…dem Teufel der Anarchie!

Die am 18. August 1824 in Lusignan, Départment Vienne geborene Victorine-Léodile Béra, verheiratete Champseix, nutzte das Pseudonym, welches sie aus den Vornamen ihrer Zwillingssöhne zusammensetzte, seit Anfang der 1860er Jahre. Nach dem Tode ihres Mannes, baute André Léo ihre schriftstellerische und journalistische Tätigkeit zum Gelderwerb aus. Sie starb, bis zu ihrem Tode als Schriftstellerin und Journalistin arbeitend, 1900 und wurde auf dem Friedhof von Auteuil in Paris beigesetzt.

André Léo

Mitte der sechziger Jahre gründete sie in ihrer Wohnung die „Société pour la Revendication du Droit des Femmes“. Diese Société wurde nicht nur ein Sammelbecken führender Feministinnen in Paris (u.a. Paule Minck, Louise Michel, Elie und Noémie Reclus), sondern sie stellte überdies eine Neuausrichtung des zeitgenössischen Feminismus dar. Als Reaktion auf die antifeministischen Kampagnen ihrer Zeit, z.B. von Proudhon, stellten André Léo und die Frauen und Männer(!) der Société nicht die Geschlechterdifferenz in den Vordergrund. Sie argumentierten nicht mit den „besonderen Fähigkeiten und Interessen der Frauen“. Vielmehr betonten sie die Gleichheit der Geschlechter. Vorhandene Unterschiede führten sie weitgehend auf die Sozialisation zurück. Allerdings reichen André Léo die Versprechungen bürgerlicher und sozialistischer rechtlicher Gleichstellung nicht aus. Für sie können sowohl die bürgerlich-kapitalistische wie die sozialistische Gesellschaft auf der Basis der Familie existieren. Aufklärung alleine reiche nicht, vielmehr müsse eine materielle Basis und gesellschaftliche Bedingungen geschaffen werden, die es Frauen en masse gestatten sich nicht nur theoretisch, sondern auch ganz konkret an der Gestaltung der Gesellschaft zu beteiligen. Entscheidend hierfür sei unter anderem eine sozialistische Umgestaltung der

Wirtschaftsordnung, inklusive der Erwerbsarbeit für Frauen.

Während der Pariser Kommune traten die Differenzen zwischen bürgerlichem Feminismus und antifeministischem Sozialismus besonders deutlich zu Tage. Einerseits verließen viele Feministinnen Paris und wandten sich gegen die Kommune, andererseits wurde der erklärte Antifeminist Jaroslav Dombrowski zum Oberbefehlshaber der Kommunetruppen erklärt. Dombrowski versuchte sogar den Krankenschwestern und den Marketenderinnen, welche die Soldaten mit Lebensmitteln versorgten, den Zugang zu den Schlachtfeldern zu verweigern.

Im Gegensatz zu Louise Michel gelang Léo nach der Niederschlagung der Kommune die Flucht in die Schweiz. Dort wollte sie 1871 auf dem Kongress der Friedens- und Freiheitsliga die bürgerliche Öffentlichkeit über die wahren Ziele der Kommune aufklären und die von den Versailler begangenen Massaker brandmarken. Dazu kam es jedoch nicht, da sie durch Zwischenrufe und aufkommenden Tumult dazu gezwungen wurde, ihre Rede vorzeitig abzubrechen. Wie viele Kommuneflüchtlinge, wandte sie sich nun endgültig der sozialistisch-anarchistischen Bewegung zu. Antizentralistische und libertäre Positionen bei vielen der KommunardInnen waren vor und während der Kommune vor allem in der Auseinandersetzung mit blanquistischen und jakobinischen Strömungen entstanden.

Im Oktober 1871 sah André Léo sich gezwungen, in der „Révolution Sociale“ die Beschlüsse der Londoner Konferenz der Internationalen, welche von Karl Marx einberufen, geplant und minutiös durchgeführt worden war, zu kommentieren:

„Dass die Göttin Freiheit uns zu Hilfe komme! Denn wir haben gegen die jüngste päpstliche Bulle verstoßen, … indem wir die Unfehlbarkeit des obersten Rates zur Diskussion stellen. Nun sind also auch wir von der Exkommunizierung bedroht, und es bleibt uns nichts anderes übrig, als unsere Seele dem Teufel der Anarchie zu verschreiben“.

Durch die Agitation von André Léo und die Verbreitung eines Zirkulars der anarchistischen Sektionen, das die Kompetenzen des Generalrats nun offen in Frage stellte, wurde der Konflikt auch in andere Länder getragen, und die Opposition gegen den Generalrat wuchs. 1872 fand die Marx’sche Anti-Anarchisten-Kampagne auf dem Kongress in Den Haag mit der Spaltung der Internationalen ihren traurigen Höhepunkt.

Mehr Infos: www.antjeschrupp.de

 

 

Schreibe einen Kommentar