How to Organize for Power?

Im Oktober 2019 startete das internationale Pilotprojekt eines Webinars zum Thema: Organize for Power. Auch einige Syndikate der FAU beteiligten sich daran. Die amerikanische Organizerin Jane McAlevey stellte in Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Konzepte möglicher Organizing-Strategien vor. Dabei wurde die Frage gestellt, wie Machtaufbau durch Organizing innerhalb der eigenen Community, oder des eigenen Betriebes, möglich ist und sich den Strategien gewidmet, die dafür notwendig sind. Diese Fragen und Strategien hat Jane McAlevey 2016 im Buch No Shortcuts beschrieben, welches 2019 auch auf deutsch erschienen ist.

Der Machtaufbau dient als Möglichkeit, die Mittel des Streiks für Arbeiter*innen wieder als legitimes Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen zu begreifen. Wie Machtaufbau durch die Angestellten, bzw. von unten, möglich ist, zeigten auch die Beispiele der Berliner Charité und die Bemühungen der Universitätsmedizin Mainz, welche während einer Lectures life zugeschaltet wurden, um über ihre Erfahrungen zu berichten. Auch in Deutschland werden seit Anfang 2019 vermehrt Strukturtests durchgeführt, bei denen geschaut wird, wie die Angestellten zu gemeinsamen Forderungen stehen und sich für diese einsetzen können. Dies geschah beispielsweise an den Unikliniken in Jena und Halle, oder in der Universitätsmedizin Rostock Logistik GmbH, bei Ryanair, oder in den Asklepios Kliniken Seesen.[1]Zeitschrift Luxemburg Dass die Mittel zum Gewinnen der Kämpfe dabei nicht immer dem Prinzip der Basis entsprechen, zeigt das Beispiel der Chicago Teachers, die auch in einer Sitzung des Webinars ihre Erfahrungen durch eine Vertreterin der Gewerkschaft schilderten. Dabei wird die „Konkurrenz zwischen den sozialpartnerschaftlichen und klassenkämpferischen Tendenzen in den Gewerkschaften“[2]Ebd. deutlich, wie die Zeitschrift Luxemburg schildert.

Am Anfang des Konzepts steht die Machtstrukturanalyse des Betriebs. Die weiteren Schwerpunkte der Methode lagen in sogenannten Strukturtests, dem Deep Organizing und in der Bedeutung von Ansprachen gegenüber Kolleg*innen. Was hinter Begriffen wie Deep Organizing steckt, sorgt für Diskussionen, was davon eigentlich zu halten sei, wie auch die Zeitschrift Luxemburg es thematisiert. Dort heißt es, die Methode sei nicht neu, stamme sie doch aus dem „Erbe des kämpferischen US-amerikanischen Dachverbands Congress for Industrial Organisations (CIO)“[3]Ebd. und McAlevey, Jane. Keine halben Sachen. durch welchen auch Jane McAlevey ausgebildet wurde. Jedoch wollten dieser Dachverband in der Hochphase der 30er und 40er Jahre „»echte« Streiks unter Beteiligung möglichst aller Arbeiter*innen führen“[4]Ebd.. Um diese Ziele durchzusetzen, wurden einige Strategien etabliert, die durch Jane McAlevey weitergeführt wurden und in der Online Lecture Wie wir lernen Kämpfe zu gewinnen vorgestellt wurden.

Um eine Erneuerung der deutschen Gewerkschaftsbewegung zu gestalten, dienen auch amerikanische Organizing-Konzepte als Instrumente im Aufbau von Gegenmacht, vor allem für basisdemokratische Gewerkschaften wie die Freie Arbeiter*innen Union. Zu diesen Konzepten zählen laut McAlevey[5]McAlevey, Jane. Keine halben Sachen. VSA Verlag Hamburg. 2019. S.19 ff. folgende Eckpunkte:

  • Verständnis der Arbeitgeber*innen als Gegner*innen statt als Partner*innen
  • strategische Kampagnenführung, die versucht, die Arbeitgeber*innen auf allen Ebenen anzugreifen (im Betrieb, in Medien, Politik und Öffentlichkeit)
  • intensive Recherchearbeit, um Schwachstellen zu identifizieren und zu Angriffspunkten einer Kampagne zu machen
  • Bündnisarbeit mit sozialen Bewegungen oder politischen Parteien, religiösen Gemeinden (Nutzen der vorgefundenen Sozialstruktur)
  • gezieltes und systematisches Organisieren bisher gewerkschaftsfreien Branchen
  • andere Form der Ansprache der Beschäftigten
  • Mapping der Beschäftigten und ihrer Netzwerke
  • Fokus auf die Aktivierung der Beschäftigten, ihre Zusammenfassung von Aktivengruppen und deren Einbeziehung in die Planung und Ausgestaltung der Kampagne

Organisieren vs. Mobilisieren

Jane McAlevey tritt für eine strikte Unterscheidung verschiedener Handlungsformen ein, die sie in ihrem Buch genauer ausgeführt hat. Diese sollen im Folgenden zusammengefasst werden[6]Ebd. S.36 ff.. Das erste Konzept machte eine klare Unterscheidung zwischen drei zentralen Strategien, dem Organisieren, dem Mobilisieren und der Advocacy. Während eine Mobilisierung vorrangig durch Eliten geschieht, die Ziele mit niedrigen Konzessionskosten oder ehrgeizige Ziele festlegen, zielt das Konzept des Organizings auf die Masse selbst ab, ist also vielmehr kollektiv und inklusiv. Dies hat für die Methode des Organizings zur Folge, dass sich die Machtstrukturen zugunsten der Basis verändern, indem sie die Macht der Gegner verringern. Bei dem Konzept der Mobilisierung und der Advocacy ist dies jedoch nicht der Fall.

Die Advocacy-Gruppen neigen nach McAlevey dazu, punktuelle Siege oder begrenzte Politikveränderungen anzustreben, häufig über Gerichte oder Hinterzimmerverhandlungen, die aber die Machtverhältnisse nicht antasten und daher eher stellvertreterisch wirken. Die Strategie solcher Gruppen beschränkt sich vor allem auf Gerichtsprozesse und hohe Ausgaben für Umfragen, oder Werbung. Beim Konzept der Mobilisierung ist die Strategie eher auf Kampagnen gerichtet, die keine messbare Unterstützung der Basis aufweisen. Diese Strategie ist eher auf die Vermittlung starker Bilder und Botschaften gerichtet, anstatt dem Aufbau der Basismacht Bedeutung zu geben, was ebenfalls eher stellvertretungsorientiert ist.

Das Organizingkonzept setzt zwar auch auf konkrete Einzelverhandlungen, diese sind aber nur ein Teil einer umfassenderen Strategie des Machtaufbaus. Der Vorrang liegt auf der Machtanalyse und der Beteiligung normaler Menschen, also eher strukturbasiert. Die Struktur ergibt sich dabei aus den eigenen Zusammenhängen, nach dem Motto: Dort kämpfen, wo man selbst sich gerade befindet. Die Struktur kann ein Betrieb sein oder auch eine Community. Einigungen werden auf Basis partizipativer Tarifverhandlungen erzielt, an welchen möglichst viele Beschäftigte teilnehmen. Die Strategie besteht darin, eine möglichst große Zahl von Beschäftigten miteinzubeziehen und sich der Macht ihrer Fähigkeiten bewusst zu werden, ihre Arbeitskraft denen, die von ihr profitieren, zu entziehen. Dabei geht es vorrangig darum, die Zahl der Beschäftigten zu erhöhen, die hinter den Forderungen derselben stehen. Dabei ist die Mobilisierung ein taktisches Mittel, aber nicht die eigentliche Strategie. Diese besteht vor allem in der Mehrheitsgewinnung. Um von der Mobilisierung weg, hin zu einer Organisation zu kommen, bieten sich, nach Jane Mc Alevey vier Schritte an:

1. Die Identifikation der Person im Betrieb, die am ehesten die Dispositionen hat, Menschen mitzunehmen (Die Schlüsselaktiven)

2. Erfolgreiches Organisieren 1×1

3. Strukturtests und das Bilden von Mehrheiten

4. Einbeziehung der ganzen Gemeinschaft

Um den Organisationsgrad zu erhöhen, braucht es eine hohe Beteiligung der Angestellten, eine hohe Einigkeit, um sich gegen Spaltungen von außen abzusichern, eine starke Struktur und eine vorzeigbare und nachhaltige Mehrheit. Diese Grundkonzepte sind für Jane Mc Alevey gerade deshalb so wichtig, weil die arbeitende Klasse durch den Neoliberalismus zermürbt wird. Der Strategie, über den aufkommenden Individualismus, Arbeitende, Nachbarschaften oder Staaten gegeneinander auszuspielen, ist deshalb, gerade auch mit der Hilfe der Gewerkschaften, entgegen zukommen.

Strukturtests

Der erste Schritt, nach McAlevey, ist der, zu identifizieren, wer im Betrieb die Rolle des „organic leaders“ einnehmen kann. Auch wenn das Konzept etwas hierarchisierend anmutet, ist die Suche nach einer Person mit den Dispositionen dazu, sich gegen die Abwehr der Ziele von oben durchzusetzen, nachvollziehbar. Wurde die erste Karte (Mapping mit Hilfe einer wallchart) aller Beschäftigten angefertigt, soll versucht werden, herauszufinden, wer diese Person ist, die von allen Angestellten sowohl respektiert wird, als auch gemocht und die die Fähigkeiten hat, sich auch gegen Widerstände der Geschäftsführung durchzusetzen. Wurde diese Person einmal identifiziert, soll sie die Letzte sein, auf die die/der Organizer*in zugeht.

Weiterhin ist es wichtig, zu wissen, wer sich schon einmal an Petitionen oder offenen Briefen beteiligt hat, oder wer schon einmal Forderungen gestellt hat, welche Netzwerke die Angestellten untereinander haben und welche sie in ihrer Freizeit aufrecht erhalten.

Das Charting bzw. die Anfertigung einer Liste aller Mitarbeiter*innen auf einem großen Papier soll dabei helfen, über diese Informationen Klarheit zu schaffen. Danach ist es wichtig, mit den Menschen in ein Gespräch zu kommen. Wo liegen die Probleme, welche sind ihnen am wichtigsten, welche teilen alle miteinander? Dabei ist es wichtig, die Techniken der Ansprache zu beachten und sich über die eigene Semantik bewusst zu sein.

Strukturierte Organizing-Gespräche

Ein strukturiertes Organizing-Gespräch hat ein Ziel, versucht die gegenüberstehende Person zu bewegen und eine einheitliche Botschaft an alle Beschäftigten zu vermitteln. Diese Gespräche sollten immer einer gleichen Ordnung folgen. Dafür schlägt McAlevey folgende Schritte vor:

  1. Vorstellung/Einleitung
  2. Anliegen (und Agitation)
  3. Aufklärung/Vision (Gewerkschaft als Lösung)
  4. Beschäftigte vor die Wahl stellen (“Die Frage stellen”)
  5. Vorbereitung gegen toxische Strategien der Arbeitgebenden
  6. Nächste Schritte/Arbeitsauftrag

Jedoch nicht nur bei der Anwendung dieser Strategien, sondern wahrscheinlich immer innerhalb eines Aushandlungsprozesses, in welchem es um die Aushandlung der eigenen Lage geht, treten Bedenken und Einwände auf. „Es ändert sich doch sowieso nichts“, oder „Die machen doch eh, was sie wollen“ sind dabei nur zwei Beispiele. Auch dafür braucht es eine Strategie. Dafür schlägt Jane McAlevey die AAR-Methode vor, welche mit der Anerkennung dieses Gefühl beginnt, darauf eine Antwort parat hat, die auf das Problem eingeht und welche dann zurück zum Anliegen kommt, am besten mit einer Frage. Es ist dabei wichtig, auf die Probleme einzugehen, sich aber nicht in ihnen zu verlieren und das Ziel dabei nicht aus den Augen zu verlieren.

Insgesamt war die Lecture inspirierend und hat Ansätze vorgeschlagen, die für einige der teilnehmenden Personen eine Motivation waren. Die Vorstellung einer eigenen gewerkschaftlichen Strategie ist damit nochmal konkreter geworden. Auch der Wunsch mit verschiedenen Methoden zu experimentieren, die über die bisherigen Erfahrungen eines feuerwehr-politischen Engagements hinaus gehen, hat sich konkretisiert. Wie das in den unterschiedlichen Branchen aussehen kann, wird aus den Syndikaten zu berichten sein.

Beitragsbild: https://libcom.org/files/Organise.pdf

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar