Erwerbslosigkeit erscheint auf den ersten Blick fast wie ein Unfall im festen Gefüge der vermeintlichen Leistungsgesellschaft. Eine Ausnahme, welche letztlich die Norm der Erwerbstätigkeit zu bestätigen hat. Eine Ausnahme, die es schnellstmöglich zu beheben gilt, individuell als auch gesellschaftlich. Diffuse Gefühle und Bilder kreisen um diesen Ausnahmezustand: Scheitern, Versagen, Armut, Dummheit, Faulheit, Schmarotzertum. Schamgefühle sind überpräsent. Dabei ist die Erwerbslosigkeit ein Dauer- und Massenphänomen des (post-)industrieellen Kapitalismus. Vollbeschäftigung gehört weit mehr der Spähre der marktwirtschaftlichen Mythenbildung, als dem Feld der sozioökonomischen Sachverhalte an. Dennoch seit gefühlt 200 Jahren diese Fixierung auf die Erwerbsarbeit – und die weiterhin sich zäh wie Kaugummi ziehende Tabuisierung der Erwerbslosigkeit, mit entsprechend breit angelegtem Bashing der Betroffenen.
Gleichzeitig erfüllt die Erwerbslosigkeit mit ihrer materiellen Begrenzung und ihrer gesellschaftlichen Abwertung eine wichtige Funktion im Ordnungsgefüge kapitalistischer Ökonomien. Die Ausnahme bleibt das effektivste Drohszenario für alle, die von ihrer Rolle in der Norm nur so bedingt begeistert zurückbleiben. Stichwort: Scheiß Job, kaum Kohle? Immer noch besser als Hartzen. Und so müssen die erwerbslosen Reservearbeitskräfte jeder Grundrechts- und Menschenwürde-Debatte zum Trotz, in Armut und Erniedrigung gehalten werden, auf dass die Noch-Arbeitskräfte auch bei Armutsrenten-Mindestlohn und Geldentwertung munter die Ärmel hochkrempeln und dafür die Füße schön still halten.
Eine emanzipatorische Bewegung, besonders eine, die Klassenkampf im Vokabular führt, kommt nicht darum herum, Betroffenen solidarisch zur Seite stehen zu wollen. Weiter noch, den Kampf der Erwerbslosen als einen Kampf der Arbeiter*innen als solche zu begreifen. Personalbüro und Jobcenter, sie sind im Zweifelsfall nur zwei Seiten ein und derselben Medaille namens kapitalistischer Ausbeutung. In diesem Sinne ist der Restart-Versuch einer bundesweiten Erwerbslosenvernetzung innerhalb der FAU zu verstehen. Ein Schritt hin zur gegenseitigen Hilfe betroffener Menschen einerseits, und ein Wurf Sand im Getriebe der erwerbstätigen Normalitätsmaschinerie andererseits. Dahinter die klare Perspektive und Forderung, dass die Menschen nicht hinter ihrer Arbeit verschwinden, und ebenso wenig ohne ihre Arbeit aufhören gesellschaftlich zu gelten – sondern dass sie jenseits ihrer Unterordnung unter diese, erst richtig beginnen zu scheinen und zu strahlen.
Ein Kommentar zu «Stell Dir vor es gibt Arbeit für Alle – und keine*r muss hin»