«Wir überlassen Ihnen nicht die Kultur!» Arbeiter*innen am Theater Polski im Kultur- und Klassenkampf
Zum Programm der polnischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gehört der komplette Austausch aller Leiter von Kulturinstitutionen, die im Verdacht stehen, «antipolnische» Kultur zuzulassen, worunter alles fällt, was nicht ins Weltbild des reaktionären katholischen Nationalismus der Regierenden passt.
Am Theater Polski in Wroclaw aber sah sich der neu eingesetzte Theaterchef bald entschlossenen Belegschaftsprotesten gegenüber, sowohl gegen dessen regierungstreue Agenda als auch seinen Sparplan. Die Betriebs-Kommission der anarchosyndikalistischen Inicjatywa Pracownicza (IP) forderte ihn zunächst zu Verhandlungen auf, über Gehaltsanpassungen, Erhalt der Belegschaft, Einrichtung von Kinderbetreuung. Die Theaterarbeiter*innen sahen sich aber schließlich zum Streik gezwungen, organisierten erfolgreiche Proteste und kämpfen weiter für die Demokratisierung des Theaters und den Rücktritt des Theaterchefs. Unterstützung erhalten sie mittlerweile von Kulturarbeiter*innen in ganz Polen.
Puppenspieler als Terroristen im Gefängnis
Auch der spanische Staat unter der regierenden rechten Partido Popular (PP), der in den letzten Jahren gnadenlos die öffentliche Kultur durch Kürzungen und Steuererhöhungen für Kulturgüter zerlegt hat, scheint eine große Angst vor widerständiger Kultur zu haben. Anders lässt sich kaum erklären, dass immer wieder Kunstschaffende als «Terroristen» vor die Gerichte gezerrt und ins Gefängnis gesteckt werden. Für die Puppenspielergruppe «Títeres desde Abajo» (Handpuppen von unten), reichte es, in einer politischen Satire die baskische ETA zu thematisieren, um wegen «Verherrlichung des Terrorismus» eingesperrt zu werden.
Die Madrider Branchengewerkschaft für Kultur und Kommunikation (Artes Gráficas, Comunicación y Espectacúlos) der CNT, der einer der Puppenspieler angehört, unterstützte die Gruppe bis zur Freilassung und prangert die willkürliche Verletzung der Kunstfreiheit durch den spanischen Staat an. In einer Stellungnahme zur jüngsten Beschlagnahmung des Romans «Fariña» von Nacho Carretero, der Zensur von Installationen des Künstlers Santiago Sierra sowie mehrjähriger Haftstrafen gegen Rapper wegen des Inhalts von Liedtexten, fordert die Gewerkschaft die Einhaltung der Menschenrechte: «Unehrerbietigkeit ist kein Verbrechen». Die anarchosyndikalistische Kulturgewerkschaft kämpft nicht nur für würdige Arbeitsbedingungen, sondern auch gegen die Wiederkehr franquistischer Verhältnisse.
Welche Zukunft hat die Kultur zwischen Kahlschlag und autoritären Entwicklungen?
In Deutschland drohen ähnliche Szenarien, wenn die AfD auf Erfolgskurs bleibt. Dem kulturpolitischen Programm der AfD zufolge haben Theater in Zukunft «deutsche Stücke» mit dem «Bekenntnis zu Strenge, Form und Stil» zu spielen und als volkspädagogisches Instrument der deutschen «Nationalbildung» zu dienen. Diese Kampfansagen an den Kulturbetrieb, ob ideologisch oder einer neoliberalen Sparpolitik verpflichtet – sollten aber auch in Zukunft nicht nur mit Kulturlobbyismus beantwortet werden. «Es ist nach wie vor notwendig, dass wir uns selbst daran erinnern, dass unsere Mitarbeiterinteressen nicht mit denen des Managements übereinstimmen», lautet das Fazit gewerkschaftlich Aktiver nach einer internationalen Konferenz syndikalistischer Gewerkschaften der Kulturbranche in Warschau Ende 2017. Bei der Konferenz standen die Arbeitsbedingungen im Fokus: Wie können wir Scheinselbstständigkeit und unbezahlte Beschäftigung im Kulturbetrieb bekämpfen? Wie lässt sich Outsourcing verhindern? Wie können wir gewerkschaftliche Selbstverwaltungsmodelle in Kulturbetrieben aufbauen?
Diese Fragen stellen sich Kulturarbeiter*innen über Ländergrenzen hinweg, auch in der neugegründeten Sektion Kultur und Medien der FAU Berlin, die selbstbewusst als Ziel vorgibt, «dort gewerkschaftliche Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, wo es Gewerkschaften sonst schwer haben». Neue Ansätze sind notwendig in einer Branche, deren Zukunft auf dem Spiel steht.