Das Phänomen grenzüberschreitender Pflegeversorgung ist in Deutschland seit zwei Jahrzehnten zu beobachten. Die Alterung der Gesellschaft, unzureichende staatliche Leistungen, der Wandel der Geschlechterverhältnisse und Generationenbeziehungen resultieren im sogenannten Pflegenotstand. Dessen Bewältigung erfolgt häufig über außerstaatliche Wege und durch Delegierung der anfallenden Arbeit an MigrantInnen. In zehntausenden Haushalten in Deutschland werden Migrantinnen irregulär beschäftigt, um ältere pflegebedürftige Menschen zu betreuen. Vorsichtige Schätzungen gehen von 150.000 bis 500.000 „Care-Migrantinnen“, überwiegend Frauen aus Osteuropa, aus.
Die in der häuslichen Pflege illegal beschäftigten Migrantinnen sind oft für die Bearbeitung der Gesamtproblematik und die den Umständen entsprechende Lebenslage ihrer KlientInnen verantwortlich. Da sie sich in sogenannten Live-in-Arrangements befinden, d.h. Wohnen am Arbeitsplatz und Rund-um-die-Uhr-Beschäftigung im Haushalt der Pflegebedürftigen, ist die Lage der betroffenen Frauen in mehrfachem Sinne prekär. Durch die Live-in-Situation, dadurch, dass (arbeits-)rechtliche Grundlagen sowohl hinsichtlich der Arbeitszeiten als auch -aufgaben ungeregelt sind, und dass die Trennung zwischen Beschäftigung, Bereitschaft und Freizeit verschwommen ist. Die Unterbezahlung und die mangelnde gesellschaftliche Anerkennung der Pflegearbeit machen ihre unterprivilegierte Position als „billige Hilfskraft“ aus. Die Rund-um-die-Uhr-Beschäftigung, die oftmals mit einem wochen- oder monatelangen „Zusammenleben“ mit den KlientInnen in einem Haus oder einer Wohnung einhergeht, bedingt eine räumliche und zeitliche Einschränkung sowie das Fehlen einer Privatsphäre. Durch die intensive emotionale Einbindung sind die Pflegekräfte weiterhin mitbetroffen von den Leidensprozessen ihrer KlientInnen, an deren Bearbeitung und Begleitung sie langfristig beteiligt sind. Hinzu kommt das alltägliche Ausgeliefertsein an die endlosen Routinen schwerer psychischer Arbeit und körperlicher Anstrengung, bei permanenter Orientierung an den Bedürfnissen der KlientInnen. Schließlich findet die Arbeit in einem sehr eingeschränkten Interaktionsrahmen statt, der sich durch mangelnde Möglichkeiten der Kommunikation, Einsamkeit und Isolation auszeichnet.
Die meisten irregulären Pflegekräfte arbeiten in selbstorganisierten Rotationssystemen, jenseits staatlicher oder arbeitsrechtlicher Regelungen, und wechseln turnusmäßig (z. B. alle paar Wochen oder Monate), so dass zwei oder mehr Pflegende sich um jeweils eine Person kümmern. Bei der Selbstorganisation der irregulären Pflege spielen die ethnischen Netzwerke eine entscheidende Rolle; viele Frauen haben über Mundpropaganda und informelle Kontakte zu ihrem Arbeitsplatz gefunden. Somit entgehen sie unseriösen Vermittlungsagenturen, die einen großen Teil des Lohns für die Vermittlung der Arbeit einkassieren, und die mit Knebel-Verträgen dafür sorgen, dass die Flexibilität der Arbeitszeit und Rotationsmöglichkeiten stark eingeschränkt sind. Nicht selten werden an Pflegekräfte und ArbeitgeberInnen unvollständige oder falsche Informationen über das Arbeitsverhältnis vermittelt, so dass letztere bspw. nicht wissen, wie wenig Lohn die Pflegekräfte tatsächlich erhalten.