Dieser Text entstand aus einem Protokoll, das innerhalb eines informellen Treffens einiger Menschen entstanden ist, die durch den „Teil-Lockdown“ von übermäßiger Care-Arbeit betroffen sind. Aus diesem initialen Zusammentreffen soll eine Initiative entstehen, die zur weiteren Verbreitung dieser Ideen und zu weiterführenden Gedanken zur Lösung der Belastung von Eltern und vor allem Müttern durch die Corona-Pandemie beitragen soll.
Der gegenwärtige Zustand
Status-quo momentan ist die sogenannte Notbetreuung in Schulen und Kindergärten. Der Präsenzunterricht findet nur in diesem Rahmen statt. Wer darauf Anspruch hat, ist nicht gut zu überblicken. Die Angebote für die anderen Kinder sind nach Schule und anscheinend je nach Klasse und Lehrkraft verschieden – von gar nicht existent bis zu einer Form von Online-Unterricht. Auch der Präsenzunterricht ist sehr verschieden. Es ist für die Eltern, insbesondere Mütter, erheblicher, zum Teil völlig überfordernder Mehraufwand.
In größeren Teilen der Wirtschaft, insbesondere im gewerblichen bzw. produzierenden Bereich gibt es wenig bis gar keine Einschränkungen der Arbeit im „Lockdown“. Die politische Entscheidung läuft darauf hinaus, dass Mütter zusätzliche Last tragen, während die gewerbliche Wirtschaft offen gehalten wird. Dafür wird in Kauf genommen, dass die Pandemie sehr inkonsequent bekämpft wird.
Erst neuerdings werden unter Namen wie ZeroCovid, NoCovid, Solidarischer Lockdown, etc. andere Konzepte diskutiert, die immerhin bereits in die Tagespresse vorgedrungen sind, aber noch sehr minderheitlich erscheinen. Vielleicht lassen sich unsere Ideen mit diesen Ansätzen verbinden.
Über den Sommer hätte allerhand Vorsorge getroffen werden können, aber im Herbst zeigte sich, dass fast nichts davon passiert ist, worüber die ganze Zeit gesprochen wurde. Es sieht oft schlimmer aus als im Frühjahr. Die Perspektive ist völlig unklar. Es ist schwer abzusehen, wann das alles wieder in etwas Normalitätsähnliches übergeht. Für die Kinder heißt das mindestens ein verlorenes Schuljahr, bis hin zur Verschärfung der Ungleichheiten.
Daher ist die Frage: Was kann von unserer Seite aus dagegen getan werden?
Wir denken über drei Ebenen der Handlung nach:
1. Forderungen an die öffentliche Hand.
Der Vorteil: Diese hat die Ressourcen (bzw. kann sie beschaffen), sowie den gesetzlichen Auftrag. Der Nachteil: Es hat sich gezeigt, dass die öffentliche Hand den Willen nicht hat, sich auf die absehbaren Ereignisse vorzubereiten. Der bloße Appell wird fruchtlos bleiben und die Mobilisierung kann an der Frustration scheitern. Wenn sich auf die bloßen Forderungen beschränkt wird, wird riskiert, sich selbst gegenüber einem schwerfälligen trägen Apparat in Passivität zurückzuwerfen.
2. Selbsttätig die Initiative zurückgewinnen. Hierzu zählen direkte Aktionen, aber auch die Organisierung und gegenseitige Hilfe.
Der Vorteil: Es muss nicht passiv abgewartet werden, bis der Apparat tätig wird. Der Nachteil: Man besitzt nicht die Ressourcen.
3. Sich organisieren, Erfahrung austauschen, aus der Isolation herauskommen. Die Gesellschaft erwartet von Eltern und vor allem den Müttern, dass sie damit schon irgendwie klar kommen. Die Scham, wenn man das nicht schafft, hält viele zurück sich zu organisieren. Dabei machen die meisten dieselben Erfahrungen. Es muss gelingen, diese Erfahrungen zu teilen.
Alle drei dieser Ebenen sind für sich genommen schwach und haben Nachteile, aber sie können sich ergänzen und eine Bewegung tragen. Es muss herausgefunden werden, welche Forderungen, welche Formen der Selbsttätigkeit und welche Formen der Selbstverständigung und Kommunikation die richtigen und angemessenen, d.h. wirkungsvollsten sind.
An einem Beispiel:
Es ist möglich, Hausaufgabenhilfe und Kinderbetreuung in gegenseitiger Selbsthilfe zu organisieren. Das kann pandemie-fest gemacht werden, z.B. in festen kleinen Gruppen, über das Internet, etc. Geräte und unter Umständen ein Internetzugang können gepoolt werden (zum Beispiel bei Nachbar:Innen). Es kann Unterstützung durch Studierende, Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte, Freiwillige etc. herangezogen werden.
Dieselbe Initiative, die dies angeht, richtet die Forderungen direkt an Gemeinden, Schulen usw. : ihnen steht öffentliche Unterstützung zu, denn sie tun die Arbeit, die die öffentliche Hand zu tun hätte. (Infrastruktur, Ausstattung, sogar Personal)
Diese Initiative ist zudem eine Selbstorganisation derer, die Unterstützung suchen, aber auch derer, die sie anbieten, und das können auch dieselben Personen sein. Wenn diese Tätigkeiten von einer Initiative, d.h. kollektiv organisiert werden, kann das die Furcht nehmen, für sogenanntes Versagen angesehen zu werden. Die Initiative tritt ja nicht so auf, dass sie Unterstützung fordert, sondern so, dass sie diese anbietet. Das gesellschaftliche Stigma wird gewissermaßen kollektiviert und kann so unterlaufen werden.
Gleichzeitig ist es so möglich, völlig unterschiedliche Bevölkerungskreise einzubeziehen mit völlig verschiedenen Bedürfnissen: wer in einer Hinsicht nach Unterstützung sucht, kann in einer anderen Hinsicht selbst wertvolle Unterstützung leisten. Auf diese Weise wird die solidarische Grundlage verbreitert und gefestigt.
Die gemeinsame Tätigkeit schließlich ist ein gutes Mittel, um die Isolation zu überwinden und als Frauen und Eltern miteinander in Kommunikation zu treten. Das ist aus vielerlei anderen Gründen wünschenswert, und es wird hier ein Anfang gemacht. Auf diese Weise werden auch die gemeinsamen Forderungen auf einer breiteren Grundlage formuliert und mit größerem Nachdruck gemeinsam geäußert.
Die Nachteile der verschiedenen Handlungsebenen werden sich durch ihre Kombination in Vorteile verwandeln. Die Initiative kann gewonnen werden und aus einer aktiven Position heraus werden viel nachdrücklicher Forderungen gestellt. Die Isolation kann überwunden werden und das Thema, statt als privates Leiden, als (sozial- und geschlechter-) politisches Thema behandelt werden.
Forderungen müssen nicht notwendig in dem Rahmen der gemeinsamen Selbsthilfe bleiben; ebensowenig wie andere Formen der öffentlichen Forderung dadurch eingeschränkt würden. Sowie wir in der Lage sind, eine Verbesserung bzw. Entlastung zu organisieren, ist die Initiative auch in der Lage, noch breitere Kreise anzusprechen.
Verbündete
Im Grunde können Lehrkräfte und Fachpersonal Verbündete sein, sowie die Studierendenvertretungen oder die Fachschaften der Lehrämter und pädagogischer Fächer. Dazu können auch die Freiwilligenagenturen und sonstige zivilgesellschaftliche Organisationen treten. Natürlich könnten auch die Organe der Frauenbewegung hier eine größere Rolle einnehmen. Die Vorbereitungen zum 8. März wären eine gute Gelegenheit, erste Schritte zu tun.