Schon erstaunlich, wie schnell das auf einmal ging

DA: Die FAU Leipzig hat im September 2019 mit zwei Arbeiterinnen einer Reinigungsfirma, die Hotelzimmer reinigten, in einem kurzen Intermezzo 6000€ Lohnnachzahlung erkämpft. Wie ist das abgelaufen?

Die beiden Kolleginnen waren mit einem Work-and-Travel-Visum aus Argentinien angereist, weil dort die wirtschaftlichen Bedingungen gerade sehr schlecht sind. Der Kontakt kam über eine Mitbewohnerin einer der Betroffenen zustande. Wir haben, wie immer zunächst, herausgefunden, wie überhaupt die Situation ist und welche Ansprüche sie gegenüber ihrem Boss haben.

Unser Forderungsbrief an das Reinigungsunternehmen wurde mehr oder weniger ignoriert. Wir haben uns dann überlegt, dass es wirksamer wäre, nicht das Reinigungsunternehmen anzugehen, sondern die Hotelketten. Das Hotelmanagement wusste auch Bescheid, dass den Arbeiter*innen Löhne vorenthalten wurden. Wir haben in Rekordzeit eine Kundgebung direkt vor dem Eingang eines Hotels vorbereitet, angemeldet und im großen Stil mobilisiert.

Auf einmal klingelte das Syndikatstelefon und der Anwalt der Gegenseite war dran. Schon erstaunlich, wie schnell das auf einmal ging. Wahrscheinlich wurde das Hotel über unsere Kundgebung informiert und hat dem Reinigungsunternehmen dann Druck gemacht. Jedenfalls war der Anwalt sehr kleinlaut und wir konnten uns darauf einigen, dass das ausstehende Geld am nächsten Tag überwiesen wird.

DA: Die beiden Kolleginnen haben dort nur zweieinhalb Monate gearbeitet. Wie hat es das Unternehmen geschafft, sie in so kurzer Zeit um so viel Geld zu prellen?

Schon der Arbeitsvertrag ließ nichts Gutes erahnen, da dort komplett rechtswidrige Klauseln drin standen. Wahrscheinlich glaubten sie, dass sie damit durchkommen, weil anscheinend fast alle Kolleg*innen dort nicht deutschsprachig waren. Jedenfalls haben die Bosse zunächst keinen Lohn ausgezahlt. Den beiden Betroffenen wurde erzählt, dass das in Deutschland normal sei und sie haben ein paar hundert Euro in bar bekommen. Den beiden wurde also schlicht und einfach der Lohn und jeweils insgesamt sechs Tage „Probearbeit“ nicht gezahlt.

DA: Mit was für Arbeitsbedingungen waren die Kolleginnen da konfrontiert?

Teilweise gab es wohl sexuelle Übergriffe, was die Vorarbeiter*innen aber nicht interessiert hat. Es wurde viel mündlich vereinbart, was die Beweisbarkeit von Ansprüchen natürlich arg erschwert. Insgesamt steht der Verdacht im Raum, dass das Reinigungsunternehmen systematisch nichtdeutschsprachige Arbeiter*innen anheuert, um sie um ihren Lohn zu prellen, das in der Hoffnung, dass sie aufgrund der Sprachbarriere und weil sie nur eine begrenzte Zeit in Deutschland sind, ihre Ansprüche nicht geltend machen.

 

Der Artikel stammt aus der Verteilzeitung zum 1. Mai 2020 und ist sowohl hier als auch im Syndikat eures Vertrauens in gedruckter Form zu haben.

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