Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern ist heute noch eine der größten Problematiken des kapitalistischen Arbeitsmarktes. In der BRD erhalten Frauen noch immer weniger Lohn als männliche Arbeitnehmer, was unterschiedliche Ursachen hat: einerseits die Anstellung in schlechter bezahlten Tätigkeiten und so die Frage nach der Wertigkeit von (Frauen-)Arbeit, andererseits auch der Umstand, dass Frauen beispielsweise aufgrund von Mehrfachbelastungen durch Reproduktionsarbeit (Haushaltsführung und Kindererziehung) häufiger Teilzeit arbeiten, was weniger Weiterbildungs- oder Aufstiegsmöglichkeiten zulässt. Der Debatten über die „Gender Gap“, also die nicht vorhandene Entgeltgleichheit, stagnieren zurzeit, trotz verfassungsrechtlicher Festlegung und politischen Lobby-Organisationen. Doch selbst bis hierhin war der Kampf lang, wie einige Beispiele aus der aktuelleren Geschichte zeigen.
Der Dagenham-Streik 1968 und der Equal Pay Act
Dem einen oder der anderen mag der Film „Made in Dagenham“ bekannt sein (welcher in der deutschen Übersetzung den unsäglichen und irreführenden Titel „We want Sex“ trägt, aufgrund einer Szene mit einem nicht gänzlich entrollten Banner). Dieser bezieht sich auf den Streik in einer Ford-Fabrik in Dagenham – einer „Auto-Stadt“ vergleichbar mit der Wolfsburg in der BRD – welcher in den Equal Pay Act von 1970 mündete und Frauen die gleiche Bezahlung bei gleich qualifizierter Tätigkeit wie männlichen Arbeitern rechtlich zusicherte. Der Film selbst zeigt die Stärke der streikenden Frauen und anderer weiblicher Protagonistinnen, aber auch die Auseinandersetzungen, welche sie aufgrund ihrer Forderungen mit ihren Ehemännern und männlichen Kollegen führen müssen, und bietet so einen guten Einblick in damalige Geschlechterverhältnisse im privaten Raum.
Vor dem Equal Pay Act von 1970 war es normal, dass Frauen weniger verdienten als Männer. So gab es bis 1967 bei Ford ein vierstufiges Lohnsystem, welches zwischen gelernten, angelernten, ungelernten Männern und zuletzt Frauen unterschied. Hierbei verdienten Frauen nur 80 Prozent des Lohns, den angelernte männliche Arbeiter erhielten. Ab Juli 1967 trat ein neues Bewertungsschemata in Kraft, welches von der Ford Motor Company bei Urwick Orr & Partners in Auftrag gegeben wurde. Dieses neue Lohnsystem war fünfgliedrig:
E – hochqualifizierte Handwerksarbeit (most skilled craft jobs)
D – qualifizierte Handwerksarbeit (less skilled craft jobs)
C – höher qualifizierte Produktionsarbeit (more skilled production jobs)
B – weniger qualifizierte Produktionsarbeit (less skilled production jobs)
A – ungelernte Arbeit
Die Näherinnen, welche die Sitze und Bezüge für die Wagen herstellten, wurden dabei in die Lohnstufe B eingeordnet, erhielten aber nur 85% des Lohns der männlichen Arbeiter in der gleichen Lohnstufe. Eine der Näherinnen dazu in einem späteren Interview: „Wir müssen einen Test an drei Nähmaschinen bestehen. Wenn wir diesen Test nicht bestehen, erhalten wir keinen Job. Also warum sollten sie uns nicht auch als qualifizierte ArbeiterInnen anerkennen?“1 Da ihre Enttäuschung und ihr Protest über diese monetäre Ungerechtigkeit auf taube Ohren bei Ford stieß, verließen die 187 Näherinnen am 7. Juni 1968 die Fabrik und legten ihre Arbeit nieder, gefolgt von ihren Genossinnen in Halewood, einer weiteren Produktionsstätte von Ford. Als das Lager sich leerte, kam es durch den Streik zwangsläufig zu einer Stilllegung der weiteren Produktion. Doch erst als sich die damalige Ministerin für Arbeit und Produktion, Barbara Castle, des Falls annahm, kam es nach dem dreiwöchigen Streik zu einer Einigung mit Ford, wonach die Näherinnen den gleichen Lohn wie ihre männlichen Kollegen in der Lohnstufe B erhalten sollten, angepasst über zwei Jahre.
Die Rolle der Gewerkschaften in dem Streik der Näherinnen war dabei ambivalent bis hin zu feindlich. Der steigende Anteil an arbeitenden Frauen und das dem widersprechende Konzept des „männlichen Ernährers“ führte zu einer Überforderung der Gewerkschaften, welche sich klassischerweise als Vertretung der männlichen Arbeiter, die für eine gesamte Familie sorgten, sahen. The National Union of Vehicle Builders (NUVB), in welcher 135 der Dagenham-Frauen Mitglied waren, hielt diese mit Ausflüchten zurück und zeigte nur zögerliche Unterstützung, wobei Fred Blake, einem Gewerkschaftsfunktionär in diesem Bezirk, eine wichtige Rolle zukam, da er den Streik und die Frauen unterstützte. Neben dem Equal Pay Act ist eine weitere wichtige Errungenschaft des Streiks, dass nach 1967 die Zahl weiblicher Gewerkschafterinnen kontinuierlich anstieg und es zur Gründung eines gewerkschaftlichen Komitees für die Rechte der Frauen (National Joint Action Campaign Committee for Women’s Equal Rights) kam.
Der Streik legte zudem den Grundstein für den Equal Pay Act von 1970, nach welchem es rechtlich verboten wurde, Arbeiterinnen weniger zu bezahlen als Männern. Den Firmen wurde 5 Jahre Zeit gegeben, ihre Lohnsysteme dieser Vorgabe anzupassen. Voraussetzung für eine Klage gegen Arbeitgeber war hierbei, dass die Arbeit im weiteren Sinne als gleichwertig oder als gleichwertig eingestuft angesehen werden musste.
Der Dagenham-Streik von 1984
Doch das eigentliche Ziel der Dagenham-Arbeiterinnen, nämlich eine Einstufung in Lohnstufe C, wurde durch den Streik nicht erreicht. Sheila Douglas, eine der damals Streikenden: „Die Gewerkschaft hat es so ausgelegt, dass manchmal jemand auf C eingestuft wurde. Aber nicht alle Frauen erhielten bis 1984 diese Einstufung. Ich war wirklich verärgert dass das, wofür wir eigentlich gestreikt haben, unter den Teppich gekehrt wurde. Ich schätze man könnte sagen, dass wir für gleichen Lohn kämpften, aber das war kein wirklich gleicher Lohn.“2
Das Problem das Equal Pay Act ist hierbei, dass dieser zwar offensichtliche Lohnungleichheit verbietet, nicht aber die fundamentale Ungleichheit zwischen Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt angreift, und so auch nicht gegen eine Ungleichwertigkeit von Arbeit vorgeht. Der Arbeitsmarkt war – und ist noch immer – geprägt durch eine Arbeitsteilung der Geschlechter, welche Männer zu „Ernährern“ macht und Frauen die Hausarbeit zuspricht, wobei durch Frauen verdientes Geld als zusätzlich und dem der Männer nicht gleichgestellt gesehen wurde. Der Lohn der Männer ist hierbei konzeptioniert als „Familienlohn“ und darauf ausgerichtet zur Ernährung von Familienmitgliedern auszureichen. So wird auch innerfamiliär eine finanzielle Abhängigkeit aufrechterhalten und gefestigt.
Für die Näherinnen von Dagenham dauerte es bis 1984, bevor sie ihren vollen Lohn erhielten. Eine Klage auf gleichwertige Bezahlung wie Arbeiter in der Lohnstufe C wurde durch die Jury abgelehnt, da durch die Klägerinnen erst bewiesen werden musste, dass das Bewertungsschema von Urwick Orr & Partners fehlerhaft war. So kam es kurz vor Weihnachten 1984 zu einem erneuten neunwöchigen Streik, welcher dazu führte, dass die von den Näherinnen geleistete Arbeit erneut untersucht wurde und sie in Lohnstufe C eingeordnet wurden. Dies ließ sich im Vergleich zu 1967 nur erklären, weil einige Bewertungskriterien wie „Hand-Augen-Koordination“ und „Visuelle Vorstellung von Formen“ neu eingestuft wurden und die diskriminierenden Aspekte der Einstufung von 1967 abgelehnt wurden.
Ausstrahlungskraft des Streiks und der Gesetzesänderung
Der Streik der Dagenham-Näherinnen von 1967, welcher erst 18 Jahre später die gesetzten Ziele erreicht hatte, war eine Inspiration für viele arbeitenden Frauen in England und darüber hinaus und hat auch heute noch eine starke Ausstrahlungskraft. Nicht nur bewiesen beide Streiks, dass in der industriellen Produktion auch weibliches Handwerk notwendig ist, um ein Gesamtobjekt wie ein Auto herzustellen und zu verkaufen, sondern sie führten auch in den Gewerkschaften und den Familien zu einer verstärkten Auseinandersetzung über den Wert weiblicher Arbeit. Doch auch wenn die gesetzliche Grundlage es verhindern sollte, sowohl in England als auch auf EU-Ebene, ist Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen immer noch ein aktuelles Thema: In der BRD verdienen Frauen im Schnitt 23% weniger als ihre männliche Kollegen, im europäischen Vergleich liegt die „Gender Gap“ bei 17%. Auch wenn die Dagenham-Streiks viel zum Empowerment weiblicher Arbeitnehmerinnen beigetragen haben, so ist es doch notwendig, diesen Kampf weiter zu führen – auf betrieblicher, politischer und privater Ebene.
Arbeitskampf in der BRD: Die Heinze-Frauen
Doch wie sahen Kämpfe um gleichen Lohn in der BRD aus? Seit 1949 steht in der Verfassung der Bundesrepublik, dass es keine unterschiedliche Entlohnung der Geschlechter geben darf. Der Grundsatz wurde 1957 durch den EWG-Vertrag erhärtet und 1975 durch zwei EG-Richtlinien bekräftigt. Aber trotz dessen gab und gibt es Lohnungleichheit, auch bei gleicher Arbeit. Ein spektakulärer Fall war der der Heinze-Frauen, welche 1981 in dritter Instanz vor das Bundesarbeitsgericht zogen und die gleiche Bezahlung erstritten. Durch Zufall war herausgekommen, dass die Männer bei gleicher Arbeit in der Entwicklungsabteilung bei Foto-Heinze neben sechs Mark Stundenlohn und einer tariflichen Zulage für Schicht- und Nachtarbeit noch zusätzlich im Schnitt 1,58 Mark, Frauen dagegen nur 19 Pfennig bekamen. 29 Frauen, die in der IG Druck und Papier organisiert waren, klagten bezugnehmend auf Artikel 3 des Grundgesetzes. Sie wurden dabei von ihrem Betriebsratsvorsitzenden unterstützt, über 45.000 Menschen zeigten sich in einer Unterschriftenaktion mit ihnen solidarisch, und der Erfolg ihrer Klage löste eine weitere Klageflut gegen ArbeitgeberInnen aus, die ungleiche Arbeitsentgelte und Zuschläge zahlten.
Feministische Perspektiven?
Es wurde inzwischen nachgewiesen, dass die Existenz eines Betriebsrates und eine Tarifbindung zu einem geringeren Lohnabstand zwischen den Geschlechtern führen. Doch arbeiten noch immer viele Frauen in Branchen, die nur wenig oder schlecht gewerkschaftlich organisiert sind, oder aber die Gewerkschaften selbst tun sich schwer daran, Frauen in ihrem Kampf um gleiche Entlohnung zu unterstützen, um die meist männlichen Gewerkschafter nicht vor den Kopf zu stoßen. Denn die Frage nach gleichem Entgelt fordert auch immer die Aufdeckung patriarchaler Strukturen in Bezug auf (Lohn-)Arbeit und das gesamtgesellschaftliche Vorgehen gegen geschlechtliche Diskriminierung.
Doch wie kann eine feministische Perspektive auf gleiches Arbeitsentgelt aussehen? Red Rag, ein von marxistischen FeministInnen in England herausgebrachtes Magazin der 1970er Jahre, stellte hierfür verschiedene Anforderungen zusammen, unter anderem:
– das Ziel einer 30-Stunden-Woche für alle Beschäftigten, welches gleichzeitig die Frage nach der Demokratisierung von Hausarbeit in den Mittelpunkt rückt
– die Abschaffung unterschiedlicher Verträge von Voll- und TeilzeitarbeitnehmerInnen
– die Einführung von nationalen Mindestlöhnen
Diese Ziele haben bis heute nicht an Aktualität verloren und es wird noch weitere Arbeitskämpfe und politische Intervention von Frauen erfordern, bis eine Anerkennung von Frauenarbeit stattfindet und es so zu einer Gleichstellung aller ArbeitnehmerInnen kommen kann. Denn ein Kampf für eine klassenlose Gesellschaft muss auch immer ein Kampf gegen das Patriarchat und seine Herrschaftsmechanismen sein, sei es auf dem Arbeitsmarkt oder in Bezug auf Reproduktions-, Erziehungs- und Pflegearbeit.
Anmerkungen
[1] aus dem Englischen, Original siehe The story of the Ford sewing machinists. A TUC oral history project on equal pay, in association with the Wainwright Trust.
[2] aus dem Englischen, Original siehe http://www.workersliberty.org/story/2008/07/14/real-story-made-dagenham
weitere Informationen:
- A Women’s Worth. The Story of the Ford sewing Machinists, http://www.youtube.com/watch?v=cWt50ZThVzw
- http://www.socialistreview.org.uk/article.php?articlenumber=11407
- Campbell, Beatrix: Women: not what they bargained for, in: Marxism Today, März 1982
- http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14344456.html