Subversive Küche als gesellschaftliche Praxis

Warum wurde die Idee der subversiven Küche geboren?

Die subversive Küche wurde geschaffen, um auf das Bedürfnis nach Kohärenz zwischen dem, was gesagt oder was vorgeschlagen wird und dem, was getan wird, zu reagieren. Ich glaube jeder*m von uns ist es schon passiert, dass wir in sozialen Einrichtungen oder in libertären Clubs Mahlzeiten kommerziellen Ursprungs konsumiert haben.

Das Selbstmanagement ist dabei nicht nur eine politische Formel. Es ist – und muss – eine wirtschaftliche Praxis sein, die auch ein Beispiel für diejenigen ist, die diese soziale Einrichtungen besuchen. Daher ist es nicht genug nur eine „Reduzierung der Ausgaben“ des Großhandels für das Abendessen einzubeziehen: Dieses Konsummodell muss auch in der privaten Umgebung, im tägliche Einkauf, eingeführt werden.

Wie funktioniert subversives Kochen?

„Subversive Küche“ bedeutet, sich bei kleinen Produzenten, kleinen Familienbetrieben oder aus Kooperativen einzudecken und immer weniger auf große Einzelhandelsunternehmen zurückzugreifen. Auch wenn eine vegetarische oder vegane Lebensweise nicht von allen geteilt wird, ist es, aufgrund der ökologischen Nachhaltigkeit, wichtig, dass sich unser Konsum tierischer Erzeugnisse (aus kleinbäuerlichem Anbau) auf ein paar Mal pro Woche reduziert.

Doch nicht in allen Regionen gibt es eine Bewegungen der Bauern.

Es ist nicht immer einfach, solche Angebote zu finden, z.B. in den kleinen Städten der Apennin, weit entfernt von den großen Märkten, die in Rom, Bologna und Florenz in den regionalen Bewegungen – wie dem „Genuino Clandestino“, organisiert sind. Wo immer ein/e Bauer*in, der/die mit Ethik arbeitet, die Arbeiter*innen nicht ausnutzt und das Land ohne Chemikalien und Herbizide bestellt, gibt es auch alle Zutaten für eine subversive Küche. Darüber hinaus wurde das Fuorimercato-Netzwerk gegründet, das durch eine Logistikorganisation den Transport all jener Produkte fördern will, die außerhalb des Marktes und des großen Einzelhandels liegen und den Prinzipien der Selbstverwaltung, einer Produktion ohne Ausbeutung und gegenseitiger Unterstützung und Kooperation folgt. Wer diese „ethischen“ Produkte nicht finden kann, kann sich dann auf „Furimercato“ beziehen.

Wie wird eine subversive Küche praktiziert?

Anfangen ist nicht so schwer. Zuerst müssen die eigenen Einkäufe und der Verbrauch betrachtet werden und dann kann damit begonnen werden, lokale Bio-Märkte zu besuchen und die lokalen Produzenten kennen zu lernen, die nicht gegen die Arbeiter*innen spekulieren, um reich zu werden. Die Produzent*innen kennen, bedeutet: Mit ihnen reden, die Firmen und Gärten zu besuchen und die Arbeitsweisen zu verstehen. „Sie kennen“ bedeutet auch, sich bewusst zu sein, dass ihnen ein Unternehmensmodell zugrunde liegt, das gerechte Arbeitsbeziehungen, die Landaneignung und eine Produktion von Nahrungsmitteln unterstützt, die, wenn sie in großem Maßstab durchgeführt wird, die meisten sozialen und wirtschaftlichen Probleme unseres Planeten lösen könnte.

Warum ist eine subversive Küche wichtig?

Subversive Küche ist eine Einladung, Gemeinschaften um unsere Lebensmittel und deren Herstellung herum, zu bilden; um einen neuen Geschmack mitzuteilen. Eines der Ziele dieses Projekts ist es, das Experimentieren und Verbreiten der Fermentierung von Leguminosen (z.B. Hülsenfrüchte) voranzutreiben. Dies ist eine Technik, in welche multinationale Konzerne gerade viele Ressourcen investieren, um die Patente für die Vermarktung der Produkte für Veganer*innen und Vegetarier*innen zu erhalten, die lediglich ein Interesse an der Herkunft des Produkts haben. Dies ist eine appetitliche Anzahl von Verbrauchern, die wächst und die die Spekulationen und die Ausbeutung von Arbeitskräften und Ressourcen bedingen und so weiterhin soziale Lücken schaffen.

Bedeutet subversive Küche nur Veganismus und Antispeziesismus[1]Antispeziesismus ist die Gegenbewegung zum Speziesismus, der die moralische Diskriminierung von Individuen ausschließlich aufgrund ihrer Artzugehörigkeit bezeichnet.?

Subversive Küche ist als Praxis für alle zugänglich, sogar für ‚Allesfresser‘. Es besteht in der präzisen Auswahl der Zutaten, die in der Küche verwendet werden. Wenn die Hauptbestandteile eines Gerichtes oder Abendessens von ethischen Farmen und Bauernhöfen stammen, dann machst du subversive Küche. Auf jeden Fall, existieren für Antispeziesist*innen keine ethischen Züchter. Die Frage, die uns beschäftigt, ist, dass der Konsum sich von großen Einzelhändlern zu kleinen Produzenten bewegt, um eine Veränderung der wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen zu bewirken und hierarchische und so spekulative Systeme in der Arbeitswelt zu durchbrechen. Solange es also Menschen gibt, die tierische Produkte konsumieren, ist es wichtig, dass dieser Konsum eine Transformation erfährt und dass er nicht die gesamte Kette im Zusammenhang mit der großen Verbreitung füttert. Einige von uns sind Veganer, manche Vegetarier, aber das ist egal: In der Küche kann jeder subversiv sein. Anders ist es mit der Menge des Verbrauchs von Produkten tierischen Ursprungs. Wenn kleine ethische Betriebe nicht in der Lage sind, den täglichen Verzehr aller Allesfresser zu bewältigen, ist es notwendig, den Verzehr von Erzeugnissen tierischen Ursprungs zu reduzieren.

Kann eine generell vegane Küche interessant sein? Können wir von einer allmählichen Veränderung des Konsums sprechen?

Aber natürlich! Die vegane Küche ist nicht langweilig, sondern experimentell. Unsere Prinzipien bringen uns dazu, die veganen Produkte abzulehnen, die man in der Vergangenheit nur in Bio-Läden und jetzt in jedem Discounter zur Verfügung hat. Wir lehnen sie ab, weil das ‘Business’ von biologischen Artikeln ein alternatives und großes Einzelhandelsunternehmen baut, das die menschliche Arbeit genauso ausnutzt wie der traditionelle Markt.

Die gleichen Gedanken gelten auch für die billigen, qualitativ mangelhaften veganen Produkte, die überhaupt nicht „cruelty free“ sind. Und was ist mit der Ausnutzung der Arbeiter*innen? Ist nicht die Arbeitsspekulation eines großen Unternehmens auch Grausamkeit? Freiheit der Tiere und Emanzipation der Menschen sollten Hand in Hand gehen, es kann keine tierische Freiheit ohne menschliche Freiheit geben. Es geht nicht mehr um Freiheit der Tiere sondern um das ‘Business’. Ein vegan lebender Mensch, die/der sich solche Fragen nicht stellt und diese Widersprüche nicht auflöst, hat eigentlich keine ethischen Prinzipien. Stattdessen hat er/sie entweder eine partielle Sensibilität für das Thema oder folgt einfach der Mode.

Wie kann man vom experimentieren sprechen? Meinst du, dass man auch in der „anarchistischen Küche“ von traurigen Salaten zum veganen Burger kommt?

Ja! Mit einer besonderen Vorbereitungstechnik können wir aus Hülsenfrüchten und unraffiniertem Mehl Produkte schaffen, die ähnlich wie andere kommerzialisierte Artikel sind. Man braucht kein Mehl mit Gluten, Stärke oder verschiedene Präparate mehr. Wir können diese Produkte zu Hause zubereiten. Die Fermentation der Hülsenfrüchte ist ein Änderungsprozess, der den Nährwert, den Geschmack und die Konsistenz der Früchte ändert, sodass das Endprodukt ähnlich wie Wurst, Salami, Braten und Veggie-Steak sein kann, ohne dass man pures Gluten oder Präparate für Seitan benutzen muss. Wir können einfach ein geschmackvolles und nahrhaftes Gericht selbst zubereiten!

Was bedeutet „Selbstproduktion“ für die Menschen, die sich in einem subversiven veganem Lebensstil wiedererkennen?

Es bedeutet die Zubereitung von pflanzlichen, eiweißhaltigen Lebensmitteln, die Fleisch ähneln. Zum Beispiel durch die Fermentierung von Hülsenfrüchten und die Herstellung von Teig aus Hülsenfrüchten und rohem Mehl als Alternative zu den kommerzialisierten Produkten aus purem Gluten und industrieller Stärke. Die Technik der Selbstproduktion benutzt rohe, unbehandelte Lebensmittel, die man bei Bäuerinnen und Bauern finden kann, im Gegensatz zu den Produkten, die aus raffinierten und industriellen Zutaten bestehen.

Wie kann man diese Kenntnisse schützen und vermeiden, dass sie von Unternehmen verwendet werden?

Wir haben Schritt für Schritt industrielle Zutaten für unsere Küche verworfen und entwickeln gerade ein Projekt, um die Kenntnisse dieses ‘Business’ zu schützen. Wir möchten einzelne Kooperationsprojekte ohne Dienstherr unterstützen.

Wie wird sich das Projekt verwirklichen?

Momentan sind wir noch in einer Analysephase, um zu verstehen, wie das Projekt weiterlaufen wird. Wir denken an die Möglichkeit, einen Verein oder eine Stiftung zu gründen und ein Warenzeichen zu registrieren, das diese Mischungen identifiziert. Wegen dieses schützenden Zeichens könnte dann ein Großhandelsunternehmen solche Produkte nicht herstellen bzw. verkaufen. Wir werden etwas ganz anders tun als die traditionellen Firmen, die Seitan, Mopur, Aufschnitt und vegane Braten produzieren. Dank eines Instruments wie des Warenzeichens möchten wir Spekulationen ausschließen und diese Kenntnisse in Hausküchen, kleine Pubs und Sozialzentren verbreiten. So wie man heutzutage Brot mit Hefe selbst zubereiten kann, würden wir uns darüber freuen, wenn die Menschen zu Hause auch vegane Produkte mit Mischungen aus fermentierten Hülsenfrüchten kochen würden.

Wie kann man diese neuen Kenntnisse weitergeben?

Wir möchten Kurse organisieren. Die Ausbildenden wären einige unserer Genoss*innen, die damit etwas Geld verdienen könnten.

Gibt es eine anwendbare kommerzielle Strategie?

Die Lizenz könnte an die kleinen mehr oder weniger ethischen Gastwirt*innen abgegeben werden und mit dem Einkommen könnte man andere sozial-verträgliche Kooperationsprojekte unterstützen, die noch nicht etabliert sind. Ein Beispiel ist das Projekt „Sfruttazero“ („keine Ausnutzung“), das dank einer gegenseitigen Unterstützung Tomatensoße herstellt. Wenn der Verein „Sfruttazero“ zu einem größeren Kredit Zugang hätte, könnten die Genoss*innen aus Apulien ein Labor eröffnen, in dem Tomatensoße und andere Konserven in jeder Saison hergestellt werden können.

In welchem Sinn ist die subversive Küche „anarchistisch“?

Wir mögen die Idee von einer vollständigen Revolution, ohne Kompromisse, die sich täglich auf zwei Schienen entwickelt: eine individuelle, die sich auf die Entscheidungen der Einzelnen bezieht und eine kollektive, die die gemeinsamen Mühen und Projekte für die Befreiung von der Belastung von Kapital und Staat betrifft. Essen und Konsum sind wichtige Aspekte dieser Revolution, weil ein großer Teil des Kapitalismus, den wir abschaffen möchten, sowohl mit der Lebensmittelherstellung als auch mit der Mitschuld der Institutionen spekuliert.

Wir müssen selbstverwaltete Strukturen bauen, die uns helfen, auf den Kapitalismus und den Staat zu verzichten. Wir von „Cucina sovversiva“ (subversive Küche) möchten eine Gemeinde schaffen, die über verschiedene Themen, wie die Fermentation von Hülsenfrüchten, virtuell in einem Forum interagieren kann, aber auch reale gegenseitige Beziehungen aufbauen kann.

Das Forum von „Cucina sovversiva“ kann ein schnelles Kommunikationsmittel für die Sammlung und Verteilung von Produkten der Erde, von Meldungen zu Veranstaltungen oder sozialen Initiativen sein. „Cucina sovversiva“ wird Veranstaltungen über die kulinarische Kultur, sowie Ausbildungskurse, Wissensaustausch und Küchen-Contests für die Forderung der „Selbstproduktion“ organisieren und damit echte Beziehungen unterstützen.

Sie sind alle herzlich eingeladen, die Webseite www.cucinasovversiva.it zu besuchen und an den Projekten teilzunehmen!

Francesco Scatigno ist Autor von „Halbe oder Vollständige Revolution“ und des „Manifest des Subversiven Küche“.

Das Interview wurde zuerst auf umanitanova.org veröffentlicht, von Monica Jornet editiert und für die DA in Kooperation von J.S. und M.T. übersetzt.

2 Kommentare zu «Subversive Küche als gesellschaftliche Praxis»

  1. Statt “Antispezist*innen” muss es “Antispeziesist*innen” heißen – und dann sollten wir uns überlegen, wie wir den Inhalt solcher Wortungetüme bewahren und uns gleichzeitig von ihnen befreien können.

  2. Super Artikel. Coole Sache. Ich hoffe nur, daß es uns erspart bleibt, daß daraus der gleich Elitarismus entwickelt wie im falle von Vegetarismus und Veganismus. Und … kann man nicht bitte so beleidigende Worte wie “Allesfresser” vermeiden? Man sagt ja auch nicht “Tofufresser”.

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