Vielerorts herrscht große Verunsicherung darüber, welche Rechte die Kolleginnen und Kollegen während eines Arbeitskampfes wahrnehmen können, die sich nicht organisiert bzw. keiner etablierten Gewerkschaft angeschlossen haben. Oftmals vermitteln uns gerade Gewerkschaftsoffizielle, aber auch Vorgesetzte, den Eindruck, dass uns grundlegende Rechte als ArbeitnehmerIn erst dann zustehen, wenn wir Mitglied einer Gewerkschaft sind. Dem ist nicht so!
Wer kann streiken?
Das Streikrecht wird in Deutschland aus Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes hergeleitet. Alle ArbeitnehmerInnen haben das Recht, sich an einem Streik zu beteiligen – auch Auszubildende und PraktikantInnen, wenn es um ihre tariflichen Beschäftigungsbedingungen geht. Dabei ist es völlig egal, ob sie Mitglied der zum Streik aufrufenden Gewerkschaft sind oder nicht!
Ist Streikbrecherarbeit zulässig?
Wird vom Arbeitgeber angeordnet, dass die Arbeiten, die auf einem bestreikten Arbeitsplatz anfallen, von anderen übernommen werden, handelt es sich um Streikbrechertätigkeit. Das gleiche gilt, wenn der Arbeitsplatz vorübergehend oder dauernd anderweitig vergeben wird. Niemand ist verpflichtet, Streikbrecherarbeiten durchzuführen!
LeiharbeitnehmerInnen haben in bestreikten Betrieben der Entleiher (Einsatzbetriebe) ein Leistungsverweigerungsrecht! Dies ist im „Arbeitnehmerüberlassungsgesetz“ (AÜG) grundsätzlich geregelt: „Der Leiharbeitnehmer ist nicht verpflichtet, bei einem Entleiher tätig zu sein, soweit dieser durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffen ist. In den Fällen des Arbeitskampfes nach Satz 1 hat der Verleiher den Leiharbeitnehmer auf das Recht, die Arbeitsleistung zu verweigern, hinzuweisen.“ (AÜG, §11, Absatz 5) Auch ABM-Kräfte und Ein-Euro-JobberInnen dürfen nicht zur Streikbrecherarbeit gezwungen werden. Die Bundesagentur für Arbeit ist wie alle staatlichen Einrichtungen zur Neutralität im Arbeitskampf verpflichtet. Drohungen mit Sanktionen sind unzulässig! Laut einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 1993 ist auch der Einsatz von BeamtInnen auf bestreikten Arbeitsplätzen grundsätzlich nicht zulässig. Dies gilt, solange nichts anderes per Gesetz geregelt ist.
Ich bin nicht Mitglied einer Gewerkschaft. Muss ich mich trotzdem in die Streikliste eintragen? Was wird mir vom Lohn oder Gehalt abgezogen?
Nichtmitglieder müssen sich nicht in die Streiklisten eintragen, da es sich dabei lediglich um die Geltendmachung von Ansprüchen (Streikgeld) gegenüber der jeweiligen Gewerkschaft handelt. Anhand der Streiklisten werden auch Vertretungen für Notdienstarbeiten von der Gewerkschaft gestellt, falls Kolleginnen und Kollegen unerwartet ausfallen.
Das Entgelt, das der Arbeitgeber pro Streiktag abzieht, lässt sich leicht errechnen: Grundvergütung durch Anzahl der Arbeitstage des laufenden Kalendermonats.
Erhält man infolge der Arbeitskampfmaßnahme für mindestens einen vollen Kalendermonat keinen Lohn bzw. kein Gehalt vom Arbeitgeber, hat das Auswirkungen auf die Jahressonderleistungen und vermögenswirksamen Leistungen. Das Weihnachtsgeld reduziert sich anteilig nach Monatsanteilen. Urlaubsgeld und vermögenswirksame Leistungen entfallen, wenn der Streik in den Bezugsmonat für die jeweilige Leistung fällt.
Die Mitgliedschaft in den Sozialversicherungen besteht während des Ausstands fort. Die Streikenden stehen jedoch während dieser Zeit nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Kann mir der Arbeitgeber kündigen, wenn ich mich am Arbeitskampf beteilige?
Nein, das Arbeitsverhältnis kann deshalb nicht aufgelöst werden. Die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag ruhen jedoch für die Dauer der Beteiligung am Streik. Nach Beendigung der Arbeitskampfmaßnahme hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.
Ich bin nicht Mitglied einer verhandlungsführenden Gewerkschaft. Gilt der Tarifabschluss dann trotzdem für mich?
Ein Anspruch auf tarifliche Arbeitsbedingungen besteht zunächst nur, wenn die ArbeitnehmerInnen Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft sind und auch der Arbeitgeber an den Tarifvertrag gebunden ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Arbeitgeber Mitglied des Arbeitgeberverbandes ist oder den Tarifvertrag selbst abgeschlossen hat. Für die anderen ArbeitnehmerInnen gilt der Tarifvertrag allein dann, wenn in ihren Arbeitsverträgen auf den Tarifvertrag verwiesen wird. Findet sich keine Verweisung im Arbeitsvertrag, muss der Arbeitgeber keine tariflichen Arbeitsbedingungen gewähren!