Millionen SpanierInnen folgten am 29. März dem Aufruf der Gewerkschaften zu einem 24stündigen Generalstreik. Alleine in Madrid beteiligten sich knapp 200.000 Menschen an der Demonstration zu der die sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften Comisiones Obreras (CC.OO) und Union General del Trabajo (UGT) aufgerufen hatten. Um die 50.000 DemonstrantInnen beteiligten sich in der selben Stadt an der alternativen Gewerkschaftsdemonstration, zu der u.a. die syndikalistischen Verbände Confederación Nacional del Trabajo (CNT), Confederación General del Trabajo (CGT) und Solidaridad Obrera (SO), sowie die Bewegung 15M und verschiedene Stadtteilgruppen aufgerufen hatten. Im gesamten Land kam es zu entsprechenden Demonstrationen. Laut der liberalen Tageszeitung El Publico soll an diesem Tag ungefähr ein Viertel der EinwohnerInnen des Landes auf den Beinen statt am Arbeitsplatz gewesen sein. Zuvor wurden viele Betriebe in den Morgenstunden durch Streikposten blockiert. Dabei kam es im ganzen Land immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Polizei und zahlreichen Festnahmen. Insgesamt ist die derzeitige spanische Regierung nicht gerade zimperlich bei der Abwehr der Proteste gegen ihren radikalen Sparkurs. Als Reaktion v.a. auf die Bewegung der Indignados und des M15 wurden Anfang April vom spanischen Innenminister Fernandez Díaz Pläne zur Verschärfung des Strafrechts ins Rollen gebracht. Diese sehen vor, das Aufrufen zu friedlichen Protesten wie Blockaden als „Anschlag auf die Staatsgewalt“ zu bewerten. Wer dazu aufruft muss damit rechnen, als „Mitglied einer kriminellen Organisation“ mit Haft nicht unter zwei Jahren bestraft zu werden. Der katalanische Innenminister Felip Puig nahm dies zum Anlass, direkt juristische Konsequenzen für CNT und CGT als angebliche Urheber der Ausschreitungen während der Streiks anzukündigen. Denn: „Es geht darum, dass die Menschen mehr Angst vor dem System haben“, zitiert die taz vom 18.04. den katalanischen Innenminister.
Der Generalstreik wurde ursprünglich von regionalen Gewerkschaften in Galizien und dem Baskenland ausgerufen, dann von einem Bündnis der syndikalistischen Gewerkschaften auf das ganze Land ausgedehnt und schließlich am 9. März auch von den beiden großen Gewerkschaften aufgegriffen. Letztere sprangen nicht nur auf den fahrenden Zug auf, weil sie sich das Heft nicht aus der Hand nehmen lassen wollten, sondern auch, weil die aktuellen Reformen der im November neu gewählten konservativen Regierung erstmals auch deutlich in die Handlungsspielräume dieser Organisationen eingreifen und die Lebensbedingungen ihres Stammklientels direkt in Frage stellen. Durch die Reformen wird u.a. der Status von Flächentarifverträgen gelockert. Des Weiteren wird Kündigungsschutz praktisch abgeschafft. Dies betrifft insbesondere die nach wie vor von den großen Gewerkschaften repräsentierten Stammbelegschaften in der Industrie und tendenziell die älteren Lohnabhängigen.
Die beteiligten Gewerkschaften verbuchen den Tag als einen Erfolg. Die Baubranche, der Transportsektor, die Landwirtschaft und die Industrie kamen nahezu vollständig zum Erliegen. Schwächer war die Beteiligung im Öffentlichen Dienst und in den Dienstleistungsbranchen. Als unabhängiger Indikator für die Wirkung eines Generalstreiks wird üblicherweise der Stromverbrauch herangezogen. Dieser lag am Morgen des 29. März fast 25 Prozent unter dem Wert der Vorwoche und damit auf dem Niveau eines Feiertages. Die Vorsitzenden von CC.OO und UGT erhoffen sich durch den Generalstreik wieder stärker als Verhandlungspartner anerkannt zu werden. Gerade dies kritisierte u.a. die CNT scharf und rückte die Forderung nach einem Ende der Sozialpartnerschaft in den Mittelpunkt. Noch kurz vor dem Generalstreik hatten die beiden sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften ein Übereinkommen mit dem Arbeitgeberverband getroffen, in dem Richtlinien für maximale Gehaltserhöhungen in den kommenden drei Jahren festgelegt wurden. Demnach sollen die Löhne 2012 nicht mehr als 0,5 Prozent und in den folgenden beiden Jahren nicht mehr als 0,6 Prozent steigen. Die CNT betonte, dass ein solcher zeitlich begrenzter Generalstreik nur der Anfang einer Entwicklung sein kann, in der die ArbeiterInnen sich Schritt für Schritt wieder in die Lage versetzen ihrer Lebensbedingungen zu verteidigen, um dann auch wieder in offensive Kämpfe eintreten zu können.