der CNT in Argentinien, Kandada, den USA, Griechenland, Italien, Polen und Deutschland Proteste und Streiks angekündigt.

Ähnliche Artikel

Ein Kommentar zu «Die „Kellys“* im Streik»

Schreibe einen Kommentar