Do not dare to scare the people who care!

Drei ehemalige Pflegehilfskräfte klagten mit Hilfe der Freien Arbeiter*innen Union Halle (FAU) gegen die Lebensdank Halle GmbH auf Urlaubsentgelt und Nachtschichtzuschläge. Nun gab das Arbeitsgericht Halle ihnen Recht. Ihre ehemalige Arbeitgeberin muss ihnen insgesamt rund 3500€ nachzahlen. Was war passiert?

Im November 2018 wurde zwei Patienten aus heiterem Himmel der Pflegevertrag gekündigt. Daraufhin verloren auch die neun zur 24-Stunden-Betreuung eingesetzten Studierenden ihren Job durch betriebsbedingte Kündigungen. Sie waren vorrangig nachts eingesetzt worden, erhielten dafür aber nie einen Ausgleich. Nun wandten sich drei von ihnen an die FAU Halle, um das Problem der nicht bezahlten Zuschläge für Nachtarbeit, sowie das der nicht anerkannten Urlaubsentgelte, zu lösen. Sie stellten ihre Forderungen an die Geschäftsführung der Lebensdank Halle GmbH, die zunächst eine Antwort schuldig blieb.

Erst nachdem die FAU durch eine Flyeraktion vor den Geschäftsräumen Aufmerksamkeit für den Fall herstellte, reagierte das Unternehmen mit Zurückweisung der Forderung – und einer einstweiligen Verfügung. Sie drohten der Sekretärin der FAU Halle eine hohe Geldstrafe oder sechs Monate Gefängnis an, sollte die FAU weiterhin öffentlich gegen die Lebensdank GmbH protestieren oder Pressemitteilungen mit Bezug auf sie veröffentlichen. Doch dieser Versuch, die Gewerkschaft mundtot zu machen, scheiterte bereits Anfang Juni vor Gericht.

Am 28. November diesen Jahres folgte nun das Urteil in der eigentlichen Sache. Die ehemaligen Beschäftigten forderten jeweils rund 320€, 1300€, beziehungsweise 2500€ an Nachtschichtzuschlägen und Urlaubsentgelt, wobei die Nachtschichtzuschläge den Großteil ausmachten.

Nachtarbeit leistet, wer in der Zeit zwischen 23 Uhr und 06 Uhr mindestens zwei Stunden Arbeit zu verrichten hat. Das regelt das Arbeitszeitgesetz. Ausgleich für diese Nachtarbeit erhält, wer mehr als 48 Tage im Jahr Nachtarbeit leistet, oder, wer „normalerweise Nachtarbeit im Wechselschichtsystem“, leistet. Um die schwammige zweite Option stritten sich die Pflegehilfskräfte mit ihrer ehemaligen Chefin. Zwar gab es eindeutig ein Wechselschichtsystem mit Früh-, Spät- und Nachtschicht, innerhalb dessen die geringfügig Beschäftigten eingesetzt wurden, aber natürlich nicht in dem Ausmaß, wie das bei Vollzeitbeschäftigten der Fall ist. Die Minijobber*innen sollten schließlich im Monat auf maximal 44,5 Stunden kommen.

Aus der Perspektive der Geschäftsführung Grund genug, den Nachtschichtzuschlag zu verweigern und damit gleich sämtliche Nachtschichten auf die Minijobber*innen zu verteilen. Der gesetzlich vorgesehene Ausgleich solle die zusätzliche Belastung der Nachtarbeit kompensieren und diese Belastung hätten die geringfügig Beschäftigten ja gar nicht gespürt, so die Argumentation der Unternehmensseite. Doch auch wenn die gekündigten Pflegehilfskräfte nicht 40 Stunden in der Woche arbeiteten, wartete doch nach der Nachtschicht noch der Hörsaal auf sie.

Das Gericht gab den Kläger*innen nun in der Sache Recht.

„Das Urteil ist gut für Menschen, die in prekären Teilzeitbeschäftigungen schuften, und zeigt, dass es sich lohnt, sich zu wehren. Der Prozess hat aber auch offenbart, dass durch die gesetzlichen Normen die Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten nicht klar verhindert wird.“,

sagt die Sekretärin der FAU Halle, Lisa Birkigt.

Teilzeitarbeit und insbesondere Minijobs gehen häufig mit prekären Arbeitsbedingungen einher. Dass die Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche besonders hart sind, ist mittlerweile allgemein bekannt. Doch während die Arbeiter*innen in den Krankenhäusern sich langsam zusammenfinden und immer erfolgreicher für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen, sind die Lösungsstrategien der Ausgebeuteten in ambulanten Pflegediensten häufig noch individualistisch. Sie machen krank, wechseln den Betrieb oder gehen freiwillig in die Leiharbeit, um Überstunden zu vermeiden. Die Fluktuation erschwert den kollektiven Widerstand in den kleineren Betrieben noch mehr. Viele können die Arbeitsbedingungen nur noch in Teilzeit ertragen und landen so in einer noch prekäreren Lage. Durch die geringe Vergütung droht dann die Altersarmut.

Ein Blick in die Zukunft zeigt, dass sich die Situation noch weiter zuspitzen wird: Die Bertelsmannstiftung prophezeit für Halle bis 2030 eine Erhöhung der Zahl der Pflegebedürftigen von 33%, bei einem Rückgang der Beschäftigung in Vollzeit von 12%.

„Ich kann nur sagen, wie wichtig es ist, mit den Kolleg*innen zu sprechen und sich über Probleme auszutauschen! Wenn wir die sich immer weiter zuspitzenden Zustände in der Pflege ernsthaft verbessern wollen, dann schaffen wir das nur gemeinsam“,

sagt eine der Betroffenen.

„Wir sollten uns in den Betrieben viel mehr über Themen wie Dienstpläne, Urlaubsansprüche, Überstunden und auch persönliche Belastungen austauschen.“

Neben den Krankenhäusern muss auch in den ambulanten Pflegebetrieben ein höherer Organisationsgrad der Angestellten erreicht werden. Denn bessere Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche wirken sich auch auf die Qualität der Pflege aus.

 

Titelbild: ©Ralf Zimmermann

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