Pflege in der Krise

Es würde anders werden müssen, das war nur allzu klar und deutlich, sie würden endlich die Anerkennung erhalten, die ihrer tatsächlichen gesellschaftlichen Bedeutung entspricht. Es wurde anders. Kurzarbeit wurde in vielen Kliniken und Arztpraxen eingeführt. Einsparungen sind im mediznischen Sektor vielerorts bereits angekündigt worden. Finanzielle Lücken, die die Pandemie und der behördlich verordnete Lockdown gerissen haben, werden auf das medizinische, pflegende Personal abgewälzt. Von Lohnerhöhungen als Zeichen der Wertschätzung der lebensrettenden – aber auch lebensgefährlichen – Arbeit, ist inzwischen keine Rede mehr. Die Krankenkassen wiegeln ab, mit einer in Aussicht gestellten Beitragserhöhung ist das eben noch solidarische Volk zum schweigen gebracht worden.

1,3 Millionen Ärzt*innen und Pfleger*innen infizierten sich selbst mit dem Covid-19-Virus und stellen damit jede*n zehnten Patient*in weltweit, meldete die WHO am 17.07.2020 durch Tedros Adhanom Ghebreyesus, ihren Generaldirektor. Sie riskieren nicht nur ihr Leben, sondern sind auch derzeit besonders extremen Belastungen ausgesetzt, leiden vielfach an körperlicher und psychischer Erschöpfung. Sicherlich nicht die beste Rekrutierungskampagne für einen Beruf, dessen Personaldecke lebensbedrohlich dünn ist und unbedingt gestärkt werden muss, um solchen Herausforderungen gewachsen zu sein. Stattdessen muss nun damit gerechnet werden, dass viele pflegende Kolleg*innen nur noch das Ende der Pandemie herbeisehnen und – wer will es ihnen unter diesen Arbeitsbedingungen verdenken – anschließend das Handtuch werfen werden.

Um der Lobby aus Kassen, Arbeitgeberverbänden und öffentlichen Dienstherr*innen erfolgreich etwas entgegen zu setzen, Arbeitskämpfe erfolgreich führen zu können, ist gewerkschaftliche Selbstorganisation dringend geboten. In unseren basisdemokratischen, kämpferischen Syndikaten der Gesundheitsbranchen erfahren unsere pflegenden Kolleg*innen praktische Solidarität für den langen Atem, den sie dazu brauchen werden.

 

Dieser Text ist als Live-Audio-Beitrag beim FAU Radio Bergisch Land erschienen und als Podcast nachhörbar.

 

Beitragsbild: Ralf Zimmermann ©

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar