Einst war der Deutschrapper mit noch ganz amüsanten Stücken des ewigen Prollraps und der obligatorischen Kiffer-Lyrik erfolgreich. Danach misslang Samy ein Umschwenken in die Sparte des Macho dominierten Party R’n’Bs. Diese Art der Musik kam nie in der deutschsprachigen Mainstreammusik an, stattdessen eroberte Rap der Marke „Aggro Berlin“ den Markt. Da hier für Samy kein Blumentopf mehr zu gewinnen war, musste sich nach neuen Möglichkeiten der Vermarktung umgesehen werden. Der „wickeder MC“ entschied sich für die Sparte des staatstragenden Moralapostels. Sein Humankapital ist dabei seine Rolle als erfolgreich aufgestiegener Underdog und geläuterter Hitzkopf, denn genau danach gieren Initiativen und Kampagnen im Geiste des „Du bist Deutschland“-Terrors. Ein ehemals lauthals angekotzter Promi der Jugendkultur erkennt seine Chance, in Zeiten des Internetdownload-bedingten Niedergangs der Musikindustrie nun im offiziellen Ideologiebetrieb sein Geld zu verdienen, und sich per Widerruf seiner Antihaltung bestens anzubiedern.
Nun waren seine Texte noch nie besonders tiefgründig. Trotz offen sexistischer und homophober Verse (z.B. in „Wie jetzt“) gelang es jedoch, durch einen konfus formulierten Anstrich von Gesellschaftskritik Hörerschaften im linken Spektrum des Mainstreams zu erreichen. Vor allem das Liedchen „Weck mich auf“, einem Konglomerat gesellschaftlichen Nörgelns zwischen TAZ und FAZ, war ein Versuch, sich in der Zielgruppe alternativer SchülerInnen und StudentInnen zu positionieren. Dieser Markt scheint aber ausgeschöpft; Fußball-WM und Nationalismus-Kampagnen zeigen hingegen neue Möglichkeiten auf. Schließlich investieren Staat und Privatwirtschaft Millionen in ein neues deutsches „Wir“, das Lohneinbußen und Mehrarbeit mit Worten wie „Anpacken“ oder „etwas für dieses Land tun“ umschreiben lässt. Nachdem sich Samy schon als Werbeclown für die GEZ lächerlich gemacht hat, winken ihm nun Auftritte als Botschafter des neuen „positiven“ Patriotismus.
In seiner aktuellen Single „Dis wo ich herkomm“ kaut Samy daher die spießigen Parolen des deutschen Kleinbürgertums wieder. Intellektueller Höhepunkt ist – noch vor dem Hinweis, dass mit genügend harter Arbeit aus uns allen doch noch etwas werden könne – die Referenz an die deutsche Psychose, sich ungerechtfertigter Weise nicht eines normalen Nationalstolz erfreuen zu dürfen. Samy jammert: „Und wir haben kein Nationalstolz und das alles bloß wegen Adolf, ja toll schöne Scheiße der Typ war doch eigentlich ’n Österreicher.“ Dass mit solch einem Gegurke Lob von Spiegel Online über DIE WELT bis hin zur ARD einzuheimsen ist, ist eigentlich nur noch zum Lachen.
Marcus Munzlinger